[1] Nr. 1-10 zur Jakobi-, Nr. 17-61 zur Hagenbäuerschaft gehörig. Siehe auch Lageplan des Langen Hagens
Das heringswaschen innerhalb der alten Stadtmauer (infra murum antiquum) wurde damals – wohl wegen des Geruchs, und zur Erzielung einer einheitlichen Versteuerung verboten – und den „Häringswäschern“ (alleciatores) ein städtisches Haus im Hagen angewiesen, es lag bei der Hagenbrücke, also dicht am Tor; auch 1432 genannt.
Ein Graben im Hagen 1295 erwähnt, Haghen 1405, Haghenstrate 1423, als Hage, Hagenstrate von 1451-80 öfters erwähnt, Haghen 1485. Lange Haghen zum ersten Male 1488 erwähnt.
Dicht hinter dem (verschwundenen) Hagentor lagen an dem kurzen Wasserarm innerhalb des Walles entlang kleine Häuschen für die Töpfer und ihre Brennöfen.
[2] Die Straße im Westen der Altstadt wurde 1287 als Hagen (Indago) zuerst bezeugt.
Die Straße zeugt in etwa vom Verlauf der alten Heckenbefestigung. 1295 wird der "Hagengraben" erwähnt. Nach dieser Straße trug die "Hagenbäuerschaft" ihren Namen.
[1] Nr. 4 (2) ist eine solche Töpferbude, erkennbar durch den im Oberlicht der Tür angebrachten kleinen aus drei Röhren bestehenden Porzellanofen, der wappenartig von zwei schreitenden Löwen gehalten wird (Bild rechts). Das Haus selbst 19. Jahrhundert. Links an der Ecke der Michaelisstraße stand dann das ehemalige städtische Brauhaus (Broihanbier).
Ein ehemaliges abgebrochenes Haus am Hagentore von 1619 zeigt Bild (unten links). Es war stilistisch dem Haus Annenstraße 37 nahe verwandt.
Der lange Hagen ist reich an schönen Straßenbildern. So ist besonders der Anblick auf das schöne, prächtige, wenn auch einfaches Holzhaus Langer Hagen Nr. 12 (1836), Eckhaus Langer Hagen-Kurzer Hagen, 14 Spann nach jener, acht Spann nach dieser lang, mit UG und ZG, zwei OG, von großem Reize (Bild unten rechts), Bauzeit Ende 17. Jahrhundert.
Im weiteren Verlauf eröffnet sich dem Besucher in der Krümmung weitergehend erst ein schöner Blick auf das Kaiserhaus und dann weiterschreitend die weite Aussicht auf den bis zum Michaeliskirchplatz grade und breit verlaufenden Straßenzug.Der ältesten Zeit
Der ältesten Zeit gehören hier noch wenige Häuser an. Unter diesen ist zu nennen:
Nr. 22 (1666), ein vier Spann langes Haus mit (umgebautem) EG, vorkragendem OG, geschnitztem Rankenstab in der Setzschwelle Dreieckzier in den Konsolen und der Jahreszahl 1516.
Nr. 23 (1667), drei Spann, vorkragendes OG, jüngeres Zwerghaus, Dreieckzier an Konsolen und Schwelle, Brustholz.
Nr. 28 (1672), sechs Spann lang, EG umgebaut, vorkragendes OG, Zier wie Nr. 44, verstümmelt.
Das wichtigste Gebäude dieser Stilepoche ist das große Eckhaus am Michaelisplatz Nr. 39 (1645) (Bild rechts). Ein überaus stattliches Gebäude von 16 Spann Länge, (umgebautes) EG, zwei vorkragende OG; Giebelseite zehn Spann breit. Es ist ein prächtiges Beispiel eines schönen und dabei einfachen Holzhauses des beginnenden 16. Jahrhunderts.
Über die Geschichte dieses Gebäudes seien aus der „Hildesheimer Allgemeinen Zeitung“, 15.5.1909, nachstehende Angaben wiedergegeben:
Aus der Pfarrchronik von Rautenberg geht nach Angaben von Pastor Revery hervor, daß das Haus als Besitztum derer von Rautenberg aufzufassen ist. Am 22.6.1356 bekennt ein Heinrich von Rautenberg, vom Kloster St. Michael als Mannlehen empfangen zu haben: „den orthof (Eckhof) by sunte Michaelis kerckhof by der lüttken treppen dar me boget in den Langen hagen“.
Der Erbauer des Hauses, Bartold von R., war 1485 von den Hildesheimern bei Steuerwald Freitag vor Pfingsten gefangen und gegen 100 Goldgulden wieder freigegeben worden. Als Besitzer großer Forste, des Blomenhager und des Steinwedelwaldes zog er wohl als Bauweise die Holzbaukunst vor.
Unter Siewert nahm das Geschlecht die Reformation an, der vorletzte Erbe Bodo ist in einem Grabstein zu Rethmar bei Sehnde verewigt. Zum Besitztmn gehörte auch ein kleines Haus (Bude), das abgerissene Wohnhaus des Opfermannes von St. Michael. Mit Bodo von Rautenberg, Statthalter von Braunschweig, starb die Familie am 11.2.1647 aus. Den Hof in Hildesheim übernahm der Freiherr Gottfried von Heistern, Drost von Liebenburg, vom Kloster zu Lehen, 1636 ging er an den Domherrn Freiherr von und zu Frentz und Kedenich, 1733 in Privathänden über.
Der Treppenaufgang (Bild links) mit schönem Rokokogeländer aus Rundeisen und breit geschlagenen Zierteilen führt zur (ebenfalls jüngeren) Eingangstür, die von zwei Pilastern mit korinthischen Kapitellen eingefaßt ist; die Türflügel sind als verdoppelte Brettertür mit übereckstenender Brettfüllung gebildet. Die Schlagleiste hat ein lebhaft barockisierendes Ornament im Stile der Schränke des Josefinums. Messingriff. Die Inschrift im Fries des Portals lautet:
AN GOTTES SEGEN – IST ALLES GELEGEN
Die Setzschwellen haben eingestochene Profile mit Dreieckzier, die Brusthölzer Leisten aus drei Rundstäben mit breit vertieftem Grunde, der gleiche Schmuck an den Konsolen. Das Untergeschoß hat bemalte Füllbretter, die oberen fehlen. In der südöstlichen Ecke
Anno – dm m – cccc IX (1509)
Sowie ein Wappen, schwarzer Wecken auf goldenem Grunde.
In der Gartenmauer am Langen Hagen ein eingemauertes Wappen: quadrierter Schild, (h) rechts oben und (h) links unten Blütenzweig, die beiden anderen Felder drei schwarze Balken in Gold, seitlich links: DOMI 16 und rechts: 18.
Nr. 53 (1658). In die gleiche Epoche gehört das Hinterhaus von Nr. 53, ein acht Spann langer Bau, EG und vorkragendes OG; mit doppeltem Flechtband in der Setzschwelle mit niedersächsischer, schwer lesbarer Inschrift und Jahreszahl 1547. Die Schrift lautet:
De grotste muhen de me vint ist dat me godt vnde sic svlven kent 1547.
Der Rest einer gotischen geschnitzten Setzschwelle (wie an Nr. 22) befindet sich an dem Hause Nr. 48 (1653).
Aus der Renaissancezeit sind gute Arbeiten zu verzeichnen. Unter den Holzhäusern am ausgeprägtesten die Gebäude Nr. 52 und Nr. 55.
Nr. 52 (1657). Der „Rendsburger Hof“, wohl Mitte 16. Jahrhundert errichtet, wurde später mehrmals umgebaut. Das ursprünglich gotische Haus von elf Spann Länge, (umgebautes) EG und vorkragendes OG mit verschiefertem Giebel, erhielt 1591 eine Erker von drei Spann Breite und reichem Schnitzwerk. Die Pilaster sind frei erfunden, die Brüstungsfüllungen tragen zwischen erneuertem Metallstilornament die Namen:
Barwert Rueden Anna Hessen
Dazwischen zwei Wappenschilde: das linke gespalten, (h) rechts mit Grabscheit, die linke Hälfte drei rote Balken, die blauen Zwischenfelder mit silbernen Sternen; das rechte Wappen zeigt drei Schwerter, mit der Spitze auf einem Berg stehend. (Bild rechts).
Die Einfahrt mit halbkreisförmigem Abschluss ist aus dem 18. Jahrhundert, die Inschrift lautet:
DANIEL THILE V. CATRINA
HARLESSEM HOENSZ
ANNO 1661
Die seitlichen Wappen zeigen: links (h) schräg rechter blauer Balken mit Turm, rechts: Rabe. An den Torpfosten barockisierende Kartuschen.
Nr. 55 (1660), Haus von sieben Spann Länge, EG mit ZG, zwei vorkragende OG (Bild unten links); mit Inschrift 1551 im Torbogensturz. In den Setzschwellen Kielbogen, in den Brüstungen teils Fächerrosetten teils Spiegelquadern nachgeahmte, einfache Leistenzier.
Über den mit Zier und Perlstäben behandelten Konsolen kleine Rosetten, Sterne, Räder usw. Sehr gut erhalten die alte Diele dieses typischen Ackerbürgerhauses (Bild unten rechts).
Nr. 49 und 50 (1654, 1655), jetzt abgerissen, letzteres war ein kleines, fünfachsiges Haus, mit Bogenfries in der Setzschwelle, flachgeschnitzten Rosetten in den Brüstungen, Übergangsstil.
Baugeschichtlich wie künstlerisch am wertvollsten ist das Nr. 10 (1836), belegene Kaiserhaus.
Baugeschichtlich ist der Lange Hagen besonders wertvoll durch zahlreiche Neubauten des 17., 18. Und 19. Jahrhunderts.
Nr. 18 (1662) trägt die Inschrift:
ANNO DOMINI MA AW 1613
Rechts spitzbogige Einfahrt mit Resten jüngerer Zahnschnittleisten.
Neben dem schon genanntes Eckhaus am Kurzen Hagen Nr. 39, vom Ende des 17. Jahrhunderts ist das schöne Anwesen Nr. 21 (1665) – ein ehemalig von Zeppenfelsches Besitztum – in der Tiefe eines Hofes erwähnungswert. Am Kellereingang der Gartenseite die Jahreszahl 1663. Am Seitenflügel, jetzt Nr. 22, die Jahreszahl 1716; demnach eine ältere Anlager durch einen Umbau aus dem Anfange des 18. Jahrhunderts erneuert und erweitert.
Das 16 Spann lange Haus schließt sich dem älteren Fachwerkbau in der Anwendung von Fußstreben in Erd- und Obergeschoß an; nachträglich ist es dann durch Aufnageln hölzerner Umrahmungen aus einfachen Profilen mit sogenannten Ohren, zu einem stattlichen monumentalen Bau umgewandelt worden, (Bild rechts) der besonders auch durch die zentrale Lage der Haupttreppe und die Freitreppe mit Seitensitzen
etwas sehr Wohnliches hat. Die Treppe beginnt mit einem seitlichen Laufe, um im ersten Obergeschoss mit breitem Mittellaufe inmitten eines größeren Flurs mit allseitigem Umgange auszumünden. Ihr Geländer besteht aus dockenartig geschnitzten Bohlen.
Im Inneren des Hauses sind weiter eine Anzahl guter Arbeiten des inneren Ausbaues erhalten. Vor allem ein sehr schöner Wandkamin mit schöner Stuckdecke im großen Saale; beide angeblich von 1723 oder 1728.
Der Schmuck dieser Decke (Bild 1) ist streng stilisiert. Ein mehrfach gekröpftes Profil bildet einen großen Rahmen, von dem nach der Voute an den Seiten Bandwerk und Blattwerk mit Kartuschen, an den Ecken aber fialenartige freie Endigungen herauswachsen. Dazwischen sitzen auf dem Rahmen Pelikane, welche die Nase eines auf ihrer Brust angebrachten Gesichtes zupfen. (Das Symbol des Wortes: „Erkenne dich selbst“ als sechster Sinn.)
Über dem geschweiften Kamin (Bild 2) aus feingeschliffenem Marmor, steht ein Aufbau mit Spiegeln, seitlichen Kartuschen und oberem feinen Stuckwerk mit seitlichen Gehängen, aus Bandwerk und Pflanzenmotiven, in der Mitte als Krönung eine Muschel.
Von Schreinerarbeiten sind die Türen im Obergeschoss erwähnungswert (Bild 3), einfache gestemmte Rahmen mit eingesetzter glatter Füllung, die nur an den Ecken eigenartige gerippte Zierleisten erhielt.
Im Seitenbau ein mit Kreuzgewölbe überdeckter Raum, dessen Anfänge mit Engelsköpfen geziert sind; ursprünglich eine Kemenate. Das Haupttor mit schönen flachgezeichneten Vasen (Bild 4), das Gitter in schweren Eisenstäben mit Pfeilspitzen. Im Garten zwei Steinfiguren (Bild 5) wohl antike Götter darstellend.
Nach diesem umfangreicheren Gebäude ist dann erwähnenswert:
Nr. 53 (1658), dreistöckiger Bau von sechs Fensterachsen (Bild 1) mit der Inschrift über der Toreinfahrt:
H. KLOPPER
H ∙ I ∙ M ∙ BRANDIS
ANNO ∙ D ∙ 1714.
Die Durchfahrt selbst ist als einfache Diele ausgebildet (Bild 2). Zwei Unterzüge teilen den Raum der Diele nach der Tiefe in zwei ungleiche Hälften; die Mitte zwischen beiden führt zur Treppe, die seitlichen Zimmer haben Türen mit Guckfenstern daneben; vor jeder zwei Stufen. Die Torflügel sind als verdoppeltes Brettertor mit zwei ovalen Oberlichtern und Fußgängertür konstruiert (Bild 3). Das Ganze ist eine tüchtige Zimmermannsarbeit.
Im Hofe dieses Hauses der schon oben genannte (nach Nr. 39) Seitenbau von 1547.
Im Inneren geschnitzte Türen, alte Öfen ohne Jahreszahl, alte Kamine und Gipsdecken.
Nr. 54 (1659) dreistöckiger Bau von fünf Fensterachsen mit Zwerghaus aus der Mitte des 18. Jahrhunderts (Bild); jetzt zur Rolandsstiftung gehörig. Gut ausgebildete Eingangstür. Die Treppenanlage im Innern ist sehr eigenartig (Bild 2). Es ist bei ihrer Planung auf zweckentsprechenden Zugang zu einem Hinterhause Rücksicht genommen.
Sie liegt deshalb im Erdgeschoss in der Mitte des nach der Hofseite angeordneten Treppenhauses und führt einläufig zu Podest und erstem Stock. Hier umgibt den Ausschnitt auf drei Seiten ein Korridor. Die Treppe führt weiter an der Nachbarmauer hoch und endet im zweiten Obergeschoss, ebenfalls von Korridoren nach innen umgeben. So war es möglich, zahlreiche Türen des Vorder- und des Hinterhauses nach dem Gange anzuordnen. Im gemeinschaftlichen Zimmer Gedenktafel an Senator Roland von 1772 und 1869.
Die Zimmertüren sind leicht und zierlich, die geschwungenen Verkleidungen aus sehr fein profilierten Brettern hergestellt (Bild 3).
Gegenüber steht eine sehr stattliche Häusergruppe Nr. 19-21 (Bild 4).
Nr. 19 (1663) stammt aus dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts, vierstöckig mit elf Fenstern Front mit etwas jüngerem Portal aus dem 18. Jahrhundert; dieses, mit eingesetztem festen Oberlicht mit geschwungener Deckplatte auf seitlichen Konsolen. Die Treppenanlage dieses Hauses ist im Bild rechts dargestellt. Der Antritt der Treppe führt im Erdgeschoss in einem seitlichen Raum nach dem Hofe zu hoch, im ersten Stock liegt sie über dem Korridor des unteren Geschosses, zum zweiten führt sie in der Mitte des Hauses in die Höhe. Ein Kellereingang im Innern des Hauses aus älterer Zeit trägt die Jahreszahl 1590. An ihm zwei Wappen; das linke mit drei Nägeln im Schilde, das rechte mit einer Hausmarke; zwischen beiden die Inschrift:
Heinrich Hessen 1490 Anna Geverg (?)
Als Treppengeländer geschnitzte Docken. Rechts im Eingange eine schöne schwere Barocktür, wie sie in reicherer Form in der Ratsapotheke vorkommt.
Nr. 20 (1664) ein dreistöckiges Haus mit originellem Zwerghaus aus der Rokokozeit, mit fünf Achsen Front und Tür mit Oberlicht und geschwungenen Stabfüllungen. Im Inneren hübsche Zimmertüren. Dachgeschoss 1902 ausgebaut.
Nr. 21 (1665) linker Seitenbau des beschriebenen Herrschaftshauses aus der Zopfzeit, wie das Hinterhaus mit aufgenagelten Fensterverkleidungen, mit sogenannten Ohren.
Von jüngeren Türen sind bemerkenswert:
Nr. 27 (1671) Rokokotür mit schönem Oberlicht, aus geschwungenen Fenstersprossen.
Nr. 41 (1646) Haus von sechs Fensterachsen von 1817, Biedermeiertür; ebenso an Nr. 33 (1677).
Nr. 34 (1678) dreiflügeliges Haustor mit gestäbten Füllungen, sowie
Nr. 11 (1835) mit Oberlicht und Messingbeschlägen; im Innern die Treppe durch die in den einzelnen Stockwerken verschobene Lage bemerkenswert.
Textquellen: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Bürgerliche Bauten; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 291-306
[2] A.J. Knott; „Straßen, Wege, Gassen und Plätze in Hildesheim“; Gerstenberg Verlag; Hildesheim 1984; ISBN 3-8067-8082-X
Bildquellen: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Bürgerliche Bauten; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 291-306
Ansichtskarten: Privatbesitz H.-J. Brand
Zurück → Straßen L