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Das goldene Zeitalter der Landsknechte war eigentlich vorüber, aber die überall geworbenen Soldaten des Krieges unterschieden sich in Nichts als im Namen von jenen. Sie traten ganz in ihre Fußstapfen und hatten ihre Tugenden und ihre Laster geerbt. Tapferkeit. Rohheit und Zügellosigkeit. Derjenige Feldherr. welcher den meisten Sold auszahlte und am meisten rauben und plündern ließ, dem liefen sie haufenweise zu, für den verspritzten sie ihr Blut, einerlei, ob im Interesse der papistischen oder lutherischen Sache. Wer heute unter den Fahnen des Friedländers stand, kämpfte morgen vielleicht schon in den Reihen der Schweden oder Braunschweiger, oder umgekehrt. Geistige Interessen kannten diese Menschen nicht. Sie kämpften nur aus Eigennutz. Sie kämpften um zu kämpfen, um Beute oder um ihr Glück zu machen.
Am folgenden Nachmittage nach dem Einzüge der Brannschweig-Lüneburgischen Truppen waren bereits alle öffentliche Häuser von diesen Gästen angefüllt, und ganz besonders in dem Wirtshause „zum neuen Schaden“ gezecht, gejubelt und gelärmt. Hier saßen an einer langen Tafel zwanzig dreißig Soldaten der verschiedensten Waffengattungen. Sie tranken, fluchten, spielten Karten und Würfel, sangen zwischendurch ein Lied oder erzählten sich ihre Fahrten Abenteuer.
Etwas entfernt von dieser Gruppe saßen an einem kleiner Tische vier Dragoner, die das Kriegsgeschick zusammengewürfelt hatte und welche seit einiger Zeit anfingen, sich als Freunde zu betrachten und deshalb sich enger an einander schlössen. Sie tranken Wein aus Bechern und der älteste unter ihnen, Konrad Sommerfeld, rauchte dazu.
„Es ist doch eine närrische Sitte, Dampf aus dem Munde blasen“, meinte Hanns Adler, der den Kopf auf die Ellbogen gestützt hatte und seinen Kameraden kopfschüttelnd anblickte; „ich hab's auch `mal versucht wurde aber unwohl.“
„ Versuch's nur noch einige Male, wirft's schon lernen,“ entgegnete Konrad.
„Nein, ich will's nicht lerne,“ sagte der Andere, „weil's nicht patriotisch ist, denn die Schweden haben's eingeführt, und überdies ist's Sünde.“ Konrad lachte laut auf, und die andern beiden Kameraden, Martin Hensel und Henning Finke, fragten wie aus einem Munde: „Du bist ein Narr, wie kann das Rauchen Sünde sein?“
„Es steht geschrieben: was aus dem Munde geht, ist Sünde, und die Pfarrherren predigen‘s aller Orte,“ meinte Hanns, der seinen Becher in einem Zuge leerte und, aus Furcht vor Spott und Hohn das Gespräch abbrechend, die Freunde aufforderte, mit ihm noch einige Becher auszuwürfeln.
„Das ist ‘mal ein vernünftiger Einfall,“ sagte Martin, welcher, als die Knöchel auf dem Tisch rollten, die wenigsten Augen warf, und sich genötigt sah, die vier Becher auf's neue füllen zu lassen.
„Ich gäbe gern einige Becher zum Besten,“ meinte er, „wenn nur unsere Löhnung besser wäre! Kameraden,“ fuhr er mit Enthusiasmus fort, und schaute dabei bald den Einen, bald den Andern an, „der Wallenstein, sagt man, bezahlte besser, als der Braunschweiger.“
„Ja, das ist wahr,“ stimmte Konrad bei; „wäre der Friedländer vor drei Jahren nicht abgesetzt, ich wäre noch heute unter seinen Fahnen! Das ist ein Mann, der Wallenstein! In seinem Palaste zu Prag geht's großartiger zu, als am Hofe zu Wien – und wie liebt er seine Soldaten, wenngleich er streng ist – und wie großmütig ist er! – Kameraden, das Herz lacht mir im Leibe, wenn ich an ihn denke!“
„Er ist wieder am Ruder und in seine Rechte als Feldherr eingesetzt,“ erwiderte Henning. „Freilich ist er das,“ sagte Konrad. „und wenn sich nur eine günstige Gelegenheit bietet,“ setzte er leiser und durch die Höhlung beider Hände sprechend hinzu, „dann wollen wir fort von hier und unter seine Fahnen geh’n.“
„Ja das wollen wir!“ riefen die Übrigen einstimmig und, noch in Unkenntnis von der Ermordung des Gefeierten zu Eger, schon im Glück der Zukunft schwelgend.
„Ich war schon einmal, als geborner Braunschweiger,“ nahm Konrad wieder das Wort, „am Anfange des Krieges unter diesen Fahnen, aber ich ziehe doch die Friedländischen vor, denn nur dort ist nebst der Beute auch Ruhm und Ehre zu gewinnen! Ihr könnt mir's glauben, ich habe schon viel durchgemacht!“
„Erzähle uns deine Lebensgeschichte, „bat ihn Hanns, derr noch ein Neuling, gern Kriegsabenteuer hörte.
„Das ist bald geschehen,“ entgegnete Konrad. „In Braunschweig bin ich geboren und in Helmstedt habe ich studiert. Ich vertauschte, als im Jahre achtzehn der Krieg ausbrach, die Feder mit dem Schwerte, was mir späterhin noch mancher Professor nachgemach hat. Mit unserem Herzog Christian durchzog ich Norddeutschland und Westphalen. Sold bekamen wir nicht; wir lebten nur von Plünderung und Raub, namentlich der Kirchen, Klöster und der katholischen Geistlichkeit. Gottes Freund und der Pfaffen Feind! war seine Devise. In Münster war ich selbst dabei, als er in der Domkirche die zwölf Apostel, in Silber gegossen, vom Altar nahm. Es steht geschrieben, ihr sollt in alle Welt gehen; sagte er, und nahm sie mit. Als er sein Heer entließ, ging ich in dänische Dienste, wo ich unter Christian dem Vierten bei Lutter am Barenberge das Hasenpanier ergriff. Dann ging ich in kaiserliche Dienste und kämpfte unter Wallenstein, bis er abgesetzt wurde, und trat dann wieder in braunschweigische Dienste unter Herzog Georg, wo ich Euch kennenlernte. – Nun Hanns, Du als Jüngster kannst noch einmal einschenken lassen, ich bin durstig geworden.“
„Für Dich kann ich noch bezahlen,“ sagte dieser, und tat wie ihm befohlen, „aber dann ist mein Geld zum Teufel.“
„Ja, es wird Zeit, uns wieder etwas anzuschaffen,“ meinte Konrad; „wir können hier in Hildesheim nicht so trocken sitzen, müssen uns morgen ‘mal in der Umgegend umsehen, ob wir nicht von den Bauern ein Stück Geld oder Vieh erwischen können. Die armen Hildesheimer haben von Pappenheim zuviel gelitten. bei denen ist nicht mehr zu fischen.
„Auf's Land! Ja, morgen wollen wir auf's Land!“ riefen alle einstimmig; „und zwar,“ setzte Martin hinzu, „gen Sarstedt laßt uns ziehen, denn ich dachte überdieß morgen nach Sarstedt zu reiten, um meine Liebst zu besuchen.
„Was Teufel, Du hast in Sarstedt eine Liebste?“ rief Konrad.
„Als wir vor zwei Jahren den Pappenheim hier vertrieben, hat Martin sie kenne gelernt,“ sagte Henning. „Er hat sich schon längst danach gesehnt, sie wieder zu sehen. Katharine ist die Tochter eines Wirtes, und wahrlich eine hübsche Dirne. Laßt uns auf ihre Gesundheit trinken!“
„Vivat!“ riefen sie und stießen die Becher zusammen.
„Morgen also nach Sarstedt um Geld und Küsse zu holen!“ jubelte Konrad, der seine Pfeife auf den Tisch legte und im tiefsten Baß zu singen begann:
Nichts Schön‘res auf der ganze Welt,
Nichts Schön‘res kann es geben,
Als wem man als Soldat im Feld
Mit Wallenstein kann leben.
Stoß an, Kam‘rad und stimme ein:
Es lebe hoch der Wallenstein!
Er hatte kaum zu singen angefangen, als auch die übrigen Anwesenden ihre Spiele und Gespräche abbrachen, aufmerksam lauschten und dann am Schlüsse unisono den Refrain wiederholten. Konrad sang weiter:
Herr Friedland ist ein braver Mann,
Läßt Hunderttausend werben
Und in der Schlacht geht er voran
Zum Siege oder Sterben:
Das ganze Heer stimmt mit uns ein:
Es lebe hoch der Wallenstein
Wer hat sich jemals Ruhm und Ehr‘
Wie Wallenstein errungen?
Wer hat wie er ein schöner Heer,
Soldaten aller Zungen?
Von Welschland bis zum deutschen Rhein
Erschallt ein Hoch! dem Wallenstein.
Er ist des Kaisers rechte Hand,
Der ihn nicht kann entbehren;
Aus Neid hat er ihn einst verbannt,
Doch eingesetzt in Ehren.
Der Kaiser selbst stimmt mit uns ein:
Es lebe hoch der Wallenstein!
Darum von Friedlands Ehrenfahn‘
Ich niemals ab mich wende,
Ich will ihr treu zu Diensten stah‘n
Bis an mein selig Ende.
Dann soll mein letzter Seufzer sein:
Es lebe hoch der Wallenstein!
Text-Quelle:
W. Andreä, Erheiterungen - Eine Hausbibliothek der Unterhaltung und Belehrung - "Pappenheim - Hildesheim"; Verlag Karl Müller & Co. in Stuttgart; 1867, Band 39, Seite 82ff