Die Entstehung der Hildesheimer „Bäuerschaften“ (Stadt-, bzw. Bürgerschaftsbezirke) wird in der Zeit um 1300 vermutet.
Der Zweck dieser Organisation war die schnelle Ausführung der stadtbehördlichen Anweisungen. Für die Durchführung sind die 6 „Burmester“ zuständig. Sie hatten, ohne eigene Verantwortung, allein die ihnen zugegangenen Befehle auszuführen. Von diesen Bäuerschaften bildete die Majoris- oder Große Bäuerschaft (Majoris-Bauernschaft) im Viertel des altstädtischen Marktes und der St. Andreaskirche den Kern. Die Jacobi-Bäuerschaft lehnte sich an sie im Norden und die Bäuerschaften von St.Georg (St.Georg-Bäuerschaft) im Osten zwischen „Sack“ (im Bereich der heutigen Schuhstr.) und „Rosenhagen“ an. „Sudorum“ (Sutorum-Bäuerschaft) nannte sich wohl nach der Schuhstraße der vierte Stadtbezirk, der vom „Fegefeuer“ (der heutigen Andreasstr.) bis zum „Eselstiege“ (Friesensstieg) reichte und später durch den „Brühl“ erweitert wurde. Als „Indago“ (Indago-Bäuerschaft) erscheint die Hagenbäuerschaft, der östliche Teil des Alten Marktes und was nördlich davon zwischen der Burgstraße und dem Straßenzug „Hölle“ (Kurzer Hagen) lag. Den Rest des altstädtischen Gebietes zwischen Domburg, „Wohl“ und Innerste nimmt die „Lapidis“- oder „Steinbäuerschaft“ (Lapidis-Bäuerschaft) ein.
Als angesehenster Bezirk galt dabei „Majoris“, wohl, weil es einst der Ausgangspunkt der freien Stadtgemeinde geworden war. Durch Wohlstand war später, weil hier die reichen Brauer wohnten, besonders die St. Georgi-Bäuerschaft ausgezeichnet. Am ärmlichsten stand jedoch im Allgemeinen der „Lapidisbezirk“ da.
In der Neustadt bestanden die Schuhbäuerschaft, Goschenbäuerschaft und die Wollenweberbäuerschaft.
Die Einwohnerzahl der Altstädter dieser Zeit ist schwer zu errechnen. Nach den Steuerlisten von 1404 wurden 1141 Personen zum „Bürgerschoss“ (Steuer) veranlagt, 1450 wurden es bereits 1477 und 1520 fast 2000. Aus solchen Zahlen hat man für die Zeit um 1400 eine städtische Bevölkerung von rund 4500 Personen errechnet, die 1450 auf etwa 5900 anwuchs.
Schließt man die „Freiheiten“ (Flecken; Ortschaften mit eingeschränktem Stadtrecht) sowie die „Neustadt“ ein, so werden im Gesamtbereich der Hildesheimer Siedlungen bis zu 11.000 Einwohner als ortsanwesend annehmen können.
Während Hannover im Jahre 1435 nur etwa 5000 Einwohner hatte, so stellte Hildesheim in jedem Fall eine für mittelalterliche Zustände durchaus ansehnliche Stadt dar.
Bäuerschaften der Altstadt:
Hagen-Bäuerschaft = Indago-Bäuerschaft
Jacobi-Bäuerschaft
Lapidis-Bäuerschaft = Stein-Bäuerschaft
Majoris-Bäuerschaft = Große Bäuerschaft
St. Georg-Bäuerschaft
Sudorum-Bäuerschaft
Bäuerschaften der Neustadt:
Goschen-Bäuerschaft = Mittel-Bäuerschaft
Schuh-Bäuerschaft
Wollenweber-Bäuerschaft
brulo
Vor der Hagenbäuerschaft war selbstständig die Brühlbäuerschaft
auch: Hagaebäuerschaft, Indagobäuerschaft
Diese Bäuerschaft erstreckte sich vom östlichen Teil des Alten Marktes und allem, was nördlich davon zwischen der Burgstraße und dem Straßenzug „Hölle“ / Kurzer Hagen lag.
Enthält Straßen und Plätze des Viertels zwischen Eckemeckerstraße, Alter Markt, Burgstraße, Klosterstraße, Michaelisplatz, Michaelisstraße (Nr. 27-39), Langer Hagen, Rolandstraße, also den Bezirk mit den beiden ältesten Hauptstraßen Langer Hagen und Alter Markt, das Viertel nördlich der Domburg, ältere Altstadt.
Die Jacobi-Bäuerschaft lehnte sich nördlich der Majoris-Bäuerschaft an.
Enthält Straßen und Plätze des Viertels zwischen Vorderem Langen Hagen, Almsstraße, westliche Marktstraße bis Seilwinderstraße, die westliche Hälfte des Rosenhagen bis zur III. Querstraße und die rechte Seite der Michaelisstraße gruppiert um die Jakobikirche.
auch: Lapidis-Bäuerschaft; lapidum
Dieses Stadtviertel war im Mittelalter das „Arme-Leute-Viertel“ der Stadt. Es lag zwischen der Domburg, dem Wohl und der Innerste.
Umfaßt Straßen und Plätze von Domhof und Pfaffenstieg, das Viertel westlich der Domburg, die Burgstraße von Nr. 1-23 und 34-49, Mühlenstraße, Susternstraße, sowie der Alte Markt von Nr. 17-60.
auch: Majoris-Bäuerschaft; villa major
Die Majoris-Bäuerschaft lag im Viertel des altstädtischen Marktes und der St. Michaeliskirche.
Sie galt als "angesehenster" Hildesheimer Bezirk.
Enthält Straßen und Plätze des Viertels zwischen Scheelenstraße, Marktstraße, Hoher Weg, Teile des Andreasplatzes, Friesenstraße und Friesenstieg, also den Bezirk um das Rathaus, die jüngere Altstadt.
auch: Georgii-Bäuerschaft
Die St. Georg-Bäuerschaft lag östlich der Majoris-Bäuerschaft zwischen dem Sack und dem Rosenhagen.
Enthält Straßen und Plätze des Viertels zwischen östlicher Marktstraße bis Seilwinderstraße, dem östlichen Rosenhagen bis zur dritten Querstraße, der nördlichen Osterstraße bis zum I. Rosenhagen, gruppiert um die Kirche St. Georg in der Osterstraße.
auch: Sudorum-Bäuerschaft
Diese Bäuerschaft wurde wohl nach der Schuhstraße genannt.
Sie reichte vom „Fegefeuer“, der heutigen Andreasstraße bis zum Eselstieg - später bis zum Brühl.
Umfaßt Straßen und Plätze zwischen dem Gebiete am Platz, Vorderer Brühl, gelber Stern, Lappenberg, Godehardiplatz, hinterer Brühl, Hückedahl, Bohlweg, Rolandstraße, Eckemeckerstraße, Andreasplatz.
auch: Mittelbäuerschaft
Die Goschenbäuerschaft umfaßt das südöstliche Viertel der ehemaligen Neustadt: Annenstraße, Osthälfte der Goschen- und Keßlerstraße, Ostseite der Knollenstraße und einige Häuser der Güntherstraße.
Enthaltend die Südseite der Güntherstraße und Annenstraße, die südliche Hälfte des Neustädter Marktes, Knollenstraße und Keßlerstraße bis zum ehemaligen Goschentore.
Die Neustädter („Schu“)bäuerschaft, enthaltend Straßen und Plätze zwischen der Braunschweigerstraße, Annenstraße, nördliche Seite der Güntherstraße, Neustädter Markt Nordseite.
Die Wollenweberbäuerschaft, umfassend die Straßen und Plätze innerhalb der Wollenweberstraße, Keßlerstraße, Knollenstraße, Kehrwieder, Lappenberg und Friesenstieg.
Text-Quelle:
[1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 187f