[1] Der Name „Brühl“ bedeutet „feuchte Niederung“. Der jetzige Vordere Brühl bis zum Brühltor an der Biegung der Straße hieß ursprünglich Godehardistraße.
Als area sita in Brulone apud predicatores ca. 1231 zuerst genannt; platea Brulonis 1254; als platea sancti Godehardi 1243. Die Bezeichnung Brulo geht durchs 13. Jahrhundert; später in deutschen Urkunden vielfach Brul, 1583 Breul; ein äußerer Brühl (aream sitam in exteriori Brulene contiguam valve, que Honser dor dicitur 1348); sunte godderdes strate 1519.
Zur Sutorumbäuerschaft gehörig (Nr. 1-46).
Die Entwicklung des Brühles aus Wiesen und Äckern ist geschichtlich sicher. Auch aus der jetzigen Straßenanlage, die die anstoßenden Ackerstreifen (jetzt Baublöcke) gut erkennen läßt (siehe Lagepläne I), ist diese Herkunft deutlich nachzuweisen. Auch hier ist, wie in der Osterstraße, die leichte alte Krümmung des ehemaligen Feldweges, das möglichst rechtwinklige Abschneiden des Grundstückes und die damit bedingten kleinen Rücksprünge der Bauflucht festzustellen.
Diese unregelmäßigen Fluchten ergeben ein überaus malerisches Straßenbild, das durch die vielen Erkeranlagen der Häuser belebt wird (Bild rechts) und durch zwei Kirchen, die ehemalige St. Paulikirche (jetzt Union) und die Seminarkirche (früher Kapuzinerkloster) sowie die schönen Platzanlagen am Eingang Kreuzstraße (siehe Lagepläne I) und den prächtigen Blick aus dem südlichen Teile des hinteren Brühles nach dem grünen Platze vor
der Godehardikirche (Bild links) überaus anziehend gestaltet ist.
Gerade der Platz an der Kreuzkirche (Bild unten) im Volksmund „Kreuzbrink“ genannt, deutet auf den Hügelrand (Brink = Rand), auf dem einst das „Haus des Krieges“ stand, das Hezilo in ein Haus des Friedens umwandelte (Kreuzkirche).
Die jetzige Kreuzstraße nach dem Friesenstieg wurde erst nach Angliederung der Neustadt eröffnet, vorher lag hier ein Friedhof. Glücklicherweise wurde nach Anlage der Straße, die als Rampe ansteigt, rechts und links das Terrain stehengelassen, sodaß sich das Motiv der Treppe als Zugang zu den Bürgersteigen als willkommene Bereicherung des Bildes mit Notwendigkeit einstellt.
Es ist das Verdienst des 18. Jahrhunderts, vor der Westseite der Kirche eine in ihrer Art
unübertreffliche mustergültige Anlage mit breiter Freitreppe und begleitender Figuren geschaffen zu haben. Standbilder des hl. Petrus und des hl. Paulus grüßen den Besucher des Gotteshauses von der Höhe, gewissermaßen ihn aus dem lebhaften Straßenverkehr einladend zu beschaulicher Betrachtung auf die erhöhte Terrasse.
[1] Der älteren Zeit gehören an die Häuser:
Nr. 1 (10139 das alte, wetterergraute romanische Steinhaus des Kreuzstiftes.
Nr. 1A (1013), das Gebäude der ehemaligen Kreuzpropstei, jetzt Marienschule.
Nr. 30 (1111), die Henemansche Kurie von 1563, sechs Span lang, umgebautes EG, ZG und vorkragendes OG, wurde im Innern 1905 umgebaut. Reste zweie
r spitzbogiger Eingänge mit überschnittenen Stäben, verkröpftes Leistenwerk im Obergeschoß.
Nr. 31 (1112) ein schöner, großer Bau von 1556, nach der Straße zwölf Spann lang, zwölf Spann tief, umgebautes EG, ZG und vorkragendes OG. Mit Dreieckzier in Konsolen und Setzschwelle. Die drei rechts vom Flur liegenden Räume des Grundrisses (Bild rechts) sind unter Benutzung der ehemaligen Durchfahrt später eingebaut. Die Haupttreppe führt zum Obergeschoß, ein zweites Treppchen zum Zwischengeschoß. Das Zimmer links vom Flur ist ebenfalls nachträglich eingebaut. Der linke Erkeranbau, drei Fensterachsen breit, ist jünger. Von der ehemaligen Durchfahrt Reste des Bogensturzes erhalten.
Nr. 32 (1124), ein Doppelhaus, je drei Spann lang, umgebautes EG, ZG und vorkragendes OG; das rechte mit jüngerem dreigeschossigen Erker von zwei Spann Breite. Unten korinthische Kandelabersäulchen, in Mitte jonische, oben wieder kurze korinthische, also die strenge Ordnung.
In den Brüstungen Schilde, oben links Eichenkranz mit zwei Armbrustpfeilen und T.S., oben rechts: drei Bäume und M-B. Im ZG Kartuschen.
Als Gesimse Konsolen und Zahnschnittleisten. An der linken Seite eine Hausmarke (Bild links).
Das Hinterhaus umgebaut, das Schlachthaus im Hofe mit Inschrift: anno 1684. In einer Schlafkammer ein Ofen von 1695.
Nr. 35 (1127) ein umgebautes Haus mit wieder verwendeter, Inschrift: THONIES LENHOFF – M – D – LIX – (1559).
Nr. 37 (1129), sieben Spann lang, umgebautes EG und ZG, vorkragendes OG; Fruchtzug im Dach ganz umgebaut. Der nur im OG auskragender Erker stützt sich auf starke, gedrehte Eisenstäbe mit Agraffen. Seitlich in der Setzschwelle Vorhangbogen und Fächerrosette, vorne Sterne und Füllungen in Art des Hauses Langer Hagen 51 (demnach Bauzeit ca. 1550); zwei leere Wappenschilde. Am Hause hängen drei (neue) Handwerkerzeichen: das Verkehrsschild der Schneider, der Steinmetzen und der Zimmergesellen.
Nr. 38 (1130) aus zwei Bauten bestehend, sechs und drei Spann lang, umgebautes EG, ZG und in der ersten Haushälfte vorkragendes OG. Am drei Fensterachsen breiten Erker Spiegelquader in den Pfosten, gezierte Rollwerkkonsolen. Tiere (Pelikan, Stier, Greif, Löwe, Phönix) in den Brüstungen des OG, Einhorn, Hirsch seitlich, in der Mitte die Figur der Soperbia mit Beischrift 1588; links und rechts:
Marten Wittenberg und Anne Jungen.
Die Diele (Bild 1) mit gedrehten Docken aus dem Anfange des 18. Jahrhunderts (Grundriß und Schnitt Bild 2, Einzelheiten der gedrehten Docken Bild 3). Im Gange ein Deckenbild aufgehängt, das früher den Plafond eines Zimmers des Obergeschosses zierte (junger Mann von einem Adler in den Fängen entführt). Weitere Ölgemälde auf Tapeten wurden schon früher bloßgelegt und verkauft. In der Biedermeierzeit kam hinzu eine neue Stiege im OG, hübsche, fein gearbeitete Türen im EG (Eine früher im Hof, Seitenbau befindliche reiche Renaissancetür sieh Bild 4).
Nr. 42 (1133) zwölf Spann langer Bau mit vorkragendem OG und massivem EG; spitzbogige Pforte. Helmersche Stiftung. Bauinschrift einer Steintafel am Erdgeschoss: 1514; die rechte Hälfte des Hauses 1903 von innen umgebaut.
Die im Hof liegende Kurie des Kanonikers Henricus vom Berge von 1499. Neben dem Gartentor ein Pfosten mit Zeichen des hl. Kreuzes sowie ein Wappen mit Hahnenfuß.
Nr. 44 (1135), die Kurie des H. Oldecop, von 1594.
Am Hause Nr. 45 (1136) steht im Hofe am Seitenflügel von 1557 die Inschrift:
…Justi autem hereditabunt terram .. et inhabitabu(n)t in seculum seculi super eam.
Auf der Südseite des Brühles stehen meist jüngere Häuser. Das älteste unter ihnen ist wohl:
Nr. 9 (1020) zehn Spann lang, umgebautes EG, ZG und vorkragendes OG, spitzbogige Tür, mit Füllbrettern, Dreieckzier in Konsolen und Schwelle. Der jüngere Erker zeigt im EG und ZG verkröpfte Gesimse und verstümmelten Vorhangbogen in den Stürzen. In den Brüstungen zwei Hausmarken mit Delphinzier und Jahreszahl 1577. Die hübsche Diele ist mit einer Durchfahrt kombiniert (Bild 2 Grundriss, Bild 3 Querschnitt) mit starken Docken als Geländer. Charakteristisch die verschiedenen malerisch reizvollen Aufgänge (Bild 1) zu den einzelnen Geschossen.
Rechts in der Torfahrt hübsche Tür (Bild 4) mit überschobenen Leisten und Füllungen mit aufgenageltem Profilwerk.
Auf dem letzten Drittel des 16. Jahrhundert stammt:
Nr. 7 (1018) fünf Spann lang, mit hohem EG, ZG und wenig vorkragendes OG. An der (verstümmelten) rundbogigen Torfahrt links Schild mit zwei gekreuzten Lilienstäben, Initial: L. V. B., rechts Schild mit Horn und Initial: A. V. M., in der Mitte Jahreszahl 1570 sowie Inschrift in der Setzschwelle:
DEVS DAT CVI VVLT – FRANTZ VIWEGH.
Am zwei Spann breiten Erker (Bild rechts): SPERO – INVIDIAM. Vorhangbogen in den Fenstern, gekröpfte Gesimse an Brüstung und Setzschwelle.
Nr. 8 (1019). Das Haus war früher Eigentum des Stadtsyndikus Helmer, welcher es mit anderen Gebäuden der Stadt als Helmersche Stiftung schenkte. Von dieser erwarb es der Arbeiterbildungsverein, welcher es durch Ausbruch von Wänden im Innern und Anbauten nach der Hofseite 1895 veränderte.
Ursprünglich war es als Patrizierhaus erbaut, mit zweistöckigem Mittelbau nebst Zwerghaus und Fruchtzug im Dach und seitlichen kleineren Flügelbauten. Nach Einzelheiten, geringe Überkragung, Schiffskehle als Füllholz, ist als Bauzeit der Ausgang des 17. Jahrhunderts anzunehmen.
Die Ausstattung des Innern durch schöne Stuckdecken, die Haustür sowie eine mit Furnieren eingelegte Türe im Innern (Bild links) mit Mittelfeld mit eingeschobenem Kehlstoß zeigen in ihren Einzelheiten dieselbe Epoche an.
Nr. 6 (früher 1017), ein hohes, zweistöckiges Haus der Rokokozeit, mit Mittelrisalit, von drei Fensterachsen und großer Freitreppe mit zwei freistehenden Säulen und eisernem Gitter. Erbaut durch einen Grafen von Wrisberg.
Die Rokokozeit hat an dem großen Garten des Anwesens Nr. 5 (1016) prächtige Torpfeiler mit schönem, schwungvollem Ornament hinterlassen (Bild rechts).
Hübsche Beispiele von Biedermeiertüren sind im Brühl sehr zahlreich. Ein breiter Torweg mit beweglicher einflügeliger Mitteltür und zwei Seitenflügeln an Nr. 9; zweiflügelige Türen an Nr. 10, Haus des Stadtsyndikus Götting, sowie etwas einfacher an Nr. 21, beide mit Oberlicht; eine dritte derartige an Nr. 5. Eine sehr vornehm wirkende breite einflügelige Tür mit Oberlicht an Nr. 40 (Bild links), wohl die beste derartige Tür in Hildesheim. Ein älterer Torbogen mit Bohlentür mit großen Nägeln am Zwischenbau zwischen Nr. 21 und Nr. 20.
Text- und Bildquelle:
[1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Bürgerliche Bauten; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 332-342
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