[1] Die Neustadt / nova civitas
Die jetzige Neustadt, das Stadtviertel um St. Lambert, wurde als Kolonie auf Liegenschaften der Dompropstei mit regelmäßigen Straßenzügen durch Wiederansiedlung der Bewohner aus dem 1089 zerstörten Dörfern Hohnsen, Losebeck, Harlessem und Wackensen errichtet. 1221 zum ersten male in Urkunden vorkommend, erhält sie 1226 einen Schutzbrief von König Heinrich VII. der sie darin dem Dompropst unterstellt. In Rücksicht auf diesen wird sie auch als „novum oppidum praepositi“ bezeichnet.
Die Stadtmauer der Neustadt hat jedenfalls lange vor 1311 existiert; in diesem Jahre wird südlich der Lambertskirche eine Hofstätte (area – ab ecclesia dicte civitatis nostre versus meridiem juxta murum) erwähnt. Der zugehörige Graben wurde 1302 erweitert. Consules Nove civitatis Hildensemensis fossam apud campum nostre ecclesie sitam cavari et ampliari - facerent , wie es in der Beschwerde des Godehardiklosters heißt, der sogenannte Godehardicamp wurde damals teilweise zur Anlage des erweiterten Grabens benutzt.
Die Neustadt hatte zwei äußere Tore, das Braunschweiger Tor (1285) nach Osten – gegen den Godehardicamp gelegen – valam Brunsvicensis genannt, und das Goslarsche Tor (valva Goslariensis), in der Südostecke des Stadtteiles.
Gegen die Altstadt waren die Neustädter durch Wall und Graben auch ihrerseits abgeschlossen und 1572 begannen sie sogar gegen die Altstadt von ihrer Seite aus eine Bastei zu bauen, eine Arbeit, die indessen auf Beschluß des kaiserlichen Kammergerichtes eingestellt werden mußte.
Zwischen beiden Städten vermittelte das Kempentor wahrscheinlich den Verkehr. Es war ein sogenanntes Doppeltor: den einen Turm besetzten und schlossen die Altstädter, den anderen die Neustädter. 1583, nach Vereinigung beider Städte ging es ein, und wurde nebst der Zugbrücke an das Goschen-(Goslarsches) Tor versetzt, ebenso damals die Wälle zwischen dem Kempentor auf der Strecke zwischen Brühl und Wollenweberstraße bis an das bereits früher erwähnte Hohnsertor im Zuge der Goschenstraße geschleift und nach dem Lappenberge hinter der Godehardikirche hinausgerückt.
Vermutlich lag das Kempentor am Ausgange des ursprünglich „Bedeler-“, später Wollenweberstraße genannten Weges der Neustadt, so daß der früher schon erwähnte Eselstieg die Verbindung mit dem Friesentor der Altstadt darstellte.
Der lebhafte Verkehr zwischen beiden Städten mußte diese Tore benutzen und es gab stets Reibereien. Vor 1440 schlossen die Altstädter vor ihrem Tore den Weg ab durch eine Mauer mit einer Zingel, das ist ein kleines Vorwerk aus einer Mauer mit Palisaden davor (eyne tzingelen efte dore gehenget laten an eyne muren, de unsre und unser stad egen is, - wie es in der Gegenschrift des Rates von 1440 heißt). Später (1571) wird das Friesentor der Altstadt nach Osten verschoben, so daß der Eingang zur Neustadt innerhalb des Altstadtberinges lag. (siehe Plan von 1763).
Auch die Neustadt verstärkt zu Anfang des 15. Jh. ihre Befestigungen. 1422 wurde die Nordseite durch einen (zweiten) Graben verstärkt, der 1426 aus dem bischöflichen Teiche gespeist werden durfte.
Ebenso wird 1450 die Südseite durch Graben und Palisaden verwehrt. Van dem Goslarschen dore an der sulven stad (d. i. Niggenstad) wente up den weg twyschen dem genanten Godescampe (Godehardicamp) unde de graven achter sunte Goderskerchhove werden fünf Morgen entnommen, davon 1 ½ Morgen in die Befestigung mit „graven und plancken“ verbaut, der Rest für 140 gute Rynsche gulden (gute Rheinische Gulden) vom Godehardikloster abgekauft.
Textquelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Bürgerliche Bauten; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 14-15
- im Original aus https://de.wikipedia.org/wiki/Neustadt_(Hildesheim) übernommen -
Vor der Gründung der Neustadt lagen südöstlich von Hildesheim mehrere Dörfer, von denen Losebeck – 1147 in einer Urkunde genannt – sich ungefähr im Bereich des heute „Goschentor“ genannten Platzes und des Lambertifriedhofes ausdehnte und damit der Stadt am nächsten lag. Nicht weit davon lag an der Innerste das Dorf Hohnsen, an das noch heute ein Straßenname erinnert. Weitere Dörfer in diesem Bereich waren Harlessem, an das ebenfalls ein Straßenname erinnert, und Wackensen. Nach der Gründung der Neustadt wurden diese Dörfer zu einer Wüstung, da sich ihre Bewohner in der neu gegründeten Stadt ansiedelten. Die Neustadt wurde 1221 zum ersten Mal in einer Urkunde schriftlich genannt, ihr alleiniger Stadtherr wurde 1226 gemäß einem Schutzbrief König Heinrichs VII. der Hildesheimer Dompropst.
Um 1200 oder 1215 gründete der Propst des Hildesheimer Domes unmittelbar südöstlich von Hildesheim an der Handelsstraße nach Goslar eine Siedlung, die den Namen Neustadt erhielt. Sie sollte – wie auch die 1196 westlich von Hildesheim gegründete Dammstadt – einen Gegenpol bilden zu dem aufstrebenden, wirtschaftlich starken Hildesheim, das um 1270 bereits rund 5000 Einwohner zählte und sich dem Einfluss des Bischofs immer mehr entzog. Die Neustadt wurde wie andere im Mittelalter neu gegründete Städte planmäßig angelegt, mit geraden Straßen und einem annähernd quadratischen Marktplatz. Noch heute sind die Umrisse der Neustadt im Stadtplan erkennbar, da sich ihre regelmäßig nach einem bestimmten geometrischen Muster angelegten Straßen deutlich von dem unregelmäßigen Straßenmuster der Altstadt abheben. Die Neustadt bildet ein Rechteck mit einer Seitenlänge von etwas über 500 m in Ost-West- und von etwa 450 m in Nord-Süd-Richtung, in dessen Mitte sich der Neustädter Markt befindet.
Die Neustadt schaffte sich eine für mittelalterliche Verhältnisse beachtliche Infrastruktur: Sie verfügte wie andere Städte über ein Rathaus, ein Waisenhaus in der Keßlerstraße sowie in der heutigen Goschen- und Annenstraße jeweils über ein Hospital. In der heute „Neustädter Stobenstraße“ genannten Straße befand sich ein 1428 erstmals erwähntes öffentliches Bad, damals als „Badestube“ bezeichnet. Schon bald wurde die Neustadt mit einem Ring von Befestigungen mit Wällen und Gräben umgeben: Im Osten wurde 1285 das Braunschweiger Tor errichtet, gegen 1300 das Goschentor im Südosten, etwa 1348 das Brühltor im Südwesten und 1412 das Kempentor im Nordwesten. Durch das Kempentor konnte man über den heutigen Friesenstieg die Hildesheimer Altstadt erreichen, ebenso durch das Brühltor über die heute „Gelber Stern“ genannte Straße. Um 1300 wurde der Kehrwiederturm errichtet, der heute ein Wahrzeichen Hildesheims ist.
Die Bürger Hildesheims schotteten sich durch eine Verstärkung ihrer bereits vorhandenen Stadtmauer von der Neustadt ab. Immer wieder gab es Streitigkeiten zwischen Alt- und Neustadt. Wegen der unsicheren Zeiten, der vielen Kriege und Fehlden hatten jedoch beide Seiten ein Interesse an einer sicheren Befestigung nach außen hin, auch schien es vorteilhaft, beide unmittelbar nebeneinander liegenden Städte gemeinsam zu verteidigen. Daher wurden zum Beispiel 1512 und 1514 gemeinsame Arbeiten an Wällen und Gräben unternommen. Zum Schutz beider Städte legten die Neustädter 1512 den Sandgraben an, dessen Verlauf der heutigen Gartenstraße entspricht. Schließlich waren Alt- und Neustadt gemeinsam von einem ausgedehnten System von Wällen und Gräben umgürtet, das bis 1810 Bestand hatte.
1583 wurde ein Unionsvertrag zwischen beiden Städten geschlossen, bei dem viele Streitpunkte beigelegt wurden. Die westliche Stadtmauer, Brühl- und Kempentor der Neustadt wurden abgetragen und die „Neue Straße“ als zusätzliche Verbindung zwischen beiden Partnern angelegt. Noch heute führt sie von der Wollenweberstraße zum Hückedahl.
Zu einer vollständigen Vereinigung beider Städte kam es erst 1803. Bis dahin hatte die Neustadt ihr eigenes Rathaus am Neustädter Markt und ihren eigenen Stadtherrn, den Dompropst. Nach der Vereinigung wurde das nun nicht mehr benötigte Neustädter Rathaus, das sich nördlich der Lambertikirche am Neustädter Markt befunden hatte, 1806 verkauft und abgerissen.
Siehe dazu auch Liste der Bürgermeister der Neustadt Hildesheim.
Die Neustadt entwickelte sich nach der Vereinigung mit der Altstadt zu einem eng bebauten und dicht besiedelten Wohnviertel mit zahlreichen Handwerksbetrieben. Ab 1810 wurden die mittelalterlichen Befestigungsanlagen Stück für Stück abgetragen. Von der Goschenstraße zum neu eingerichteten Bahnhof Hildesheim Ostwurde 1876 eine neue Straße angelegt, die Wörthstraße. Von 1913 bis 1945 wurde die Neustadt von der Linie 3 der Hildesheimer Straßenbahn durchquert.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Neustadt bei den Luftangriffen auf Hildesheim stark zerstört. Am 22. Februar 1945 wurde die Lambertikirche an Dach, Fenstern und Chor durch Sprengbomben schwer beschädigt, zahlreiche Häuser vor allem in der Goschen- und Güntherstraße sowie am Neustädter Markt wurden zerstört. Viele weitere Gebäude in der Neustadt wurden beschädigt. Bei dem letzten und schwersten Luftangriff auf Hildesheim vom 22. März 1945 wurde die Neustadt erneut und noch stärker getroffen. Die Lambertikirche und zahlreiche Häuser brannten vollständig aus. Erhalten blieben nur das markante Eckhaus mit dem Fachwerkgiebel am Neustädter Markt Ecke Goschenstraße, der südliche Teil der Wollenweberstraße, die Keßler- und Knollenstraße, Lappenberg und Gelber Stern sowie die schmale Gasse Am Kehrwieder mit dem Kehrwiederturm.