[1] Früher Lambertsplatz
Nach der Merianschen Darstellung von 1653 (Tafel 1) lag der größere Freiraum des Marktes nach der Güntherstraße zu, auf seiner westlichen Hälfte die Neustädter Schenke und angebaut der große umfangreiche Bau des Rathauses, das auch im Plane von 1769 (Tafel 3) zu erkennen ist. Vor der Schenke stand ungefähr an der Stelle des jetzigen ein Brunnen. Nach rückwärts gegen die Lambertikirche lag das Lambertgymnasium.
Am Markt selbst lag gegenüber das Gildehaus der Leinweber; an der Ecke der Braunschweigerstraße, am Zugang zum Neustädter Markt das Knochenhaueramtshaus der Neustadt.
Zur Neustädter Schuhbäuerschaft gehören die Nr. 43-55, 1-14, 26-29; zur Goschenbäuerschaft Nr. 15-25, 30-42.
[2] Obwohl der Markt der Neustadt erst 1893 offiziell den jetzigen Namen erhielt, hat er für den Teil nördlich der Lambertikirche im Volksmund schon lange bestanden, wie eine Erwähnung von 1609 und die Nennung im ältesten Adreßbuch von 1827 sowie auf dem Stadtplan von 1840 bezeugen.
Der südlich der Lambertikirche gelegene Teil, der 1320 als Lamberti-Kirchhof bezeichnet wird und sich als Name bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts erhalten hat, führte später bis zur einheitlichen Benennung im Jahre 1893 auch den Namen Lambertsplatz, zu dem auch die Häuser gehörten, die später zur Goschenstraße geschlagen wurden.
[1] Auch auf dem Neustädter Markt standen ursprünglich kleine Häuschen mit Erd- und Zwischengeschoss und einem auskragendem Obergeschoss. Die ganze Anlage dieses um die Kirche gruppierten Viertels ist durchaus regelmäßig, mit gleichgroßen Baublöcken, also von vornherein durch Zusammenlegen verschiedenster Grundstücke und Neueinteilen von Baustellen entstanden. Nur die Westseite des Marktes nach der Wollenweberstraße zu sowie die Südseite der Keßlerstraße hinter dem (Kehrwieder-) Walle bilden eine Ausnahme; dort sind teilweise sehr tiefe Grundstücke, hier Längsgrundstücke im oberen Teil (Vogtei und Loge).
Das zu den ältesten Häusern Hildesheims gehörende Pfarrhaus St. Lambert
Nr. 38 (902) von 1444. Aus der gleichen Epoche die Häuser Nr. 33 (897), Nr. 34 (898), Nr. 36 (900), alle drei drei Spann lang, umgebaute EG, ZG und vorkragende OG, Dreieckzier;
Nr. 43 (639), vier Spann lang.
Auf der Ostseite Nr. 22 (750) und Nr. 23 (751) beide sogenannte Buden, zwei bzw. drei Spann lang, EG und OG enthaltend und letzteres von 1499. Alle mit der charakteristischen Dreieckzier in Schwelle und Konsolen.
Etwas jünger das gleichfalls gotische Haus
Nr. 51 (657) drei Spann lang, umgebaute EG, ZG und vorkragendem OG, mit Schachbrettmustern in den Schwellen und Konsolen. Datiert: 1538.
Auch die Häuser Nr. 44-46 gehören noch zu dem gotischen Typus.
Nr. 32 (896) 6 Spann lang, umbauter EG, ZG und vorkragendes OG, mit Vorhangbogen (Mitte 16. Jh.), Tür 18. Jahrhundert.
In die gleiche Zeit wie Nr. 32 gehört das hübsche 1862 umgebaute Eckhaus
Nr. 15 (Bild rechts) 6 Spann im OG lang, umgebautes EG, ZG und vorkragendes OG. Mit Flechtband in der Setzschwelle des OG, darunter Inschrift:
De war heht ist tho himel geflogen ∙ de trwe ist overt wilde meer getogen ∙ de gerechticheyt ist allenthalven vordreven ∙ de untrwe (allene ist gebleven).
Konsolen mit Schachbrettmustern. Der angebaute Erker, zwei Spann breit, nur im Erd- und Zwischengeschoss sitzend, ist unten mit jonischen Säulchen, oben mit korinthischen Kandelabersäulchen geschmückt und enthält zwei Reliefs: MINERVA – (eine in dieser Form in Hildesheim nur einmal vorkommende Darstellung, als Frauenfigur mit großer Turnierlanze, Schild mit Gorgonenhaupt und Eule), während im zweiten die Venus gleich der am Neustädter Rathaus in einem von zwei Tauben gezogenen Wagen mit brennendem Speer, Amor mit zielendem Bogen vorherfliegend, durch die Wolken fährt. Zahnschnitt und Konsölchen dienen als Füllbalken zwischen den stützenden unteren Konsolen. Im Hause kleine Dockentreppen in Art des Josefinums, Tür aus gleicher Zeit, also drei Bauzeiten an dem kleine Gebäude vereinigt.
Das an der anderen Seite der Güntherstraße stehende Eckhaus
Nr. 14 (672) ist gotisch, sieben Spann lang, umgebaute EG, ZG und vorkragendem OG mit acht Spann breitem Giebel nach der Güntherstraße. Füllbretter.
Sehr gut erhalten im unteren Teile ist das Haus
Nr. 13 (892A) vier Spann lang, EG mit ZG, zwei vorkragende OG von 1618 mit reichem Flachornament, langen Kandelabersäulchen im Erdgeschoss, hermenartige Pilaster im ersten, jonische im zweiten OG. Reiche Konsolen mit Zahnschnittleisten als Füllbalken. Das Nachbarhaus
Nr. 12 (670) vier Spann lang, umgebautes EG, ZG und vorkragendem OG mit Rollkonsolen ist stark verbaut.
Reste von Renaissancemotiven (Brustfelder mit SPES, FORTITVDO) in der anstoßenden Nebenstraße am Hause Nr. 4.
Im Mittelpunkt des Platzes die Neustädter Schenke sowie das anstoßende gotische Haus, ehemals Gymnasium, Nr. 28 (908, 908A) ein schöner, sechs Spann langer Giebelbau aus EG mit ZG und zwei vorkragende OG sowie zwei vorkragende Dachböden bestehend. Rollkonsolen, Vorhangbogen, unterster Boden mit Aufzugluke, Brustgesims, Zahnschnittleisten. Stattliche Längsfront von elf Spann Länge nach der Lambertikirche.
Ein leider abgebrochenes Haus, Nr. 30 (894) zeigt das Bild rechts.
Aus dem Ende des 17. Jahrhunderts sind die Häuser
Nr. 37 (901) mit sieben Fensterachsen, dreistöckig, mit Bauinschrift: ANNO 1674, mit dreiachsigem Erker im Obergeschoss mit Andreaskreuzen in der Brüstung. Die Diele dieses Hauses erwähnenswert. Sie gibt durch die geschickte Lage der Treppe reichlich Raum für Aufstellen von Tischen usw., auch die Form ihrer Docken ist sehr elegant.
In das Ende des 17. Jahrhundert gehört
Nr. 49 (645) ein stattlicher Bau, sechs Achsen breit, mit umgebautem EG mit ZG, ausnahmsweise mit großen Knaggen sehr weit ausladendem ersten OG und wenig ausladendem zweiten OG, mit Zwerghaus. Inschrift:
5. 7. BRIS ∙ ANDREAS ∙ SIDEN ∙ ANNO 1665.
Ein sehr wertvolles Baudatum; verwandt diesem
Nr. 48 (644). In diesem 1886 umgebautem Hause die Reste eines sehr schönen Renaissancesteinsturzes, der wohl dem älteren Bau an dieser Stelle entstammte und jetzt vorne in der Einfahrt vermauert ist. Inschrift der Kartusche:
MEA ∙ SORS ∙ DEVS
VNDE ∙ IVVABOR
ANNO ∙ 1600.
Beiderseits Wappen. Das linke geteilt; Kopf zwei stachelige Kugeln, Fuß, Stern, Initial: MIS D. Das rechte geteilt: Kopf: zwei halbe Köpfe, Fuß gespalten; (h.) rechts ein halber Kopf, links Farbe oder Metall; am fünf Spann langem Bau selbst korinthische Kandelabersäulchen im EG und ZG.
Die meisten Häuser der Nordseite des Marktes sind aus dem 18. Jahrhundert, so
Nr. 4 (655), Nr. 5 (656); Nr. 6 (65(), Nr. 47 (643). Nr. 50 und 52 sind jüngere Bauten.
Zur gleichen Baugruppe gehören Nr. 9 (661) und Nr. 10 (662). Die Diele (Bild 1+2 unten) jenes Baues ist um 1700 errichtet. Ihre Anlage ist sehr reizvoll durchgeführt. Ein Podest führt mit zwei Läufen zur Tür der links im Erdgeschoss über dem Keller erhöht liegenden Zimmer, der durch eine Tür unter dem Podest zugänglich ist. Der eigentliche Aufgang zum Obergeschoss liegt im Hintergrunde links, wobei sehr malerisch der Zugang zum Zwischengeschoss von einer kleinen Galerie aus erfolgt. Am älteren Hinterhaus die Inschrift: C ∙ H ∙ H ∙ 1667.
Bildquelle Bild 2: [3] O. Beyse, „Hildesheim“, Deutscher Kunstverlag, Berlin 1926; Foto 72
Die Diele des abgebrochen Hauses Nr. 53 (649) stammte nach dieser Quelle von 1545 (?). (Bild rechts).
Das Haus trug nach Mithoff die Inschrift:
Heddenwy alle eynen geloven.
Godt un gemen nut (Wohl der Allgemeinheit) vor ogen.
Enne elen un recht gewicht.
Guden frede vn recht gericht.
Enn munte (Münze) vn dudt geldt.
So sthunde idt wol in aller weldt.
Anno dni ∙ m ∙ v ∙ xiv (1514). Ludike Bode.
Das ehemalige Haus Nr. 15 (703) von 1581 trug die Inschrift:
GODT IST DIE ANFANGH VND DAS ENDE
DER WIRT MEIN GLVCK UND VNGLVCK ZV
EINEM SELIGEN ENDE BRINGEN:
NEUSTÄDTER MARKT MEHRERE SEITEN ZUSAMMENLEGEN
Text-Quelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Bürgerliche Bauten; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 307-314
[2] A.J. Knott; „Straßen, Wege, Gassen und Plätze in Hildesheim“; Gerstenberg Verlag; Hildesheim 1984; ISBN 3-8067-8082-X
Bildquelle:
- Ansichtskarten Privatbesitz H.-J. Brand
-Foto/Bild: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Bürgerliche Bauten; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 307-314