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Wo jetzt Hildesheim steht, war früher Alles „Wool“ (Wald). Vor dem Dammtor und bei St. Michaelis ist noch Holzung gewesen, als die Stadt schon erbaut war; darum heißt die Straße bei St. Michaelis noch heute der Wool (Wohl). Die Erbauung der Stadt hat nun vor mehr als tausend Jahren ein frommer Kaiser befohlen. Diesem Kaiser gehörte das ganze deutsche Land; die schönsten Städte und Dörfer standen ihm offen, aber er war an keinem Orte lieber, als in unserer Gegend, denn er war ein Freund vom Jagen, und wo hätte er mehr und besser Wild finden können als in dem damals unermeßlich großen Woole.
Eines Tages war der Kaiser wieder mit seinem Jagdgefolge zu Holze gefahren und verfolgte hitzig einen weißen Hirsch. Der Kaiser hatte das schnellste Pferd und die schnellsten Hunde, aber noch flinker war der Hirsch, der lief über Berg und Tal, sprang in die Innerste und schwamm durch. Der Kaiser, immer hinterdrein, sprang auch ins Wasser verlor aber dabei sein Pferd und seine Hunde; der Hirsch entkam und der Kaiser schleppte sich müde und matt noch eine Strecke weiter unter einen hohen Baum um auszuruhen. Da lag nun der verirrte hohe Herr mutterseelenallein in der Wildniß, er stieß in sein Jagdhorn um das Gefolge herbeizurufen, aber alles Blasen und Rufen war vergebens; er erhielt keine Antwort, denn sein schnelles Pferd hatte ihn meilenweit von den Begleitern fortgetragen. Da wurde es dem Kaiser doch recht bang ums Herz, er nahm von seinem Busen ein goldenes Kreuz mit Heiligtum von der Mutter Gottes, hing es vor sich an einen wilden Rosenstrauch und betete davor inbrünstig, daß ihn die Mutter aller Gnaden doch nicht hier in der Wildniß verkommen lassen, sondern am Leben erhalten und wieder zu Menschen führen möchte.
Gleich darauf fiel der Kaiser in einen tiefen Schlaf und als er wieder erwachte, sah er zu seiner großen Verwunderung vor sich den Platz mit Schnee bedeckt, während ringsumher Alles in grüner Sommerpracht stand; auch das Heiligthum, welches er in den Rosenbusch gehenkt hatte, war darin festgefroren und dennoch blühten am Busch die Rosen weit schöner und voller, als sie vorher geblüht hatten. Da merkte der Kaiser, daß Gott hier ein Wunder getan habe und gelobte, auf der Stelle, wo der „heilige Schnee“ gefallen, war eine Kirche zu bauen. Noch sann er über diesen frommen Vorsatz nach, als Hundegebell und Waldhörner durch den Wald erklangen; sein Jagdgefolge kam herbei und war hoch erfreut den Herrn gesund und frohgemut wieder zu finden. Nun erzählte der Kaiser welchen Wink ihm Gott gegeben habe, und befahl, auf der heiligen Stätte sofort eine Kapelle zu bauen; der wilde Rosenstock aber, der das Heiligthum so festgehalten hatte, sollte nicht ausgereutet werden.
So geschah es, es entstand als das erste Gebäude von Hildesheim die kleine Kapelle am Dom, die noch heute steht. Auch der Rosenstock grünt und blüht noch heute an der uralten Mauer und ist seines Gleichen an Größe und Wunderpracht nicht weiter in der Welt zu finden.
Im Jahr 815 nahm Kaiser Ludwig der Fromme während einer Reise Quartier in einem Königshof in Aulica (Elze). Von dort brach er mit kleinem Gefolge zur Jagd auf. Plötzlich tauchte vor den Jägern ein weißer Hirsch auf. Ludwig gab seinem Pferd die Sporen und setzte ihm nach. Inmitten dichter Wälder ging es über Berg und Tal. Ein Flüsschen wurde gar überquert, dann brach des Pferd überanstrengt zusammen und der Hirsch entkam. Völlig erschöpft und nun mutterseelenallein stieß Ludwig in sein Jagdhorn, ohne ein rettendes Antwortsignal seiner Jagdgenossen zu vernehmen. Da nahm er schließlich sein Brustkreuz mit dem Heiligtum der Mutter Maria, das er ständig bei sich trug, hängte es an die Zweige eines Strauchs, kniete davor nieder, um inbrünstig zu beten. Ermattet schlief er daraufhin ein. Als er nach Stunden erwachte, sah er verwundert den Platz mit Schnee bedeckt, während sonst alles grünte. Sein Kreuz hing in den Zweigen eines blühenden Rosenstrauchs. Als er es an sich nehmen wollte, wurde es mit aller Kraft festgehalten. Ein Wunder war geschehen. Da gelobte der Kaiser, an dieser Stelle eine Kapelle zu errichten. Gleich darauf hörte er Jagdhörner, sein Gefolge fand ihn schließlich und hörte aus des Kaisers Munde erstaunt von dem Rosenwunder. Ludwig ließ schließlich an jener Stelle ein Kirchlein errichten. Daraus entstand der Hildesheimer Mariendom, an dessen Mauern noch immer der Rosenstrauch wächst.
Ein aus der Mauer der St. Godehardikirche an der Stadtseite hervorragender Stein galt für ein „Merkzeichen alten Rechts Vertrags“. Wenn dieser herausfiele sagte man, sollte die Kirche an die „Lutheraner“ kommen.
Text-Quelle:
D. Fischer, Zeitschrift für Deutsche Kulturgeschichte - „Die Straßennamen der Stadt Hildesheim“, Verlag Bauer & Raspe Nürnberg 1857, Band 2 Seite 20
Ebenso wie die Legende vom 1000jährigen Rosenstock zeigte die jüngere Vergangenheit noch die Verbindung zwischen Heidentum und Christentum. So lebte die alte Göttermutter Fricka unter der Gestalt der sogenannten Hildesheimer Jungfrau in den Zeiten unserer Vorväter fort. So steht sie als Hildesheimer Jungfrau bei Belagerungen der Stadt auf den Wällen und fängt die feindlichen Kugeln mit ihrer Schürze auf. So konnte auch Kaiser Karl V. als er 1528 der Stadt ein neues Stadtwappen zuteil kommen ließ, den Hildesheimern keine größere Freude machen, als daß er der Stadt als Helmzier eine in den Stadtfarben gelb und rot gekleidete Jungfrau mit dem Rosenkranz in den Händen und auf dem Haupte verlieh, die stets als Hauptsymbol der Stadt angesehen wurde unter Zurücksetzung des, aus dem in gelb und rot gespalteten Stiftsschild entwickelten quadrierten städtischen Wappenschilde.
Noch 1581 wurde bei dem damaligen Umbau der Rathausfront auf einem der Streberpfeiler dieser Front die Jungfrau gestellt, die das Wappenschild in der Hand hält.
Auf den hildesheimschen Fahnen und Stadtwappen steht die Hildesheimer Jungfrau mit einem Kranz in der Hand.
Solange die Feinde der festen Stadt sich vergeblich an den starken Wällen und Mauern die Zähne ausbissen, trug die Jungfer ihren Kranz stolz auf dem Kopfe; als aber die Stadt einst in Feindes Hand fiel, da fiel auch der Jungfer der Kranz von dem Kopfe in die Hand.
Text-Quelle:
O. Gerland, „Hildesheim und Goslar“, Verlag E. U. Seemann, Leipzig 1904, Seite 5/6
Der Hl. Bernward saß in einem Turmgemach der von ihm erbauten Michaeliskirche und arbeitete an dem schönen Kreuze, welches noch heute vom ihm im Dome zu Hildesheim aufbewahrt wird. Er dachte darüber nach, wie er einen dreifachzersplitterten Spahn vom Kreuze Christi, welchen ihm seinem Lehrer der Kaiser Otto geschenkt hatte, so in vier gleiche Teile zerlegen könne, daß jeder Arm des Kreuzes einen Teil der kostbaren Reliquie enthielte.
Da legte auf einmal eine unsichtbare Engelshand den vierten Theil des Spahnes in seine Hände, so daß er nun ein gleiches Stück für jedes Ende des Kreuzes hatte, wie dasselbe noch jetzt beschaffen ist.
Text-Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe, Sagenbuch des Preußischen Staates, Band 2, Glogau 1868/71, S. 892