1300 entstand das erste eigene, vom Bischof gänzlich unabhängig formuliertes umfängliches Hildesheimer Stadtrecht zur Regelung der inneren Angelegenheiten. Und da es ein Recht des ganzen Volkes werden mußte, so sprach es auch nicht mehr wie einst die Vogtstatuten in lateinisch, sondern in der heimatlichen, die der deutschen Sprache zu den Hildesheimern.
In seinen ersten 50 Abschnitten ist dieses Recht in der Hauptsache eine Wiederholung jener alten Satzung von 1249, die wörtlich und ohne Zusatz, wenngleich teilweise in veränderter Anordnung niedergeschrieben.
Den größten Teil jedoch, nämlich die folgenden etwa 125 weiteren Punkte, bildete das eigentlich neue Stadtrecht. Diese neuen Abschnitte beinhalten hauptsächlich jene, die das Erb- und Familienrecht weiter ausbauen, eine ausführliche Zollrolle aufstellen, vor allem jedoch den Geschäftskreis der Ratsregierung genau festlegen.
Vom vormals mächtigen, bischöflichen Vogt hört man fast nichts mehr. Da wo er noch erwähnt wird, wird vornehmlich von seinen Pflichten gegen die Gemeinde gesprochen. Und überall sieht man das Bestreben, diese Vogtsgewalt planmäßig einzudämmen. Man sichert sich in einer neuen Bestimmung – die selbst seine Verbannung aus der Stadt auf Jahresfrist vorsieht – gegen die Parteilichkeit des Vogtes. Man verlangt von ihm schnelle Rechtsprechung, untersagt ihm „bei Buße“ an den Rat Geschenkannahme in seiner Richtereigenschaft, verpflichtet ihn fest auf das neue, doch ohne sein und seines Herren, dem Bischof, Zutun aufgeschriebene Stadtrecht und bindet ihn durch den Zwang Schoß zu zahlen, enger an die Gemeinde. Dieses bedeutet zwar nicht, das der bischöfliche Vogt geradezu „Bürger“ der Stadt wurde und sich somit der städtischen Regierung förmlich unterstellen mußte, so lag doch immerhin der Wille der Bürger vorhanden, sich nicht mehr „Fremdens“ Willen zu unterwerfen.
Die Niederschrift des Hildesheimer Rechts verdient um so größere Beachtung, als dieser Sieg bei uns bereits zu einer Zeit errungen wird, wo die Geschlechterherrschaft in den meisten anderen Städten noch ganz ungebrochen stand.
Dem Zutritt in den Stadtrat war bisher dem Patriziat vorbehalten. Mit dem neuen Stadtrecht von 1300 wird nun jedoch den Handwerksmeistern der Gerber, Knochenhauern, Bäcker und Schustern, also den Ämtern, die Möglichkeit gegeben in den Stadtrat gewählt zu werden – jedoch nicht versiegelt. Die Möglichkeit indessen, daß sie Ratsherren würden, ist durch die Verordnung festgestellt, daß in diesem Fällen ihre Rats- den Innungspflichten vorzugehen hätten.
Grundsätzlich zum mindesten endete somit im Jahre 1300 auch die Alleinherrschaft des Hildesheimer Patriziats.
(Im Original übernommen)
Text-Quelle:
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Johannes H. Gebauer, „Geschichte der Stadt Hildesheim“; A. Lax-Verlag Hildesheim, 1922; Band 1, Seite
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