Als älteste Nachricht über eine politische Betätigung der Stadt Hildesheim außerhalb ihres Bezirks gilt die um 1267 entstandene Beschwerde der Stadt, gemeinsam mit Braunschweig, Goslar und den übrigen sächsischen Städte gegen die Stadt Gent über deren Repressalien an Gütern als Vergeltung für Beraubung Genter Kaufleute auf sächsischem Gebiete. Die erste städtische Urkunde ist jedoch viel älter, sie wurde ausgestellt 1217 vom Vogt und der ganzen Gemeinde zu Hildesheim in ihrem Gemeindehaus (in domo communionis Hildenseum), sie trägt das Stadtsiegel mit dem Bilde des hl. Godehard.
War anfänglich die Stadt in ihren Urkunden durch sogenannte Zeugen, in der Regel durch 5, 7, 9 oder 12, in der genannten Urkunde sogar durch 20, vertreten, so kommen zum ersten Male sogenannte Consules im Jahre 1240 vor; diese an Zahl schwankend. Noch um diese Zeit war die eigentliche Vertretung der Stadt der Vogt, der Rat und eine Anzahl Bürger; das erste Stadtrecht um 1250 geschrieben, bestimmt im wesentlichen Gerichtsbarkeit und Einkünfte des Vogtes. Das zweite Stadtrecht von ca. 1300 spricht von Ratmannen, im Gegensatz zu den burgenses des ersten.
Die erste selbständige politische Tätigkeit der Bürgerschaft ist das Bündnis von 1256 mit dem Herzog Albrecht von Braunschweig, sowie das mit Goslar, ein gegenseitiges Schutzverhältnis zur Wahrung gemeinsamer Interessen.
Schon zu Zeiten Bischofs Siegfried II. nimmt das städtische Leben lebhaft zu; die aristokratischen (alten bürgerlichen) Geschlechter besitzen den leitenden Einfluss im Rate; Mitglieder der Ritterschaft, des Adels, bischöfliche Litonen (= Leute des Bischofs), Klöster erwerben Grundbesitz und Bürgerrecht, ebenso gewinnen die Handwerker durch Zusammenschluss zu Innungen Einfluss auf das städtische Gemeinwesen.
Um 1300 wurde dann unter Zugrundlegung des älteren von 1249 ein neues Stadtrecht aufgestellt, das die Stellung des Vogtes, seine Rechte und das Zeugenwesen, Rechte von Bürgern und Fremden, Gerichtswesen, bürgerliches Recht, politische Stellung der Bürger, der Leute des Bischofs, der Domherren und des Stiftes zueinander, Zollwesen, Form der Ratsbriefe, die städtischen Ämter, Familienrecht sowie allgemeine polizeiliche Bestimmungen usw. enthielt.
Der Rat bestand damals aus 36 Ratmannen, je ein Drittel tritt alljährlich zurück, um im vierten Jahre wieder Dienst zu tun. Das Amt war lebenslänglich, so daß die Vertretung der Stadt eine aristokratische, aus einer kleinen Zahl von alten Familien sich ergänzende war.
Interessante Familiennamen jener Zeit sind die Frese, die von Damme, die vom Ostertor, die Bockel.
Nach 1300, zuerst mit dem jahre 1330, beginnen dann die ersten Kämpfe mit dem Nachbar, der Dammstadt. Nunmehr treten neue Elemente in der Verwaltung der Stadt auf; die Zwistigkeiten zwischen der Bürgerschaft begünstigten die Mitwirkung der handwerktreibenden Bevölkerung in städtischen Angelegenheiten. Die Korporation der Gilden erhält eine maßgebende Stellung zwischen Rat und Bürgerschaft, ihr sechs Mann starker Ausschuß, gewählt aus der Mitte der Innungen und der Gemeinde, enthält zwei Vertreter aus Schuhmacher- und Kramergewerbe. Nach langen Kämpfen wird diesen Sechsen Vollmacht zur Aufstellung eines neuen Rates erteilt, der ihre Befugnisse übernimmt. Es wurden 1345 gewählt: 12 aus dem alten Rat, 12 aus den Ämtern (Innungen, Handwerkerstand), 12 aus der Bürgerschaft; zwei Bürgermeister walten als Vorsteher.
Äußerlich war diese Zeit kenntlich durch den Umbau des Rathauses in den Jahren 1443-1445 unter Leitung des Ratmannes Kord Götting. In der Laube waltete der bischöfliche Vogt seines Amtes, in der Ratshalle selbst, dem Gewandhaus, waren die Buden der Gewandschneider, der Vertreter des Tuchhandels, der nach Zerstörung der Dammstadt hier weiter blüht.
Es werden damals von städtischen Würdenträgern genannt: Neben drei jährlich wechselnden Bürgermeistern, die aus den Geschlechtern der Galle, Sledorn, Luceke, Vernevessen, Pepersak, Schönhals gewählt wurden, ist der Stadtschreiber tätig, später noch ein Unterschreiber; ferner die Kämmerer, der Baumeister, der Stadthauptmann als Führer der Söldner, die die Ratmänner zu den Tagfahrten (= Sitzungen) geleiteten. Markt- und Sittenpolizei übte der Marktmeister, peinliche Strafen vollzog der anfangs aus Hannover hinzugezogene Scharfrichter, später ein Zuchtmeister; drei Bürgerboten und ein Läufer vermittelten die Ratsbotschaften. Dazu treten weiter Unterbeamte, Wagenmeister, Makler, Hopfenmesser, Bierzapfer usw.
Wichtige Dinge des Stadtregimentes waren laut Rezess von 1436 erst nach Rücksprache der Vertreter der Ämter und Gilden mit den Gildemeistern und je drei Gewählten der Bäuerschaften vorzulegen, in großen Fragen mußte er direkt mit Ämtern, Gilden und Bürgerschaft verhandeln.
1444 wird das Wahlrecht grundlegend geändert: Die Bürgerschaft wählt je drei Männer aus den Ämtern und Gilden, diese je drei aus der Bürgerschaft, die tüchtigsten und besten, die nicht im Rat waren. Diese zwölf wählten zum Rate nach geleistetem Schwur die 24 Besten, die sie in Hildesheim wussten, von denen zwölf den sitzenden, zwölf den Nachrat bildeten. Jene ersten ergänzten sich dann durch je sechs Personen aus Bürgerschaft und Gewerben. Die 24 zusammen hatten die Lutterung, d. i. die Auslese ungeeigneter Elemente aus dem Rate, zu besorgen. Ein Jahr später gestaltete man diese komplizierte Systems einfacher, so daß schließlich 1449 ein Rat von 24, davon zwölf der sitzende Rat, jährlich mit den übrigen, dem Nachrat wechselte, dazu die 24 Mann als bürgerliche Vertretung.
Oberhaupt des sitzenden Rats war der amtierende Bürgermeister, dem der zweite Bürgermeister zur Seite stand. Zwei andere Mitglieder dieses Rates hießen Riedemeister, die übrigen Senatoren. Vorsitzender der 24 Mann war der Sprecher. Beraten wurde in Sitzungen, einzelne bestimmte Geschäfte wurden in Kommissionen erledigt.
Diese Einrichtung, in Notfällen verstärkt durch Hinzuziehung der Älterleute der Gemeinde, Ämter, Gilden und Bäuerschaften (z.B. 1500 infolge der bedrohlichen Finanzlage) blieb dauernd.
Im 16. Jahrhundert waren trotz aller Verträge zwischen Alt- und Neustadt doch die Schwierigkeiten so gestiegen, daß eine Vereinigung beider Städte die einzige Lösung blieb. Sie wurde durchgeführt und vereinbart, daß die ursprünglichen Behörden jeder Stadt verblieben, daß aber für gemeinsame Angelegenheiten ein Samtrat, gebildet aus Mitgliedern des Rates beider Städte, tagen sollte. Der Unionsvertrag wurde am 15. August 1583 geschlossen und durch Bischof, Dompropst und Kapitel genehmigt.
Textquelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Bürgerliche Bauten; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 37f