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Noch jetzt wandern, von der Mitte Dezembers an bis zum Heil. Drei Königstage, die heiligen drei Könige von Haus zu Haus.
Es sind gewöhnlich drei Männer aus dem Arbeiterstande, begleitet von einem "Herodes" mit geschwärztem Gesicht, dem ein bunter Rock, Federbarett und Schwert nie fehlen dürfen. Sie tragen einen großen, mit Kerzen erleuchteten Stern, worin ein Marienbild mit dem Christkinde, und führen, von einigen Musikanten begleitet, Gesänge und Deklamationen (kunstvoll dichterische Texte vortragen) auf, welche die Geburt Christi, die Beschenkung durch die drei Weisen und die Verfolgung der unschuldigen Kinder zum Gegenstande haben.
Es folgen dann auch singend vorgetragene Beglückwünschungen des Hausherren, der Familie und des Gesindels.
siehe auch: Gesang der heiligen Könige
Bis in den Anfang dieses Jahrhunderts (19. Jh.) fand am stillen Freitag (Karfreitag) ein Umgang (Prozession) statt, welcher reich an Darstellungen aus der biblichen Geschichte war.
Eröffnet ward der Zug durch Adam, der einen Apfelbaum trug, darauf folgte der Knabe Isaak mit einem Bündel Holz, hinter ihm Abraham mit erhobenem Schlachtmesser; an dessen Spitze war ein breites seidenes Band befestigt, das lang herabhing und am unteren Ende von einem als Engel aufgeputzten, schönen Knäblein festgehalten wurde. Nach mancherlei anderen alttestamentarischen Darstellungen kam zum Schluß eine Schaar Pharisäer.
Hochstämmige Schüler des katholischen Gymnasiums figurierten als "Kriegsknechte" in Rüstungen, die aus der städtischen Rüstkammer erborgt wurden. Christus kam mit der Last des Kreuzes, hinter ihm als Mitträger des Kreuzes - zur Erinnerung an Simon von Kyrene - ein Mensch, ganz verhüllt in weißen Flanell, halb gehend, halb auf den Knien rutschend, mit der Hand auf ein Beil gestützt. Diese mühsame und peinliche Leistung galt als ein Bußakt der Person, die sie übernahm.
Vor Christus schritt Judas einher mit rotem Bart, in der Hand den Geldbeutel, mit dem er von Zeit zu Zeit klingelte.
Der Umgang bewegte sich über die Domhöfe. Nach dem Einzuge in den Dom wurde ein uraltes Crucifix, das sogenannte "Wandelkreuz", in der Vorhalle des Domes auf einen Katafalk niedergelegt.
Bis zum Jahre 1545, wo die Sitte aufhörte, weil die Stadt Hildesheim fast gänzlich den protestantischen Glauben angenommen hatte, ward alle 7 Jahre auf dem Markte daselbst ein Baum oder Pfahl aufgepflanzt, an welchem ein Schild mit einer Inschrift hing und durch welche zu einer sogenannten Akenfahrt oder Wallfahrt nach Aachen aufgefordert ward.
Text-Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe, Sagenbuch des Preußischen Staates, Band 2, Glogau 1868/71, S. 890-891