[1] Dieses von den Straßenzügen: Scheelenstraße – Rathausstraße – Hoken – Marktstraße und der Judenstraße begrenzte Viertel umfasst mit dem gesondert zu behandelnden Hohen Wege im Wesentlichen das Gebiet der Majorisbäuerschaft.
Der Markt 1160 genannt (in foro nostre civitatis); damals von Buden (tabernae, hallae) umgeben, d. i. kleinen Häusern und Verkaufsständen. 1204 werden 26 Buden auf dem Markte genannt. An Stelle des Rathauses standen vorher Schuhhallen und Kramerbuden (schohalle und cramerboden). Anfänglich hatten auch die Gärtner vom Markte bis zum Andreaskirchhofe ihre Sitze an der Verbindungsstraße (in transitu communi, qui tendit a foro usque ad ecclesiam sancti Andree); - markede genannt 1386. Dem Geldverkehr dienten die Wechselbuden, die im Hoken aufgestellt waren.
Mehrere Male fanden große Huldigungsakte auf dem Markt statt, so die des Bischofs Gerhard 1367, des Bischofs Magnus 1424; 1453 wird Bischof Bernhard II. auf dem Markt gehuldigt.
So lange das Banner (die Marktfahne) aushing, durften nirgends anderswo als auf dem Markte Nahrungsmittel gekauft werden (Statut von 1440); dem Marktvogt war unter anderem auch das Reinigen unterstellt, die diesbezüglichen Bestimmungen über die Überwachung des Marktverkehres sind übrigens auch für unsere Zeit sehr interessant.
Bei Ertönen der Sturmglocke hatte jeder Bürger mit „siner Wapen, harnsch unde armborst“ (seiner Waffen, Harnisch und Armbrust) auf dem Markte zu erscheinen (Statut 30, von 1440); der Marktverkehr wird 1446 geregelt, Markttage wurden schon früh gehalten, schon im 12. Jahrhundert muß die Altstadt ein Privileg gehabt haben, das die Neustadt erst 1226 erhielt. Auch war der Markt die Stätte mancher Lustbarkeiten. So wurde am Pfingstfest ein Maibaum, der sogenannte "Schildekenbaum" errichtet, dazu tritt die Aufstellung der Tafelrunde im Anschluss an die Sage von König Artus und das Spiel der Frau Feie, der Fee. Vielleicht hängt die Hildesheimer Jungfrau am Rathaus hiermit zusammen.
Auch die leichteren Strafen fanden auf dem Markte statt, am Eckpfeiler des Bäckeramtshauses wurde die Stäupung vorgenommen, hier die abgeschnittenen Ohren angenagelt. Erst 1450 wurde die Ausübung dieses Rechts an dieser Stelle aufgegeben. Auch die niedere Gerichtsbarkeit wird auf dem markte ausgetragen, so leistete z.B. 1467 ein Bürger und seine Frau dort Abbitte gegen Magister Werner in Gegenwart „veler anderer vromen luden“.
Der Markt war gepflastert (1457 steinweck uppe deme markede), ein damals sehr kostbarer Luxus. Der Brunnen auf dem Markte hieß der Pipenborn, eine Wasserkunst hierzu baut Meister Eggerd Sedeler 1494, 1521 wird eine weitere von der Godehardimühle aus durch den Meister Adam Eykel aus Wolfhagen durch den Brühl nach dem Markte angelegt.
Auch interessante politische Episoden haben sich auf dem Markte angespielt. So berichtete Joachim Brandis über einen sehr interessanten Durchzug Herzogs Heinrich Julius am 3. Juni 1599 durch die Stadt nach Poppenburg. Dabei war zu aller Vorsicht die ganze bewaffnete Bürgerwehr auf den Beinen und es interessiert hier vielleicht die Art ihrer militärischen Einteilung: „dat Jürgenbuirschop mit orer fanen und rustungen, 5 im glit, van dem dor an wente de Jakobstraten, bie Frantz Vieweg ein buirschop mit der fanen van der Nienstat. Bie dem Markede woiren 2 fanen mit den burgeren ut den Groten und Jakobbuirschoppen, de stunden van dem orde des rathuises an der Marktstraßen für dem rathuise twischen dem piepenborn für der Judengassen over für Henni Brandis huise, im glit, 7, 8, 9 und wol 10 dicke. Up den Hohenwege vom Henni wildefuirs huise an wente an Buischen ort, für Kogelmans huise hen wente für de Smedestraten (obere Hälfte der Schuhstraße ab Kläperhagen) stunden de borger ut dem Schoiebuirschop (Schuhbäuerschaft) 5 man dicke. Up dem Boiwege stunt ein buirschop mit der fanen van der Nienstat. Up den Tuimhofe für den hoifen der tuimhern stunden de borger ut dem hagenbuirschop und ein buirschop van der Nienstat mit 2 fanen und irer rustungen, kegen S. Marten dat Steinbuirschop mit ihrer fanen und rustungen.
Und sunst woiren ut allen hoipen (Haufen) dar it sich liden wolde, itzliche schützen genomen und gestellet für de beiden dor, dat Oister und Damdoire, und alle Ketten up den gassen woiren gesloten, utgenommen düsse weg zwischen den beiden Doren was unfürsperret. Under dem rathuise stunden 3 stücke geschützes und under der Knokenhauwer huise ein stücke. Woiren geladen“. Fürwahr, ein stattliches Aufgebot.
Friedlicher war das große Fest der Vereinigung von Alt- und Neustadt im Jahre 1582, am 15. August, wobei die vereinigten Bürger beider Städte feierllich auf dem Markte den Eid der neuen Gesamtregierung leisteten.
[1] Die Lage der einzelnen Bauten des Marktplatzviertels an und um dem Markte geht aus dem Lageplan hervor; die Begrenzungen seiner Wände ergeben sich aus den Fotos 1-4.
Auf dem Foto 1 ist oben die Südostseite dargestellt. Sie beginnt mit der Ostseite des Rathauses. Ihm schließt sich an das Haus van Harlessem, das mit seinen trutzigen Wehrtürmen als mächtiger Eckbau die Rathausstraße beherrscht. Getrennt von ihm durch die Judenstraße schließt sich das reichgestaltete Wedekindhaus an. Auf den weiteren Fotos reiht sich an die Nordseite des Platzes (Bild 2), beginnend mit dem prächtigen Holzhause neben der Seilwinderstraße, rechts schließen sich die Gebäude der Marktstraße an, in der Mitte der Marktbrunnen von 1540, dahinter das Rathaus in seinem malerischen Aufbau.
Die weiteren Fotos zeigen (Bild 3) die Polizeidirektion (vormals Lüntzelhaus) und dem kolossal aufstrebenden Rolandhause mit seinem schönen Staffelgiebel und dem originellen Vorbau des 18. Jahrhundert. Dahinter senkt sich die Rathausstraße nach dem Hohen Wege herunter; die Ratsapotheke ist mit ihrem Satteldache noch sichtbar. Der wenig reizvolle Bau, der kümmerliche Ersatz des seinerseits verbrannten Bäckeramtes bildet den Übergang zu dem gewaltigen Giebelbau des Knochenhaueramtes, dessen Wirkung über Eck nochmals das Foto wiedergibt. Die hier dargestellte Nordwestseite (Bild 4) des Marktes ist besonders charakteristisch. Vor allem reizvoll die im Typus so verschiedenen Holzhäuser, links das Haus Limprecht (siehe Marktstr. Nr. 6) von 1666, dazwischen das so sehr hübsch behaglich zwischen seinen hohen Nachbarn eingebettete Rokokohäuschen, nach rechts das bereits auf dem ersten Bilde dargestellte schöne gotische Fachwerkhauses von elf Spann Front an der Ecke der Seilwinderstraße, die hier als schmaler Traufwich (Abstand) erscheint. Der Rathausbrunnen mit seinem breit hingelagerten Wasserbecken schließt den Vordergrund des Bildes. Als günstig für die perspektivische Wirkung tritt die leichte Senke des Platzes in der Nordwestrichtung hinzu.
Text-Quelle:
Bildquelle:
[1] Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Selbstverlag der Provinzverwaltung; Hannover 1911, Band II, Heft 4, Teil 1, Seite 223f
[1] Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Selbstverlag der Provinzverwaltung; Hannover 1911, Band II, Heft 4, Teil 1, Seite 224, Tafel 26+27 nach Seite 224
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