Vom Gluhswanz
Irrlichter, Steltenlichter, Tückeboten, Lüchtenkeerl
Die Nachtmahrte (Albtraum)
Schwere Schritte
Als Gluhschwanz (auch Glühschwanz, Gluswans, Glûswanz oder Gluuschwanz) wird ein deutsches Nachtgespenst und Fabeltier bezeichnet, das wie ein glühender Drache
aussieht.
Die Sagengestalt soll nachts mit seinem langen glühenden Schwanz über die Häuser geflogen sein. Es wurde berichtet, dass er durch die früher offenen Schornsteine die Hexen besuchte und ihnen Korn oder Geld brachte, damit sie ihm süße Milch zum Trinken auf den Herd stellten. Wenn sie das nicht getan hatten, setzte er deren Schornstein in Brand.
Fast in allen Dörfern unseres Landkreises kennt man den "Gluhswanz", auch "Gluhbolte" oder "Drake" genannt.
Der Gluhswanz und der Kapuziner
Der alte Kutscher Johann des Hildesheimer Dompropstes hat es wohl hundertmal erzählt, was er zwischen Marienburg und Röderhof erlebt hat.
Er mußte einmal einen Kapuziner-Mönch, einen alten, schwachen Mann, der keinen Fuß mehr vor den anderen setzen konnte, von Hildesheim nach dem Kloster Lamspringe fahren. Wie sie nun hinter Marienburg kamen, da fingen die Pferde an zu schnauben und wollten nicht von der Stelle. "Halt man stuill", sagt der Mönch, "der Gluhswanz" kommt. Richtig, da kam er am Himmel daher. "Soll ich mal "Hallf Part" rufen?" fragte der Kutscher. "Nein", antwortete der Kapuziner, "Gluhswanz soll herunterkommen." Und da holte er sein kleines Buch aus dem Mantel und sprach lateinische Worte. Die mußste der Gluhswanz wohl verstehen; denn "rutsch, rutsch" lag er wohl zehn Schritt vom Wagen entfernt auf dem Felde. "Nun geh' hin und hole dir was!" sagte der Mönch.
Der Kutscher sprang vom Kutschbock; denn er war dreist, weil der Kapuziner bei ihm war, sonst hätte er wohl die Nase davongelassen. Und was sah er? Lauter "klimmer klammer" Gold.
Der Kutscher wollte schon anfangen zu "grabschen" (greifen), aber da sah ihn der "Gluhswanz" mit ein Paar Augen an, daß ihm sein Mut in die Asche fiel. "Schwupp" saß er wieder auf seinem Bock und dachte: "ich will meine Finger nicht verbrennen und meine Seele schon gar nicht!"
Die armen Heidölmeken
Vor 200 Jahren herrschte in unserer Heimat der Glaube, das Irrlicht sei die Seele eines ungetauft gestorbenen Kindes, das wegen der Erbsünde nicht in den Himmel kommen könne. Da es auch nicht in die Hölle aufgenommen würde, müsse es zwischen Himmel und Erde schweben.
Man nannte ein solches Kind "Heiölmeken" oder "Heidölveken"; das sollte soviel wie "armes, dummes, ungetauftes Heidenkind" bedeuten.
In Hildesheim erzählte man sich: Eine an der Kirchhofsmauer vorübergehende Frau sah solch ein Heidölmeken im Wickelbunde sicht an der Mauer liegen. Sie glaubte, es sei ein ausgesetztes Kind, und wollte es aufheben. Als sie sich danach bückte, verwandelte sich das Wickelkind in ein Licht und hüpfte über die Kirchhofsmauer.
In vielen Häusern ist es die Nachtmahrte, die den Menschen quält und ängstigt.
Wenn alles im Hause schläft, schleicht sich dies böse Gespenst durch eine ritze in der Tür in die Schlafkammer. Ist keine Ritze da, dann schlüpft es durch das Schlüsselloch hinein. Das zottig aussehende Gespenst setzt sich zuerst unten in das Bett des Schlafenden. Allmählich kriecht es immer höher hinauf, legt sich schwer auf die Brust und drückt, daß der Schlafende keine Luft mehr kriegen kann. Es ist, als wenn ein Berg auf ihm ruhte. Wenn er rufen und schreien will, kann er keinen Ton herausbringen, der Angstschweiß tropft ihm von der Stirn.
Es gibt aber glücklicherweise Mittel, diese Plagegeister fernzuhalten. Man muß beim Schlafengehen die Pantoffel kreuzweise vors Bett stellen. Es genügt auch, wenn sie so stehen, daß der eine mit der Spitze unter das Bett, der andere in die entgegengesetzte Richtung zeigt.
Sicherer ist, das Schlüsselloch mit einem Strumpfband zuzubinden.
Der beste Abwehrzauber ist der Spruch:
Mahrte, sast mek nich beroien (auf mir reiten)
Sast over alle Water stoien (steigen)
Sast alle Bläer an' Beome plücken,
Sast alle Graaashalme knicken,
Sast alle Steern an'n Himmele tellen (zählen),
Sast alle Steine uo'er eere (Erde) ummerennen,
gegendes, dat diu dat edahn,
Is de Nacht vergahn. -
Es hat böse Menschen gegeben, die dem Nachbar Gespenster ins Haus rufen wollten. Ganz heimlich nagelten sie ihm die Leber einer Fledermaus in den Schornstein, die sollte einen "Nickel", so wurde der böse Geist auch genannt, anlocken.
Zu einem hinterhältig schabernackschen Mädchen sagte man: "Diu bist en ganzet Nickel."
Ein alter Botenmann, der aus den Dörfern Butter und Eier nach Hildesheim holte, erzählte: "Wer nachts von Ochtersum nach Hildesheim zu gehen hat, gehe nicht über die Wiese, sondern scheue den Umweg nicht und bleibe lieber auf der Landstraße. Auf der Wiese, sagen die Leute, geht ein mann ohne Kopf. Aber wer hat ihn gesehen? Gesehen hat da noch niemand etwas, aber desto mehr gehört, und das ist noch viel schlimmer. Mir stehen die Haare zu Berge, wenn ich an den Gang denke, den ich einmal in einer Mondscheinnacht vom "Alten Wasser", das durch die Wiesen fließt, bis zur Hohnser Innerstebrücke vor Hildesheim habe machen müssen.
Kaum war ich zehn Schritt vom Alten Wasser weg, so tappte es hinter mir her wie von schweren nägelbeschlagenen Schuhen. Ich sah mich um und sah keinen Menschen. Mutterseelenallein stand ich auf der weiten Wiese. Da pupperte mir das Herz, und ich betete ein Vaterunser nach dem anderen. Aber ich mochte beten, soviel ich wollte, immer hörte ich die schweren Schritte hinter meinen Fersen. An jedem Haar hing mir ein Schweißtropfen.
Endlich kam ich an der Hohnser Brücke. Da kamen mir Leute entgegen, die nach Alfeld zum Schützenfest wollten. Um rechtzeitig da zu sein, hatten sie sich in der Nacht auf den Weg gemacht. Da viel mir ein Stein vom Herzen, als die Leute mir "Guten Morgen" boten. Von den schweren Schritten hörte ich nichts mehr."