Die Stadt Hildesheim übte die peinliche Gerichtsbarkeit aus.
Sie hatte verschiedene Richtstätten. Zur Vollstreckung der schimpflichsten, namentlich bei Dieben angewandten Strafe, des Erhängens, diente der Galgen, an dem, wie man im grausamen Scherze sagte, der Verbrecher mit des Seilers Tochter Hochzeit hielt.
Der Galgen stand oberhalb der jetzigen Bismarcksäule, wo die von Wald bestandene Fläche beginnt, links vom Hinaufgehenden, jetzt noch an einer flachen Erhöhung kenntliche Stelle. Wann der erste Galgen errichtet worden ist, können wir nicht sagen, es muß schon früh gewesen sein.
Die erste Nachricht über einen Galgen und eine Hinrichtung daran gibt uns ein Schreiben des Herzogs Erich von Sachsen-Lauenburg aus der Zeit zwischen 1320 und 1330 an das Hildesheimer Domkapitel, in dem der Herzog sich darüber beschwert, daß der Rat der Stadt einen Angeklagten unrechtmäßigerweise zum Strange verurteilt und hingerichtet habe.
Über Ausbesserungen und Erneuerungen des Galgens wird öfters geredet.
Wie es bei einer solchen Hinrichtung herging, erzählt uns Henni Arneken, der damals als Riedemeister dabei mitwirkte.
Eine 16jährige Magd Mettke Engelke war wegen Diebstahls aus der Altstadt hinausgestäubt worden, kehrte zurück, stahl zum zweiten und dritten Male und wurde dann in der Neustadt verhaftet. Das Gericht der Neustadt, in dessen Bezirk die Täterin verhaftet worden war, mußte nach damaligem Recht die Todesstrafe durch Erhängen aussprechen.
Der Viller (Scharfrichter) mußte aus Hannover verschrieben werden, wozu ihm die Altstadt, auf deren Gebiet der Galgen stand, freies Geleit gewähren.
Am 21. März 1582 fand die Verhandlung des peinlichen Gerichts auf dem Neustädter Markt statt. Der Riedemeister Arneken erschien hierzu als Vertreter des Rates der Altstadt in Begleitung von 19 anderen Reitern. Um 8 Uhr morgens ritt er mit diesen auf das Blek, d.h. auf die Gerichtsstelle, und hielt allda, Stirn gegen das Gericht. Um 9 Uhr wurde die arme Sünderin vor das Gericht gestellt und um 10 Uhr zum Galgen verurteilt.
Das Urteil wurde alsbald vollstreckt.
Arneken ritt mit seinem Gefolge dem Zug nach dem Galgenberge voran. Der Zug ging durch die Güntherstraße zum Braunschweiger Tor und von da zum Galgen. Dort trat der Scharfrichte M. Christof an Arneken, den er für einen Richter hielt, heran und bat nach altem Brauch um freies Geleit. Arneken gewährte das Geleit und erlaubte und befahl im Namen des Rates der alten Stadt Hildesheim, das Gericht zu vollziehen. Zugegen waren auch einige Amtspersonen der Neustadt, die sämtlich von Arneken gesprochene Worte aufschrieben.
Wie wenig eine solche Angelegenheit damals die Menschen aufregte, geht daraus hervor, daß Arneken nach Vollziehung des Urteils drei Meilen weit zu der ihm als Riedemeister obliegenden Besichtigung der Wege und Stege umherritt und dann am Abend seine Begleiter in seiner Behausung als Gäste hatte, wobei sie, wie er ausdrücklich hervorhebt, fröhlich waren.
(im Original übernommen)
Text-Quelle: Otto Gerland: Die artilleristische Ausrüstung der Stadt Hildesheim, Alt-Hildesheim, Westermann 1920, Braunschweig, Heft 3, S. 16ff