[1] Zur Wollenweberbäuerschaft gehörig.
Merkwürdigerweise kommt ihr Name erst seit etwa 1473 vor und Döbner nimmt daher an, daß sie früher Bedelerstraße (von Betern, Bittende oder Bettler?) hieß.
Bedelerstraße, platea petitorum 1319; Beydeleresetrate 1348; im 15. Jahrhundert Bedelerstrate; Wullenweverstrate 1473; ebenso im 16. Jahrhundert Bedelerstrate.
Die Wollenweberstraße bildet die Hauptverkehrsader zwischen Friesenstraße und Kehrwiedertor.
[2] Diese Straße in der Neustadt wurde erstmals 1473 als Wullenweverstrate. Benannt ist sie nach dem Sitz der Wollenweber.
Vorher hieß sie, wohl wegen der Bedürftigkeit ihrer Bewohner Bettlerstraße.
1950 wurde die Straße bis zum Hindenburgplatz verlängert.
[1] Unter den gotischen Häusern dieser Straße sind die ältesten:
Nr. 2 (618), drei Spann lang, umgebautes EG, ZG und vorkragendes OG, mit einer schon am Hause Eckemeckerstraße 4 erwähnten Zier, einem Band halb plastisch, halb eingestochen in der Setzschwelle.
Nr. 27 (945) und Nr. 28 (946), eine Gruppe von ursprünglich drei und vier Spann langen Häusern mit umgebautem EG, ZG und vorkragendem OG, als solche besonders typisch für die Frühzeit. Setzschwelle und Konsolen mit Dreieckzier und Inschrift: M.c.c.c.c.l.x.i.x. (1469) hinricius schilp me (fieri fecit?) die beiden letzten Worte anscheinend verstochen.
[4] Nr. 27/28; Das Gebäude wurde 1469 errichtet. Der Giebel wurde ohne Auskragung errichtet. Besonders interessant war die Ausbildung des Eckständers mit 3 Kopfbändern und die Fenstersprossenteilung.
Bei diesem Frührenaissancehaus waren besonders der Vorhangbogen auf der Schwelle und die Rosetten oder Fächer in den Füllungen zu beachten. Weiterhin die Seilstäbe auf dem schwach geschwungenen Kopfbändern.
Von Gebäuden gleicher Zeit sind zu nennen:
Nr. 59 (975), sechs Spann lang, umgebautes EG, ZG, vorkragendes OG mit Fruchtzug; Dreieckzier in Konsolen und Schwelle,
ebenso Nr. 48 und Nr. 49; diese zwei Häuser ursprünglich unter gemeinsamen Dach, alle drei je drei Spann lang;
ebenso Nr. 41 (958).
Nr. 67 (984) drei Spann lang, EG, ZG und vorkragendes OG, Dreieckzier in der Schwelle, Perlstäbe in den Konsolen, abgesehen von der Tür aus dem 18. Jahrhundert, sehr gut erhalten.
Das Motiv des Vorhangbogens in der Setzschwelle kommt am Hause Nr. 14 (630) vor, das aus älteren Resten errichtet ist.
Von Renaissancehäusern haben sich in der Straße ebenfalls einige gute Beispiele erhalten.
Nr. 100 (616), Eckhaus an der Braunschweiger Straße, laut Inschrift: Mester Freidank radecke 1525.
Nr. 15 (613) vier Spann lang, umgebautes EG, ZG und vorkragendes OG, sonst einfach mit durchlaufendem Zahnschnittleisten an Brustholz und Setzschwelle und hübschen Konsolen.
Nr. 61 (977) reich gezierter, vier Spann langer Bau, (Bild 1) aus EG mit ZG und vorkragendes OG bestehend. Im Erdgeschoß korinthische Kandelabersäulchen, Zwischengeschoß nur kurze ornamentierte Pfosten, im Obergeschoß jonische Säulchen. Inschrift der Setzschwelle:
WER GODT VORTRAWDT . HAT . WOL . GEBVWEDT . DAS . IHME . NICHT . GERV(VET).
Konsölchenleisten an Schwelle und Brustholz. Oben die Darstellung der Tugenden: FIDES, SPES, CHARITAS, JUSTICIA, unten: PATIENTIA, TEMPERANTI(A), FORTITUD(O), PRUDENTIA in großen, etwas plumpen, aber sehr charakteristisch behandelten Reliefs. Das Haus im Innern mit hübscher Diele mit Docken. Grundriß, Schnitte (Bild unten) und Einzelheiten der Diele: Bild 2. Nach Angaben des Besitzers 1622-24 errichtet. (siehe auch Ansichtskarten Seitenende)
Nr. 23 (920), das berühmteste Bauwerk der Wollenweberstraße, das sogenannte „Landsknechthaus“,
ein neun Spann langer Bau, mit um 1900 umgebautes EG, ZG und einem auskragendem OG (Bild rechts); mit Spuren einer profilierten rundbogigen Toreinfahrt.
Das Zwerghaus gleich der Haustür und dem inneren Ausbau aus dem Ende des 17. Jahrhunderts.
Innen total verändert, mit sehr originellem Flur, dahinter in der Mitte am Treppenaufgang ein stuckiertes Portal, daneben eine Nische mit Heiligenbild, zu den Seiten Eingänge zu kleinen Wohnungen und Hinterbauten. Die Treppe führt zu den Wohnungen der Zwischengeschosse und zum Obergeschoß. Dieses hat in zwei Zimmern sehr gut erhaltene (übertünchte) Stuckdecken, welche gleich den Türen und den Decken der Haupttreppe auf den Übergang zum 18. Jahrhundert deuten (Decken ähnlich denen des Gymnasiums Mariano-Josephinum). Die Küche im Hinterbau des Hauses war ursprünglich eine sogenannte Kemenate (mit Kreuzgeölbe gedeckt).
Reste des ältesten inneren Ausbaues, Türen mit verzierten Tragebändern haben sich erhalten. Konsolen mit Rundstäben und Schachbrettmustern, Setzschwelle in meisterhaft stilisierten Ornamenten (Bild unten), unter den Pfosten zwei Wappenschilde sowie Köpfe und Jahreszahl 1554. In den Fenstern (noch Spuren unten links) einst Vorhangbogen.
In den Brüstungen des Zwischengeschosses Schnitzereien, charakteristische Figuren aus dem Leben der Landsknechte (Bild unten) darstellend, welche Lachner wie folgt deutet:
Erstes Feld, der Fahnenträger, mit zwei Wappen, gleichsam der Werber; der Schreiber (mit großem Gänsekiel); das dritte der Hauptmann; das vierte und sechste Unterbefehlshaber (Feldwaibel), das fünfte und siebende Landsknechte; das achte ein Soldatenweib; das neunte der Profoß.
Darüber im Zwischengeschoß durchlaufender gedrehter Seilstab.
Im Garten Reste einer rundbogig abgedeckten Nische mit Giebeldreieck und einfachen Renaissancepilastern, angeblich eine Kapelle. Die Figuren und Säulen, welche früher diesen Bau zierten, sind abhandengekommen, das Ganze ist anscheinend das Überbleibsel einer Grotte.
[4] Das Landsknechtshaus in der Wollenweberstraße war ein Frührenaissance-Gebäude und wurde 1554 gebaut und um 1900 umgebaut.
Über dem Erdgeschoß zeigte es 9 geschnitzte und bemalte Brustbilder.
Diese Figuren wurden wie folgt gedeutet:
1. Der Erbauer mit seinem und seiner Frau Wappen
2. der Zahlmeister
3. der Hauptmann
4. ein „Weibel“ (Weib, Frau)
5. ein „Feldwaibel“ (Feldwebel)
6. ein Schultheiß (Beamter, Richter)
7. ein gemeiner Landsknecht
8. ein „Soldatenweib“
9. der „Frauenwaibel“ (Frauenaufseher, - aufpasser)
Die Setzschwelle wurde mit schöner und kräftig geschnitzter Verzierung, Wappen und Köpfe verziert. Die Jahreszahl 1554 befand sich über den Balkenköpfen.
Der Renaissancezeit gehört noch an ein am Hause Nr. 54 (971) wieder verbautes kleines Schnitzwerk (Bild rechts) einen Landsknechtszug darstellend. Ein Fähnlein Landsknechte mit seinem Hauptmann zu Pferde auf dem Marsche, nebenher ein Hund laufend. Pfeifer, Trommler, Fahnenträger und ein Haufen mit langen Spießen und Hellebarden in höchst charakteristischer Haltung ist hier wiedergegeben; ein Büchsenschütze geht mit umgekehrtem Luntengewehr voran.
Die Wollenweberstraße ist besonders wertvoll auch durch die Bauten aus dem Ende des 17. und dem 18. Jahrhundert. Der ersten Epoche gehören eine ganze Reihe typischer Beispiele an, unter denen zu nennen sind die Bauten:
Nr. 26 (923), Eckhaus an der Goschenstraße, in der Front sechs Spann breit, EG und ZG noch in einer Pfostenkonstruktion, wenig vorkragendes OG mit Füllbalken und seitlich gekerbten Balkenköpfen.
Nr. 53 (970) fünf Spann lang, umgebautes EG, vorkragendes OG und großes Zwerghaus mit Windeluke im Giebel, ein vorzüglich erhaltenes Beispiel.
Das Haus Nr. 8 (624) vier Achsen, dreistöckig, EG umgebaut, trägt die Inschrift:
GOD DER VATER WOHN VNS BEI VNDT LAS VNS NICHT VERDERBEN
IESVS CHRISTVS WOHN VNS BEI VND HILF VNS SEHLIG STERBEN
DER HEILIGE GEIST WOHN VNS BEI MACH VNS ZV HIMMELS ERBEN
Nr. 62 (978) aus der gleichen Zeit, jedoch Ausladung der Balkenköpfe durch Bretter vernagelt, gibt ein Baudatum.
M . HEINRICH |
In der Mitte Hausmarke |
DALMEYER |
MAGDAleHNA CLAR(A) |
mit Schere, Nagel |
HASSEN |
ANO |
und Herz |
1672 |
Das größte Haus dieser Epoche ist Nr. 12 (628), wichtiger Bau für den Übergang zum 17. Jahrhundert, dreistöckiger acht Spann langer Mittelbau mit EG und ZG, zwei vorkragende OG mit Zwerghaus, sowie zwei Seitenflügeln, von denen der eine die Torfahrt enthält. Innen hübsche Diele im Biedermeierstil, während die Obergeschoßtreppe noch Docken in der Art des Josephinums hat (Bild rechts). Das ursprünglich als Lagerboden dienende oberste Geschoß 1903 zu Wohnzwecken umgebaut. Ein eisernes Vorgelege eines Ofens (jetzt in der Werkstatt) mit Jahreszahl 1786.
Ebenso birgt die Wollenweberstraße schöne Beispiele von Bauten für die Kenntnis der Gebäude aus dem 18. Jahrhundert.
Nr. 63 (979/80) datiert ANNO 1737 mit Hausmarke: JHS, darüber Kreuz, darunter Herz mit drei Nägeln, zeigt (Bild links) bereits den veränderten Charakter der Holzbaukunst. Die Balkenköpfe sind – ohne Ausladung – mit profilierten Brettern vernageln, die Ständer ganz glatt, keine Windstreben.
Aus gleicher Zeit: Nr. 64 bis 65 (981/82) alle wie Nr. 63 drei bzw. vier Fensterachsen breit und dreistöckig, Nr. 64 mit Andreaskreuzen in den Brüstungen.
Weitere Häuser dieser Epoche sind:
Nr. 18 (915) ein dreiachsiger, dreistöckiger Bau mit Zwerghaus.
Nr. 20 (917), fünfachsig, sonst, wie vor.
Dem 18. Jahrhundert gehören weiter an die einfachen Häuser Nr. 30, 42, 50, diese dreiachsig, dreistöckig mit Zwerghaus, ebenso Nr. 55 und 18; Nr. 16 und Nr. 54 nur zweistöckig.
Am stattlichsten das dem gleichen Jahrhundert angehörende Wohnhaus
Nr. 66 (983), das von dem Landrentmeister Blum erbaut wurde (Bild rechts). Es ist elfachsig, dreistöckig, in der Mitte mit auskragendem Erker in den Obergeschossen, letztes Beispiel dieses schönen Hildesheimer Baumotivs in historischer Zeit. Darüber ein geschwungener Giebel, flachgebogene Fenster, sonst ganz glatt. Tür mit Greifen und Harfe im Oberlicht (scheint stilistisch jünger – Zeit Schinkel?), Mansardendach; das Obergeschoß 1855 umgebaut. Im Flur, der weiträumig angelegt ist, eine einläufige Treppe mit streng klassizistisch gezeichnetem Geländer schöner Arbeit (Bild 1 unten).
Im Erdgeschoß rechts ein Zimmer mit sehr schönen in grünen Tönen gehaltenen Gobelins, die Landschaften, Städte und Kirchen darstellen mit figürlichen Szenen. Zwischen den Bäumen lugen Köpfe aus dem Blattwerk, am Rande Kartuschornament barocken Charakters. Im Treppenhaus schweben ganz oben über dem viereckigen Freiraume zwei pausbackige Engel. Im Inneren sind die Türen sehr fein gezeichnet; die des Saales im obersten Stocke ganz in Spiegel mit Leisten aufgelöst, schöne Messinggriffe und Schlüssellochschilder. Die Decke dieses Saales mit ringsum laufenden, charakteristisch behandelten Stabbündelrahmen mit Bändern, sowie Leisten mit Perlstab (Bild 2 unten) usw. geziert.
Im ersten Stock (nicht zugänglich) eine reiche Tür mit aufsatz. Ursprünglich war das ganze Haus innen weiß und gold gemalt.
Der Erbauer, fürstbischöflicher Landrentmeister Blum, Stifter des katholischen Waisenhauses in Henneckenrode, starb 17.11.1832. Das Haus dürfte daher in die neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts zu setzen sein. Im Flur ein Schrank mit Initial: J . M . J . 1731.
Nr. 40 (957) acht Achsen, dreistöckig, fast unversehrt erhalten. Einfaches Haus, innen interessant durch zwei Kachelöfen mit gußeisernem Heizkasten von 1790 und 1793. Ebenso sehr gut erhalten eine mit Ornament und Pfauen bemalte Leinwanddecke im Obergeschoß; hier eine Doppeltür mit geschwungenen Leisten und Spiegelscheiben. Das Portal (Bild rechts) außerordentlich reizvoll, Messinghandgriffe an der Haustür, Tragebänder mit Stützkolben. Mit Oberlicht und Kasten für die Laterne, mit geschnitzter Bandschleife umrahmt. Die Tür selbst höchst originell im unteren Teil durch die breit auslaufenden Sockel der Füllung.
Erwähnenswerte Dielen enthalten: das bereits oben besprochene Haus Nr. 61.
Nr. 26 (923) mit kleiner Diele, seitlicher Treppe mit festen Brettfüllungen, sonst Charakter des Andreanum.
Nr. 42 (959) mit Treppe im Charakter des Anfangs 19. Jahrhunderts.
Die Wollenweberstraße enthält auch eine Anzahl hübscher Haustüren. Mit schweren über Eck gestellten Füllungen die Tür von Nr. 65 und Nr. 67, eine Tür mit schweren Füllungen an Nr. 19, 26, Nr. 28 ungleich breit, zweiflüglig Nr. 42, 51 und 61. Eine zweiflüglige Rokokotür mit geschweiften Kehlstößen an Nr. 50, eine einflüglige mit gut geschnitzten Füllungen an Nr. 17 und Nr. 40, einfache an Nr. 6, 8, 20, 52, 53, alle mit Oberlicht; Nr. 29, 30, 31, 41 und 48 ohne solches. Doppelte Brettertüren mit über Eck gestellten Vorderbrettern an Nr. 10, 30, 60 und 70. Höchst eigenartig dann die Tür an
Nr. 59 (975), die im Charakter des Empire gezeichnet ist (Bild rechts). Einfaches Oberlicht, obere Türfüllung (durch aufgenagelte äußere Leisten gehalten) mit Medaillons, Schlagleiste als Stabbündel, untere Türfläche flach vorspringend, mit Einlagearbeit aus Stabwerk, Sockel mit Pfeifenmotiv. Im Kapitell der Schlagleiste die Jahreszahl 1793.
Text-Quelle:
Bildquelle:
- Ansichtskarten
- Foto / Bild
[1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Bürgerliche Bauten; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 353-363
[2] A.J. Knott; „Straßen, Wege, Gassen und Plätze in Hildesheim“; Gerstenberg Verlag; Hildesheim 1984; ISBN 3-8067-8082-X
[4] A. v. Behr, „Rundgang durch Hildesheim“, Verlag A. Lax Hildesheim 1928, Seite 22
Privatbesitz H.-J. Brand
[1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 353
[4] A. v. Behr, "Führer durch Hildesheim", Verlag A. Lax, Hildesheim 1935, Seite 21
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