Beim Unionsvertrag handelt es sich um den am 15. August 1583 zwischen der Altstadt und der Neustadt Hildesheims abgeschlossenen Vertrag, mit dem sich beide Gemeinwesen für die Zukunft zusammenschlossen.
Seit Gründung der Neustadt (vor 1221) hatten immer wieder Streitereien und Prozesse das Verhältnis der konkurrierenden Städte geprägt. Über eine punktuelle Zusammenarbeit war man nie hinausgekommen. So verwundert es nicht, daß dem Vertragsabschluß zweijährige intensive und mehrfach unterbrochene Verhandlungen vorausgingen. Treibende Kraft blieb die Altstadt, die eine möglichst enge und natürlich von den Altstädtern dominierte Union anstrebte, während die Neustadt zu Recht die Befürchtung hegte, „untergebuttert“ zu werden und deswegen anfangs eine losere Einung bevorzugte, die keine Änderung in den Bereichen Verfassung, Wirtschaft und Steuern mit sich gebracht hätte.
Von dem Unionsvertrag existieren insgesamt zwei Urkundenpaare, insgesamt also vier Exemplare. Sie sind inhaltlich zwar alle identisch, doch wurden die Urkundenpaare von unterschiedlichen Gremien der beiden Städte gesiegelt.
Alle Vertragsurkunden enthalten den in 48 Paragraphen gegliederten Text auf Pergamentblättern, weichen allerdings in der Größe und Anzahl der Seiten voneinander ab, wobei lediglich ein Exemplar zusätzlich in einen leeren Pergamentbogen eingeschlagen wurde. Warum wurden nun vier Urkunden ausgestellt und für wen waren sie bestimmt?
Selbstverständlich wollte jede Vertragspartei ein Exemplar der Urkunde erhalten und bei sich verwahren. Doch hier sind zwei Urkundenpaare ausgefertigt worden, die sich nur durch die Anzahl der anhängenden Siegel unterscheiden. An dem einen kleinformatigeren Urkundenpaar hängen an gelb-roten Seidenschnüren je zwei Wachssiegel: das große Siegel der Altstadt und das Siegel der Neustadt. Die Führung dieser Siegel oblag dem jeweiligen Rat. An dem anderen Urkundenpaar hängen dagegen jeweils 13 Siegel (bei einer Urkunde sind allerdings zwei Siegel verlorengegangen). Gesiegelt haben bei diesem Urkundenpaar erneut der Rat der Altstadt und der Neustadt sowie zusätzlich die einflußreichsten Zünfte der Altstadt (Schuhmacher- und Gerberamt, Knochenhaueramt am Kleinen Markt, Knochenhaueramt auf dem Großen Markt, Bäckeramt, Kramergilde, Gewandschneidergilde, Tuchmachergilde, Kürschnergilde, Knochenhaueramt Auf den Steinen und Schmiedegilde; das Leineweberamt hat nicht gesiegelt) und die Bürgerschaft der Hildesheimer Altstadt.
Da die Konsequenzen einer Union bedeutend waren, wollten die beiden Städte sie offensichtlich nicht nur stellvertretend durch den Rat, sondern auch „selber“ vollziehen. So gibt es einen Unionsvertrag, dem die beiden Räte durch Anbringung ihrer Siegel zustimmten und einen, den die beiden Städte durch die Siegel ihrer einflußreichsten Vertreter (Rat, Zünfte und Bürgerschaft) beglaubigten, wobei die Neustadt an beide Urkundenpaare nur ein und dasselbe „gewontlige sigill“ (gewöhnliche Siegel) anbringen ließ. Alle Verträge sind – wie oben bereits gesagt – textlich identisch.
Bleibt nur noch, die wichtigsten Veränderungen im „neuen“ Hildesheim herauszustellen.
Zukünftig sollten beide "stette" eine Stadt sein, davor geachtet und gehalten werden und durchaus Hildesheim genannt werden. Es gab ein einheitliches Bürgerrecht mit "einerley burger, die alle Hildesheimische burger heiszen". Die Verwaltung erfolgte nun durch einen (Ge-)sambtrath, der aus den 24 Ratsherren der Altstadt und vier neu hinzukommenden Ratsherren der Neustadt gebildet wurde. Jeweils die Hälfte dieses Samtrates (12 Ratsherren der Altstadt und zwei der Neustadt) bildete für ein Jahr den „Sitzenden“ (aktiven) Rat, während die andere Hälfte aus dem „Nachrat“, d.h. dem nachfolgenden Rat, bestand. Auch in die beiden anderen Verfassungsorgane der Altstadt sollten jeweils vier Personen aus den entsprechenden Gremien der Neustadt zugesatzt werden. Dies waren die so genannten vierundzwantzich mannen, die aus den Zünften und der (Allge-)Meinheit stammten, die Ratsherren lutterten – d.h. auf ihre Lauterkeit untersuchten – und dann den neuen Rat wählten,und die Olderleuthe (Älterleute), die ebenfalls aus den Zünften und der Meinheit kamen und die 24er zu luttern hatten.
Die Neustädter Zünfte wurden aufgelöst, ihre Amts- und Gildehäuser sollten "zu gelde" gemacht werden. Unverändert getrennt blieben die Finanzverwaltung, die städtische Gerichtsbarkeit, die Kirchen-, Schul- und Hospitalangelegenheiten. Natürlich gab es auch nach vollzogener Union noch reichlich Anlaß für Reibereien, die sich mehrfach zu erbitterten Streitigkeiten auswuchsen.
In der anfänglichen Großen Freude hatte man den 15. August zum alljährlichen Festtag erklärt. 1677 schaffte ihn die Neustadt ab und ersetzte ihn durch einen Buß- und Bettag. Vielleicht aus diesem Grund hielt es der Samtrat für angebracht, die Vorteile der Union in Erinnerung zu rufen, und veranlaßte noch im selben Jahr 1677, daß der Vertragstext nach dem wahren Original ... zum Druk befo(r)dert wurde.
Es dauert meistens doch etwas länger, bis zusammen wächst, was zusammen gehört.
(im Original übernommen)
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