Hierum handelt es sich um kleine, bunte Glasfenster, in denen sich das ehrsame Glaserhandwerk zur Volkskunst entwickelt. Bei Richtfesten, Hochzeiten und anderen Feiern beschenkten sich die Nachbarn mit solchen bunten Scheiben, die von dem bei solchen Gelegenheiten reichlich fließenden Bier den Ehrennamen „Fenster-Bier“ erhielten.
1665 versuchte die Obrigkeit dem Fensterbier mit einer Verordnung ein Ende zu machen. Sie wurde herausgegeben im Auftrag des „Hochwürdigsten Fürsten und Herrn, Herrn Maximilian Heinrichen, Ertz-Bischoffen zu Cölln deß Heiligen Römischen Reiches durch Italien Ertz-Cantzlern und Churfürsten, Bischoffen zu Hildesheim und Lüttig“. Sie lautete wie folgt:
“Weilen auch bey den Fenster beschencken gemeinlich große gastmählen angerichtet werden / und dabey oftmals mehr / als die geschenckte Fenster wehrt seyn / auffgehet und verzehrt wird, So soll solch fenster beschencken oder Gastmal gäntzlich verbotten und abgeschaffet seyn / bey 10 Thaler Straffe / jedoch wird hierdurch Niemand benommen / seinem guten Freund ein Fenster zu schencken“.
Jedoch machte erst der moderne Städtebau im 19. Jh. dem Fensterbier ein Ende.
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Wegen des entgehens der Taufgebühren mußten im "Hildesheimschen" kinderlose Eheleute an den Pastor jährlich einen Hahn entrichten, eben den „Geduldhahn“.
Zu den vielen vergessenen und untergegangene Bräuchen gehörte auch der „Hanswurst“ während der Fastnachtszeit. Dieser Brauch war noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert in Hildesheim üblich:
Am Fastnachtsmontag, gleich nach Schulschluß, versammelte sich die Kinderwelt im Langen Hagen vor der Maurergesellen-Herberge. Dort trat der Hanswurst auf, meist ein zugereister Maurergeselle oder aber der Hausknecht der Herberge.
Aus allen Kinderkehlen ertönte der rhythmische Gesang:
„Hans hät Hosen an, dä sind bunt, sittet zwei Flicken an, die sind rund.“
Hans ließ nicht lange auf sich warten, er stand vor dem Fenster, dann plötzlich guckte er aus der Bodenluke, warf eine Handvoll Nüsse, Kringel, Pfennige oder Äpfel in den Kinderhaufen, und die Jugend sang:
„Hans, kumm herröt, höer is doine Bröut!“
Blitzschnell stürzte Hans mit dem „Britschebrett“ in die Menge, die mit dem Ruf: „Hei kummt!“ nach allen Himmelsrichtungen hin auseinanderstob. Nun suchte Hans die Kinder ins Haus zu locken und machte tausend Versprechungen, wer aber den Worten glaubte und mitkam, wurde mit Wasser begossen.
Wenn Hans zu sehr sein Britschebrett auf den Rücken der Kinder versuchte, so gröhlte die Schar:
„Hans is en Groverjahn, hat meck upp’n Kopp e’slan!“
Dann spielte man schließlich den letzten Trumpf aus, das lustige Volk sang:
„Hans hät sine Bröut upper Neustadt verloren, da ist de Hans en Hanswost e’worn!“
Und so ging es fort bis in die Dämmerung.
Text-Quelle:
G.Seifert: Allgemeiner Heimat-Kalender, Fastnacht in Hildesheim, Gerstenberg 1973, Hildesheim, S. 47f
Die "Martinsgabe" ist ebenfalls ein alter, vergessener Brauch im Hildesheimer Land.
Um "Martini" (11. November) gingen abends vermummte Kinder in der Stadt umher und erbaten sich, singend:
„Appel, Nötte, Beeren ät wi Kinder geerne“.
(Äpfel, Nüsse, Beeren essen wir Kinder gerne)
Pfingsten war das Fest der Hirten; sie feierten gemeinsam auf dem Pfingstanger.
Dort errichteten die Hirtenjungen aus Birkenzweigen eine Laubhütte, in der sie in dieser Zeit übernachteten. Am Nachmittag des zweiten Pfingsttages nahm hier ein sonderbarer Festzug seinen Anfang.
Ein junger Bursche, meist derjenige, der am Morgen am längsten geschlafen oder sich sonst verspätet hatte, wurde mit Maien umkleidet, so daß man nur seine Füße sehen konnte (siehe Foto); man hatte ihn bekränzt wie den „Pfingstochsen“.
Er war nun der Mai- oder Pfingstkönig, auch Maibär oder Pfingstkeerl wurde er genannt. Einen ungeheuren Kopfputz mußte er tragen, in ihr hing eine Glocke, die bei jedem Freudensprung „bimmelte". Zu seiner Ausrüstung gehörte außerdem ein langer Hakenstock, mit dem er Kinder und Hunde zu fangen versuchte.
Dem König voran schritten die „Umklapper“, fünf oder sechs junge Burschen mit langen Peitschen. Den Vorrang hatten hierbei die Pferdejungen. An ihren Mützen trugen sie Sträuße von grellfarbigen Papierblumen mit „Knittergold und Knasterblank“ und langen flatternden Bändern.
Der Pfingstumzug machte, sobald er im Dorfe angekommen war, vor jedem Bauernhaus Halt. Nachdem ordnungsgemäßen Aufstellung genommen war, begann ein Peitschenkonzert. Der Vorklapper gab den Takt an. Dabei machte der Pfingstkönig seine Luftsprünge. Je kräftiger es knallte und ballerte, desto schöner galt diese Musikaufführung. War das Konzert beendet, dann gingen die Klapper ins Haus, und auf der "Dähle" (Diele) trat der Vorklapper vor, um der Hausfrau seinen Spruch zu tun. Er lautete:
"Höier kummt de Könnig vom Pfingstanger,
Lett jeck bidden um’n half Schock Eier.
stücker föiwe, sesse Ligget in juem Neste.
Stücker föiwe, foffteine,
maket jue nest reine,
Stöit upp’n Wöimen.
snöiet dünne Schöiben,
trecket’r mit’n Kamme dor.
Seggt: die Kättje herrt e’dahn.
De kättje wird belogen,
De Häre wird bedrogen.
Gewet, gewet’n Könnige wat,
hei het lange nix e’hat
In Jahr un Dage nich.
De raiken Hären
gewet geern!“ *
Die erhaltenen Gaben und Geschenke wanderten in eine große Tobelkoipe. Der König verlangte noch eine besondere Gabe und rief: „Pfingstmai, meck ook en Ei!“ worauf er aber eine drastisch-derbe Antwort erhielt.
Dann ging es weiter zum nächsten Bauernhofe, und so fort, bis das ganze Dorf „abgeklappert“ war. Danach bewegte sich der Zug zum Pfingstanger zurück, und hier wurden die gesammelten Nahrungsmittel gemeinsam verzehrt.
* Die Burschen bitten um Eier, welche die Hausfrau vom Wöime holen soll. Gleichzeitig fordern sie Speck, um die Eier zubereiten zu können. Die Frau soll von der Speckseite dünne Scheibenabschneiden und die Speckseite dann mit einem Kamme ritzen, damit es aussehe, als habe die Kattje mit ihren Krallen den Speck gestohlen, so soll sie sagen, wenn der Herr der Hausfrau Vorhaltungen über den schnellen Verbrauch der Speckseite mache, sie soll dann die Katze die Schuld geben.
Text-Quelle:
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Es war in der Stadt Hildesheim seit alters her Brauch, das unter öffentlicher Autorität alljährlich eine politisch - religiöse Farce unter dem Namen: „das Laufen der Schauteufel“ oder „das Laufen der Teufel zur Schau“ aufgeführt wurde.
Der Sinn war die bildliche Darstellung, das durch Christus Geburt der Teufel als Feind und Nachsteller des Menschengeschlechts gedemütigt wurde.
Die Schauteufelei war eine Art Maskerade, die in einer Prozession durch die Stadt von Verlarvten (maskierten) aus der vornehmen Bürgerschaft bestand, und den Maskierten war nach der Prozession erlaubt, in den Straßen allerlei Neckereien zu treiben.
siehe auch Sage "Der Schauteufellauf"
Text-Quelle:
"Beiträge zur Hildesheimer Geschichte “; Gerstenberg-Verlag Hildesheim; 1829, Band I
Nach der Schlacht bei Soltau wurde Fastnacht 1520 der „Schevekloth“, ein Kegelspiel (Kehraus), aufgeführt, in dem Bischof Johann IV. als Brillenmacher auftrat und dem (unterlegenen) Stiftsadel so derb und kräftig die Wahrheit sagte, daß ein adeliger Zuhörer mit dem Schwerte dreinfahren wollte.
Der „Schevekloth“ wurde später im Kreuzgang des Domes bildlich festgehalten. (siehe Bilder unten)
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Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Selbstverlag der Provinzverwaltung; Hannover 1911, Band II, Heft 4, Teil 2, Seite 25
Vor dem Beginn der im Mittelalter vielbefahrenen Wallfahrt nach Aachen (Akenfahrt, Aquerfahrt, Achfahrt), wurden alle sieben Jahre auf dem Markt ein, mit einer Inschrift – wahrscheinlicher jedoch mit einem auf die Wallfahrt Bezug nehmendes Bild – versehendes Schild an einem Baum oder Pfahl befestigt, eben an den „Schildbaum“.
Nach einer Hildesheimer Chronik wurde im Jahre 1545 "um Michaelis" (29.9.) der Schildbaum zur Aachenfahrt zum letzten Male gesetzt, da die Stadt die lutherische Lehre angenommen hatte.
Der älteste Schildbaum war wohl ein auf dem Marktplatz oder auf dem "Thie" in die Erde gestoßener Speer mit einem daran hängenden Schild. Dieses offenkundige, aus der Waffe bestehendes Zeichen deutete der Gemeinde oder Bauerschaft an, daß sie auf dem "Kriegsfuße" stehe und sich zu einem bevorstehenden Kriegszug zu rüsten haben.
Anderen Quellen bezeugen jedoch auch, daß man auf dieser Weise auch zu Wasserspielen, Wallfahrten und Pilgerreisen einlud.
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