Translator:
Das "Hünnigschlangennest" am Kehrwiederwall
Drachen
Gespenstisches Huhn
Der Kellerhahn
Raben warnen
Vogelschei
Schauder
Todesahnungen
Vom wilden Jäger
Werden Kinder verschiedenen Geschlechts getauft, so sucht man es zu verhüten, daß sie mit demselben Wasser getauft werden, sonst bekommen, wenn das Mädchen zuerst getauft ist, der Knabe nie einen Bart, ist aber der Knabe zuerst getauft, so bekommt das nach ihm getaufte Mädchen später ein Bärtchen.
Ist auf dem Dorfkirchhofe ein frisches Kindergrab gemacht, so geht man mit dem Täufling nicht zur Kirche, sondern läßt ihn im Hause taufen.
Toten Kindern darf man keine Träne in's Gesicht fallen lassen, sonst geht sie um.
Wenn während des Anschlagens der Betglocke die Turmuhr schlägt, so entsteht Feuer oder es stirbt jemand im Dorfe.
Wenn ein Toter ausgeläutet wird, soll man mit dem Essen einhalten, sonst ißt man sich den Tod.
Schwalbennester darf man nicht zerstören, sonst schlägt das Gewitter in das Haus oder die Scheune, welche sie schützen.
Willst du die Zukunft wissen, so lege in der Neujahrsnacht ein Gesangbuch unter dein Kissen. Wenn du dann in der Nacht erwachst, so schlage das Gesangbuch auf, lege ein Zeichen an die aufgeschlagene Stelle, und der bezeichnete Gesang wird dir am anderen Morgen sagen, was du im Laufe des Jahres erleben wirst.
Fliegt dir eine Mücke oder ein Stäubchen in's Auge, so mache darüber, ehe du es zu reinigen suchst, ein Kreuz und sprich: "Jesus, greif erst zu!"
Im alten Gemäuer am Kehrwieder-Walle sitzt tief verborgen ein „Hünnigschlangennest“ (?); glücklich wäre der, der es auffinden könnte, denn alles, was man hineinlegt, wird Gold.
„Draken“, „Glüschwänze“ oder „Glübolde“ sah man sonst fast jede Nacht; sie fuhren in die Schornsteine und brachten den Hexen Geld.
Die „Töverschen“ hatten immer eine Sätte (Gefäß) Milch auf dem Herde stehen, wenn der Glübolt kam; fand er die Milch nicht, so steckte er das Haus in Brand.
Unter einem Hollunderbusch (Allhornbusch) bei Ochtersum saß ein schwarzes Huhn; wer das Huhn sah, dem brachte es Unglück.
Mancher Mensch hat schon im Keller einen jähen Tod gefunden, und niemand wußte, wie das zugegangen sein mochte.
Das Unglück aber kommt von der „Baselistsche“ oder dem „Kellerhahn“; wen solch ein Unding mit den glühenden Augen anblitzt, der hat sein letztes Brot gegessen. –
Der Baselisk entsteht aus einem von einem Hahn ausgebrüteten Krötenei.
Wenn man "über Feld geht", so achte man auf den Flug der Raben. Fliegt ein Rabe von der Rechten nach der Linken über den Weg und schreit: "Wahr' deck, wahr' deck, wahr' deck!" so kehrt man lieber um oder geht einen anderen Weg.
Der alte Denkstein, der im Itzumer Holze auf dem Wege nach Lechstedt steht, würde nicht dastehen, wenn ein Mann, der "boteweis" ging, der Warnung des Raben gefolgt wäre.
Der Mann hatte viel Geld bei sich und ging mit einer Frau den Feldweg nach Lechstedt. Als sie nun im "Lichtenpahl" angekommen waren, flog ein Rabe von rechts nach links über den Weg und schrie: "Wahr' deck, wahr' deck!"Erschrocken blieb die Frau stehen und wollte nicht weiter mit; der Mann aber lachte, sagte, das wäre dummes Zeug und ging allein seinen Weg.
am anderen Morgen fanden die Lechstedter den erschlagenen und beraubten Mann auf der Stelle, wo noch heute der Denkstein steht.
Zu Neujahr wird der Tag um einen „Hahnenschrei“ länger.
„Wahr‘ deck, wahr‘ deck!“ (Hüte dich! Hüte dich!) ruft warnend der Rabe. „Kumm Frau!“ ruft der Täuber (männl. Taube); „spinn‘ littek! Spinn‘ littek!“ der Hänfling (Vogel). „Harrut!“ (Heraus aus dem Hause, dem Leben) schreit das Leichhuhn (Uhu).
Kräht ein Huhn wie ein Hahn, so droht schweres Unglück dem hause. – Geht ein Brautpaar im Holze und hört den Kuckuck, so wird ihre Ehe mit Kindern gesegnet.
Wenn es einem schaudert, so läuft der Tod eben über die Stelle, auf welcher man einst begraben wird.
Die weiße Rose
Wenn ein Domherr in Hildesheim sterben sollte, so wußte er das schon am dritten Tage vorher, denn am Morgen des dritten Tages vor seinem Ableben fand er auf seinem Sitze im Chor eine weiße Rose; dann bestellte er sein Haus und bereitete sich zum Tode.
Schauder
Wenn es einem schaudert, so läuft der Tod eben über die Stelle, auf welcher man einst begraben wird.
Sterbende rufen
Es war schon spät im Herbste; mein kranker Mann fror, und es war kein Holz im Hause. Da bat ich die „Raberschen“, daß sie bei meinem kranken Manne nach dem Rechten sehen möge und nahm meine Kiepe, um eine Tracht „Sprikholz“ aus dem „Woole“ (Wald) zu holen.
Mit manchem tiefen Seufzer hatte ich mein Holz gesammelt, setzte die Kiepe auf einen Brink und wollte sie eben aufnehmen, als es dreimal laut und hastig rief: „Marianne! Marianne! Marianne!“ Da weinte ich laut, denn nun wußte ich, daß mein Joseph gestorben war; er hatte gewiß recht scharf hergedacht. – Als ich zu Hause kam, lag er auch schon auf dem Stroh.
Wenn der Wind die Wolkenfetzen unter der Himmelsdecke peitschte, wenn er über die Wälder unserer Berge brauste, die Kronen der Bäume bog und die dürren Äste brach, wenn er die Krähen und Dohlen aus ihren Schlupfwinkeln aufschreckte, daß sie kreischend und krächzend umherflatterten, wenn der Sturm im Tal in den Dörfern pfeifend und heulend an Türen und Fenstern rüttelte und Ziegeln und Schiefer von den Dächern riß, dann horchten unsere Vorfahren erschreckt auf ob des wilden Tobens in den Lüften, dann stieg alter Glaube aus Urväter Zeiten in der Erinnerung empor, und scheu und geheimnisvoll sagten die Menschen: „Der wilde Jäger jagt durch die Luft.“
Der wilde Jäger im Hildesheimer Lande
Der wilde Jäger ist der König aller Gespenster. Viermal im Jahre braust und saust er mit seinem wilden Heer über die Gipfel unserer Bergwälder dahin, besonders aber in den zwölf heiligen Nächten zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag.
Wenn er in sein Horn stößt, so antworten ihm die Eulen neun Meilen in der Runde, und alle, die den Hahnenschrei nicht vertragen können, alle bösen Geister müssen sich ihm anschließen.
Er hat schon ein großes Gefolge bei sich, wohl hunderttausend Mann; denn er ist über die Schlachtfelder gejagt und hat die Soldaten aufgelesen, die ein gottloses Leben geführt haben. Aber auch böse Förster und Wilddiebe müssen ihm folgen.
Der wilde Jäger und sein wütiges Heer können einem nichts zuleide tun, nur muß man nicht hinter sich und nicht über sich sehen, auch darf man ihn nicht anrufen.
Wenn der Mensch an Gott denkt und seine Arbeit verrichtet, zieht ihm die wilde Jagd über den Kopf hinweg wie ein Sturmwind vor dem Gewitter.
Dann ist alles wieder totenstill.
Der wilde Jäger und die Holzfahrer
Ein Bauer tappte mit einem seiner Knechte bei stockfinsterer Nacht durch den Wald, um Vorspann (= Pferde, die an besonders steilen Wegstücken zusätzlich vorgespannt werden) zu holen; denn er hatte sich bei der Holzabfuhr verspätet und mitten im Walde so festgefahren, daß das Gespann den Wagen weder rückwärts noch vorwärts bringen konnte. Der Bauer war darüber fuchswild, fluchte und wetterte auf dem Wege, daß es einem Christenmenschen ein Greuel zu hören war. Vergebens ermahnte der fromme Knecht seinen Herren, mit dem Fluch- und Lästerworten nicht so um sich zu werfen; der ärgerliche, tobichte Bauer fluchte und lästerte immer weiter in die Nacht hinein.
Noch hatten sie den Waldrand nicht erreicht, als mit einem Mal alle Bäume im Sturmwinde brausten und knackten und der wilde Jäger mit seinem höllischen Heere dicht über die Wipfel hinfuhr, als ob er alles zerbrechen und zerkrachen wollte. Da schrie der vermessene, wütende Bauer zu dem wilden Jäger hinauf: "Du ohle Prahlhans un unnütte Herumdriwer, wenn du mehr kannst as prahlen un krijailen, sau trecke meck moinen Wagen utèn Drecke!" (Du oller Angeber und unnützer Herumtreiber, wenn du mehr kanns als prahlen und krakehlen, so ziehe mir meinen Wagen aus den Dreck).
Kaum hatte der Bauer zum Schrecken des Knechts die unbesonnenen Worte gesprochen, als hoch aus der Luft tausend und abertausend Stimmen zurückriefen: "Da heste`ne! Da heste`ne!"
Mit Rauschen und Donnerkrachen fuhr der schwer Beladene Holzwagen zusamt den Pferden hoch durch die Luft und traf zerschmetternd den Bauern. Der fromme Knecht blieb unverletzt. Als er seinen toten Herrn nicht unter dem Wagen hervorziehen konnte, setzte er laut betend und sich bekreuzigend seine Weg fort und machte das ganze Dorf wach.
Vor Tagesanbruch wollte sich indes keiner ins Holz wagen. nachdem aber die Früh- und Betglocke die Luft gehörig gereinigt hatten, suchte man den Wagen und fand den ganz zerschmetterten bauern darunter. Hoch oben über dem Wagen hingen in der Eiche die Pferde, die beim Herabschlagen des Wagens sich mit ihrem Geschirr in den Zweigen verwickelt hatten und hängenblieben waren. -
Mein Eltervater (Großvater), der diese Geschichte meinem Vater oft erzählte, hat die Pferde mit eigenen Augen in der Eiche hängen sehen.
Der Eltervater war dazumal noch ein geringer Junge.
Der Blick durch den Erbschlüssel
Sehr schlimm ist es auch einem neugierigem Jungen ergangen, der noch spät im Holze Laub sammelte. Er hatte gehört, daß man sich dreist nach dem wilden Jäger umblicken könne, wenn man durch den Erbschlüssel* sehe. So hatte sich denn der Junge heimlich einen Erbschlüssel, den sein Vater vom Großvater geerbt hatte, mitgenommen.
Als es über ihm losging: "Giff, Gaff! Hoho! Hoho!", da machte er das eine Auge zu und sah mit dem anderen durch den Erbschlüssel in die Luft. -
Was der Junge aber da zu sehen bekam, hat er sein Lebtag nicht verraten können; denn er war von Stund an stumm, und keine zehn Pferde hätten ihn wieder ins Holz gebracht. Auch wurde er auf einem Auge blind und fiel der Gemeinde zur Last.
*ein geerbter Schlüssel, dergleichen man noch jetzt zu allerlei Aberglauben zu mißbrauchen pflegt.
Von den Zwölften
Die 12 Nächte vom 1. Weihnachtstag bis zum 6. Januar waren die Geister- und Totenzeit, dann jagte der wilde Jäger durch die Lüfte.
In dieser Zeit durfte keine Hausfrau die Wäsche haben oder gar die gewaschenen Stücke zum Trocknen auf die Leine hängen. Es würde ihrer Familie im kommenden Jahr Unglück bringen.
Zurück → Legenden, Sagen u.a.