Die Anfänge
Der Stadtteil nördlich der Domburg
Die bischöfliche Neustadt
Die Dammstadt
Die Hildesheimer Altstadt östlich der Treibe
Der älteste Teil des Hildesheimer Stadtbildes ist die bischöfliche Altstadt, die Domburg. An sie schließt sich nach Norden an die bürgerliche Altstadt der frühesten Zeiten zwischen Domburg und Michaeliskloster, begrenzt nach Osten durch die Treibe, nach Westen durch die Innerste.
Östlich von beiden Bezirken entwickelt sich die eigentliche Stadt, die jetzt den Kern Hildesheims bildet, mit dem Rathaus als Mittelpunkt. Ihr Umfang ist für die Zeit bis 1800 bezeichnet durch die Straßenzüge: Bohlweg – Rolandstraße – Arnekenstraße – Hinterster Rosenhagen – Hinterhäuser Oster- und Scheelenstraße – Friesenstraße – Kreuzkirche.
Hieran nach Süden schließt sich an der Brühl zwischen Domburg, Godehardikirche und Kreuzkirche.
Selbständig entwickelt sich südlich von diesen die Neustadt um die (spätere) Kirche St. Lambert.
Nach der Innerste lagen vor der Stadtmauer die Straßen: Am Steine und Ritterstraße, die als bischöfliche Neustadt zu bezeichnen sind, gegenüber der Innerste die später zerstörte selbständige Dammstadt, seitlich nach Süden die Venedig.
Text-Quelle: (1) A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 3
Nördlich der Domburg entsteht 1015 mit der Weihe der Krypta des neugegründeten St. Michaelisklosters die Michaeliskirche auf einem Hügel, der als in sich geschlossener befestigter Platz angelegt wurde.
Aus der Lage des Südportales dieser Kirche ergab sich als kürzeste Verbindung mit dem Westtor der Domburg die jetzige Burgstraße, die ihren Namen aus ihrer Zweckbestimmung „nach der Burg“ trägt.
Die älteste bürgerliche Ansiedlungen lagen außerhalb der Domburg in dem Raume, begrenzt durch sie und des St. Michaelisklosters einerseits, Treibe und Innerste anderseits. Erdwälle mit Palisaden mögen diesen entstehenden Stadtteil (Alter Markt) anfänglich notdürftig geschützt haben.
Die junge Ansiedlung hatte schwere Prüfungen zu bestehen.
Dem Dombrand von 1013 folgte 1034 ein schwerer Brand in St. Michael, ungleich größer war die Katastrophe von 1046, welche nicht nur das alte Münster und das neue Münster Godehards, nebst den gemeinsamen Wohnungen der Domherren vernichtete, sondern auch „fast die ganze Stadt und den größten Teil des Dorfes“ durch Flugfeuer zerstörte. Unter „Stadt“ verstand der Chronist die Domburg, unter „Dorf“ jene geschilderte Ansiedlung im Norden.
Der Wiederaufbau der teilweise zerstörten Stadt war gleichzeitig mit ihrer Erweiterung verbunden. Da mit dem Brande auch die gemeinsame Wohnung der Domgeistlichen zugrunde gegangen war, so gestattete man ihnen das Wohnen in einzelnen Häusern. Man nimmt an, daß ein Teil der Geistlichen sich vor dem Paulustor im Westen nach der Innerste zu ansiedelte.
Dieser Bezirk einschließlich der späteren Straße „am Stein“ war bei der St. Lamertskirche neben dem Michaeliskloster eingepfarrt.
Das beschriebene Viertel, die sogenannte bürgerliche ältere Altstadt, entwickelte sich lebhaft, die Hauptstraße war der sogenannte Altemarkt, eine Querstraße, die durch zwei Zugänge, das Süsterentor mit der Innerste und der daselbst liegenden Bischofsmühle und durch das Eckemekertor mit dem längs der Treibe hinziehenden Wege verbunden war. Ihr parallel lief ein zweiter Straßenzug vom St. Michaeliskloster zum nördlichen Ausgang der Ansiedlung, dem späteren Hagentor.
Da die ersten Ansiedler vorwiegend Ackerbürger waren, so sind die Grundstücke in Rücksicht auf landwirtschaftliche Zwecke zugeschnitten, schmal in der Front und sehr tief für die Wirtschaftsgebäude und die Gärten.
Kriegerische Zwischenfälle beschleunigten die Befestigung des Gebietes der Altstadt.
Text-Quelle: (1) A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 4f
Das ursprünglich im Domhof liegende Domhospital genügte zu Beginn des 12. Jahrhunderts nicht mehr den Anforderungen der Zeit.
Dompropst Reinhold v. Dassel, kaiserlicher Kanzler, erhielt mit Zustimmung des Domkapitels die Verwaltung dieses Hospitals und baute 1161 am Eingang der Stadt (in ingressu civitatis super fluvium prelabentem in loco patenti aquisque circumfluo) ein neues Hospital mit anstoßendem Bethaus und einer steinernen Brücke (hospitale novum cum adjacenti oratorio et ponte lapidibus constrato) mit Zollstädte. Hierdurch wurde die Stadt über die Innerste hinaus erweitert. Am östlichen Brückenrande sperrte das Dammtor den Zugang zu einer Vorstadt, die an dieser Stelle nach der Innerste zu offen lag.
Vor dem Dammtor selbst (valva Dammonis, 1430) stand seit 1433 ein Gasthaus für die Aachenfahrer, das Porthus (Pforthaus) davor, wurde dem St. Johannisstift überlassen, die homeyden (überwölbten Durchgängen) und czingeln wurden hier abgenommen und auf seiner Eingangsseite angebracht.
Hinter diesem nach Westen offenen Stadtteile lag nach Osten, durch den Mauerzug Süsterentor – Minoritenkloster – Domburg von ihm getrennt ein kleiner Stadtteil, die sogenannte bischöfliche Neustadt. Die Mauer ging im Vertrag von 1346 in den Besitz des Rates über.
In diesem Bezirke, „auf den Steinen“ (Lapides) genannt, zugleich Name einer Bäuerschaft, lag die gleichbenannte Straße, die wohl zuerst als Steinweg, d. i. mit Steinen gepflasterter Weg auf schon anfangs bedeutenden Durchgangsverkehr nach Westen und Norden hinweist.
In der südlichen Ecke hatte sich seit ca. 1240 das Minoritenkloster angesiedelt.
Text-Quelle: (1) A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 7f
siehe auch: Die Dammstadt (Ortsteile)
Weiter über das Johannishospital hinaus wohnten auf einem von der Trillke (Bleeke) und dem „neuen Graben“ umfaßten Terrain eine Kolonie Flamänder (Flamen), welche sich mit Erlaubnis des Moritzstiftes hier an der Nordseite des jetzigen Bergsteinweges ansiedeln durften.
Die Niederlassung hieß: Dammstadt (Dammo, Dampmo, Damm). Durch den Fleiß ihrer Bewohner entwickelte sie sich bald zu einer ernstlichen Rivalin Hildesheims, namentlich im Tuchhandel.
Der Ort war durch Mauer und Graben befestigt, dieser wurde, von der Innerste her, durch einen Flutgraben an der Bischofsmühle gespeist. Der Mauerbau stieß östlich an die Gärten des Johannisspitales und hatte drei Tore, das Beyersche Tor, das Dammtor und das Steintor. Die Lage dieses Tores ist in einer Urkunde von 1329 näher bezeichnet. Es sperrte den südlich nach Lutzinghewörden (Lucienvörde) führende Weg, lag daher wahrscheinlich im Süden des Mauerzuges, während das Dammtor wohl im Osten am Garten des Johannisspitals, das Beyersche aber nach dem Moritzstifte zu lag. Genaues ist nicht zu ermitteln.
1232 verlieh der Vogt des Moritzstiftes Lippold dem Damm städtische Rechte.
Die aufblühende Tuchindustrie des Ortes war dem Rate von Hildesheim ein Dorn im Auge, er zwang 1298 den schwächeren Nachbar den Tuchhandel (Wandschnitt) einzustellen, 1317 gelang es indessen der Dammstadt, mit Hilfe des Bischofs dieses Verbot aufzuheben. 1331 legte die Dammstadt neue Festungswerke an und verhandelte auch mit dem Bischofe über die Anlage einer neuen bischöflichen Vorstadt im Südosten ihres Gebietes.
Der Rat von Hildesheim, darin eine Beeinträchtigung seiner Interessen erblickend, schloss ein Abkommen mit dem Herzog Otto von Braunschweig und nahm ritterliche Hilfe zum Schutze gegen die aufblühende Rivalin an.
Das Schisma auf dem bischöflichen Stuhle, bei dem die Dammstadt es mit dem rechtmäßigen, aber gebannten Bischof Heinrich hielt, während die Hildesheimer auf Seiten des Gegenbischofs Grafen Erich von Schaumburg standen, gab Vorwand zum Überfall der Dammstadt.
Im Frieden von 1333, der Sona Dammonis (Dammsühne), wurde der Damm nebst dem Befestigungsrecht der Stadt Hildesheim übergeben, dem Bischof Gericht, Zoll usw. überlassen.
Die Ansiedlung selbst war von da ab wirtschaftlich vernichtet.
Eine Kirche St. Nicolai, ein Leprosenhaus und wenige Häuser standen später noch an ihrer Stätte.
Text-Quelle: (1) A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 8f
Die Entwicklung der Hildesheimer Altstadt nach Osten ist nicht so sicher zu verfolgen, wie die geschilderte Entwicklung im Norden und Westen.
Die Kirche St. Andreas wurde zwar schon unter Bischof Godehard als „esecclia forensis“ bezeichnet, der Altemarkt 1146 genannt, im Gegensatze also zu einem „neuen“. Jedoch läßt sich nicht feststellen, ob dieser Teil der Stadt bereits befestigt war oder nicht. 1308 war die Mauer um den neuen Stadtteil jedenfalls geschlossen, denn die Mönche von Marienrode erhielten das Recht, unbeschadet der Festigkeit der Mauer, auf ihr Gebäude zu errichten.
1345 verpflichtete sich der Rat, dem Godehardikloster und dem Kreuzstift die durch Anlage eines zweiten neuen Grabens (novum quoddam fossatum juxta vetus fossatum orientale) zwischen Ostertor und Kreuztor erlittenen Verluste zu ersetzen und den Graben instand zu halten.
Das neue Viertel hatte folgenden Umfang: Es zog sich die Treibe entlang zur Almsstraße (die alte Mauer lag hier in der rechten – östlichen – Bauflucht der Arnekenstraße), bog am Almstor an den Hinterhäusern des hinteren Rosenhagen im Bogen herum östlich zum Ostertor, von da in zweimal schwach gebogener Linie herüber zum Schnitt der Scheelenstraße mit der Friesenstraße. Hier lag das Friesentor. Die Mauer zog ursprünglich vor dem jetzigen „Platz“ genannten Vereinigungspunkt der Kreuz- und Friesenstraße direkt nach dem für sich befestigten Heiligen Kreuz, bog hinter dessen Ostchor nach Süden und ging dann in etwa in Höhe des halben vorderen Brühles direkt im scharfen Winkel westlich zur Domburg, die sich an dem hinteren Vorbau des Josephinums erreichte.
Somit war durch diesen Mauerzug ein Weichbild von ca. 350 m mittlerer Breite und 800 m Länge eingeschlossen, das nachstehende Straßen und Plätze enthielt.
Das Stadtviertel hatte zwei gegebene Mittelpunkte, die Stadt- (St. Andreas-) Kirche und das Rathaus.
Verkehrstechnisch war sehr geschickt die Längsrichtung dieses Stadtteiles durch zwei von ungefähr Nord nach Süd verlaufene Straßen, eine westliche (im nördlichen Teil „Almsstraße“, nach Süden „hoher Weg“ genannte) Verkehrsader und eine östliche die (nördlich Oster- und südlich Scheelenstraße) genannte Straße, die mit dem hohen Weg sich an der Altpetristraße vereinigte, geteilt.
Dieser eigenartige Verlauf des Zusammenführens zweier Straßen zeigt klar, daß in der ältesten Zeit der Stadtteil etwa am Ausgange der Altpetristraße nach dem jetzt genannten Platze ein Tor hatte. Es hieß „heiliges Kreuztor“, und Gärten des Kreuzstiftes wie des Godehardiklosters und des Moritzklosters erstreckten sich damals zwischen ihm und dem Ostertor (1314).
Der Weg, der vom Kreuztore aus nach Osten lief, hieß der Eselstieg (Eselstighe vor dem hilgen Cruses dore to Hildensem 1387) erwähnt, die in einer älteren Mauer daselbst lagen.
Neben den bereits genannten Hauptstraßenzüge des Stadtteiles waren von Wichtigkeit zwei Querstraßen: die Marktstraße und die Saustraße (jetzt Rathausstraße). Zwischen beiden dehnt sich der Altstadtmarkt, der „große Markt“, im Gegensatz zum „kleinen Markt“, am Andreaskirchhof aus mit dem Rathaus an der Ostseite.
Das nördliche Stadtviertel, vorwiegend von kleinen Leuten bewohnt, war benannt nach einem Gehege wilder Rosen als vorderster (I), mittelster (II) und hindester (III) Rosenhagen. Die von der Jakobistraße nach dem vordersten Rosenhagen führende südliche und die den vordersten mit dem mittelsten Rosenhagen verbindende Gasse hießen „Kälberstraße“ und „im halben Käse“ (1427), der dreiseitige Platz, in den an der Almsstraße hinterster und mittelster Rosenhagen zusammenliefen, trug die Bezeichnung „auf dem Schilde“.
Die Jakobistraße (1204) gab der Jakobibäuerschaft den Namen, die Verbindung zum Markte hieß nach den Seilern „Seilwinderstraße“ (1432). Ein paralleles zweites Gässchen weiter nach Osten, nach dem Zimtgerüchten „Kaneelstraße“ genannt, ist wahrscheinlich identisch mit der 1418 zuerst erwähnten „Pystrate“ am Markte.
Die Almsstraße ist benannt nach dem Kanonikus des Kreuzstiftes, Almarus, der 1270-1284 urkundlich vorkommt, ihre Fortsetzung nach Süden hieß der „hohe Weg“ (alta via), nach der Steigung des Terrains.
Die Verbindung der Marktstraße zur Almsstraße hieß bis 1862 „Molkenmarkt“, als Verkaufsstätte für Molkereiprodukte. Nebenan stößt der „Hoken“, der Name verstümmelt aus den Hallen der Hökerinnen (penesticarum), die schon 1283 hier standen. Dieses Stadtgebiet diente, wie noch jetzt, dem Geschäftsverkehr.
Am Ostende des Hoken steht das prächtige Haus der Knochenhauer mit seine Scharren (Läden) im Erdgeschoß.
Teile des Marktes waren nach den Verkaufsständen genannt: der Brotmarkt (1195), Milchmarkt, Fischmarkt, und heute noch kann man an Markttagen die nach Art der Lebensmittel angeordnete Aufstellung der Stände beobachten.
Der „Pferdemarkt“ lag am Zusammenschnitt von Juden- und Scheelenstraße, der „Holzmarkt“ vor der Altpetristraße am jetzigen Platze.
Der große Baublock zwischen Hohen Wege und Scheelenstraße war durch die enge „Judenstraße“ geschieden (1381).
Die Osterstraße (platea Orientalis, 1306) wurde nach ihrer östlichsten Lage so benannt und wird durch die Scheelenstraße fortgesetzt, die ursprünglich als lusca platea (1282) neben einer platea Frisonum, später Vresenstraße erscheint. Diese Bezeichnung stammt wohl von dem Geschlechte derer von Frese. Einer dieser Adligen schielte, und Döhner nimmt daher an, daß der Straße nach ihm den Beinamen „Scheele“ (Frese) gegeben wurde.
Die jetzige Friesenstraße hieß früher „Friesenstieg“, und dieser wieder Eselstieg.
Das jetzt „Sack“ genannte kleine Gässchen hieß früher nach der dort befindlichen Niederlassung der Marienroder Zisterzienser der „Marienroder Sack“, die jetzige Altpetristraße, 1301 als Sitz der Kesselflicker (renovatores) erwähnt, wurde seit 1366 als „Altboterstraße“ bezeichnet.
Eine besondere Stellung im Stadtbilde nimmt der Andreasplatz ein. Hier war ursprünglich ein Friedhof und lag seit dem 12. Jahrhundert der Mittelpunkt der Gilden. So ist die Schuhstraße nach dem 1236 privilegierten Gerber- und Schuhamt, die Kramerstraße, 1361 zuerst erwähnt, nach der 1310 vom Rate bestätigten Kramergilde genannt, deren Haus seit 1482 auf dem Andreaskirchof steht.
Das Verbindungsgässchen der Eckemeckerstraße hieß „Hölle“ (jetzt Rolandstraße, 1354 vicus dictus in der Helle, auch Infernum).
1479 wurde die jetzige Andreasstraße durchgebrochen und „wort geheten das Vegeführ“, wie Brandis in seinem Tagebuch berichtete. Die kleine Sackgasse nördlich davon hieß humoristisch das Himmelreich, sie war klein, lang und eng wie die „Hölle“ und das „Vegeführ“, vielleicht ein solches für die, die damals hindurchgehen mußten.
Text-Quelle: (1) A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 9f