„Im Jahre 1236 erschien die erste Erwähnung eines „Konsuln“ in Hildesheim. Der dem italienischen Entnommene Name bezeichnet die erste Selbstverwaltungskörperschaft der Stadt
Um 1250 besteht der Rat aus 36 Personen (Konsuln) von denen aber nur ein Ausschuß von 12 Ratsherren die täglichen Geschäfte führt. Die übrigen 24 werden wohl lediglich bei wichtigen Angelegenheiten zugezogen oder mit besonderen Aufträgen betraut. Dieser Gesamtrat zerfällt mithin bereits in jene drei Abteilungen, für die seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts die Bezeichnung als „sitzender“, „Vor-„ und „Nachrat“ belegt sind, je nachdem die Herren ihren Dienst im laufenden Jahr versehen, ihr eigentliches Amtsjahr soeben hinter sich oder wieder vor sich haben. In jedem vierten Jahr zeigt sich also der engere Geschäftsausschuß im Wesentlichen in der gleichen Zusammensetzung.
Ein bestimmtes Verfahren für die sich jährlich kurz nach Martini (11.11.) vollziehende Ratserneuerung ist dabei nicht erkennbar, und wenn man nach Prüfung der Urkunden vermuten möchte, daß gegen Ende des Jahrhunderts vielfach versucht wurde, ein Drittel oder ein Viertel der Ratsherren regelmäßig durch andere zu ersetzen, so drang der Brauch in jedem Fall nicht durch.
Ausgenommen tüchtige oder besonders ehrgeizige Ratsherren hielten sich im Rat vielmehr schon jetzt sehr lange und bei gewissen reichbegüterten Familien läßt sich zudem verfolgen, daß sie dauernd eines wenn nicht mehrere ihrer Mitglieder in den Rat abordnen.
Zur Überprüfung des Stadthaushaltes werden um 1300 nun neben dem bestehenden Stadtrat zwei Finanzmänner eingesetzt, die neben einem „Kämmerer“ als oberstem Kassenführer, die Aufsicht über die Stadtgelder haben sollten. Alljährlich am Martinitag (11.11.) waren sie neu zu wählen und mußten während ihrer Amtszeit zweimal mit dem Rat abrechnen.
Von diesen beiden Stadtbeamten sollte einer von den Ämtern (Innungen) und ein zweiter ein Handwerksmeister sein. Auch die Wahl in den Stadtrat steht nun diesen beiden Amtsinhabern offen. Jedoch wird dieses Zugeständnis den Gerbern, Schustern, Kochenhauern und Bäckern in dem neuen Stadtrecht von 1300 nicht versiegelt, also nicht gesetzlich verordnet. Im Falle jedoch, daß sie Ratsherren werden würden, ist in der Verordnung festgehalten, daß ihre Rats- den Innungspflichten vorzugehen hätten.
Grundsätzlich zum mindesten endet somit mit dem Jahre 1300 auch die Alleinherrschaft des Hildesheimer Patriziates.
Jedoch ist schwer nachzuweisen, daß ein Innungsvertreter in den Rat gewählt wurde. Im Jahre 1317 hat erstmals ein Bäcker, vielleicht auch im gleichen Jahr ein Knochenhauer, es geschafft Ratsherr zu werden.
Neue Namen im Rat kommen offenbar durch zugezogene Sippen, die durch Verschwägerung mit alten Ratsgeschlechtern einen Sitz im Rat errangen.
Zwischen 1240 und 1346 sind ca. 107 verschiedene Sippen im Stadtrat anzutreffen. Das heißt, daß in dieser Zeit von 20 Hildesheimer Familien je eine es in den Rat geschafft hat.
Im Jahre 1343 wird ein von den Innungen und der „Meinheit“ gewähltes Aufsichtsgremium , dem „Sechsen“, dem Rat übergeordnet.
Am 11.12.1345 tritt wieder ein 36er-Rat der Stadt vor, von denen auch jetzt ein Drittel als „sitzender“ Rat die laufenden Geschäfte führt. Aber von dem „alten Rat oder ihresgleichen“, den herrschenden Stadtgeschlechtern, treten nur noch 12 Ratsherren in das neue Kollegium ein und je 12 andere wählten die „Sechse“ aus den Ämtern und der „Meinheit“.
Alljährlich, und zwar jeweils am 7. Januar, erfolgt die Neubesetzung des regierenden Rates durch die beiden „Nachräten“.
Untüchtige und ungeeignete Mitglieder sollen sie, ohne daß deren Ehre damit geschmälert wird, aus dem regierenden Rat ausschließen und durch „den besten und nützlichsten, den sie in Hildesheim wissen“ ersetzen.
An die Spitze jedes der drei Räte tritt nun ein neuer städtischer Beamter, der Bürgermeister. Aus welchen Gründen dieses neue Amt geschaffen wurde ist unbekannt. Offensichtlich aber entsprang seine Einrichtung einem allgemein empfundenes Bedürfnis in den Städten, das, ähnlich wie 1236, es gleichzeitig in den Gemeinden auftrat.
Besondere Befugnisse hatte der Bürgermeister jedoch nicht. Vielmehr sollte er , bei den ständig wachsenden Geschäftskreis des Rates, die Leitung der Sitzungen übernehmen, um eine gewisse Ordnung einhalten zu können, minder wichtige Fragen selbst zu entscheiden, die Tagesordnung der Sitzungen vorzubereiten und für die ordentliche Durchführung der Ratsbeschlüsse zu sorgen. Nur ein nicht eben bedeutendes Recht wurde ihm zugebilligt: er hatte für den Fall, daß ein Ratsherr während seines Amtsjahres starb, mitsamt drei Herren aller Räte ohne Ansehen der Person einen Ersatzmann zu bestellen.
Im Zuge des Abkommens vom 21.11.1435 wird durch Einsetzung eines „Vierziger-Kolleg“ die erste Hildesheimer Bürgerschaftsvertretung neben dem Rat eingesetzt. Die Hälfte ihrer Mitglieder hatte die „Meinheit“ zu stellen, während je zehn weitere Sitze einerseits den älteren Ämtern (Innungen), andererseits den „Gilden“ der Gewandschneider, Kramer, Schmiede, Schneider, Kürschner und Wollenwebern vorbehalten blieben. Die Auswahl dieser Männer stand fürs erste Mal dem Rat zu; bei späteren Ersatzwahlen jedoch bedurfte lag es in der Hand des „Vierziger“-Kolleg den zu ersetzenden Sitz mit einer Person aus der Gruppe zu besetzen, die ihn verloren hatte.
Dieses Gremium wurde bei Klärungen über Fehden, Erlaß neuer Stadtgesetze, bei Münzschlag, Bündisabschlüssen, Mühlenaufsicht, Verteidigung der Stadtrechte und Ausfertigungen von städtischen Schuldvertreibungen angehört und durften beim Rat auch selbst Anträge einreichen. Diese Körperschaft trat jedoch nur zusammen, wenn der Rat ihn einberief. (er endete jedoch schon am 30.1.1436)
Zum 30.1.1436 verschwindet das „Vierziger“-Kolleg in der Versenkung. Statt dessen sucht der Rat eine stärkere Bindung an den Gemeindewillen zu erreichen. Die Vertreter der Innungen und der Bürgerschaft innerhalb des Rates werden angewiesen, in wichtigen Fällen nicht ohne vorherige Rücksprache mit ihren Ständen, ihre Stimme in der Ratsversammlung abzugeben. Dazu durften Ämter, Gilden und Gemeinde nunmehr die eigenen Wünsche an ihre Ratsvertreter bringen. Es dauerte nicht lange, das sich die neuen „Achtzehn“ wie eine Körperschaft zusammenschlossen, auf dem Rathaus in dieser oder jener Angelegenheit vorstellig werden und gemeinsam mit den Innungsmeistern auch um ihre Ansicht vor dem Rate angegangen wurde.
Nach dem neuen Rezess vom 31.10.1445 sieht der neue Stadtrat wie folgt aus: Zwölf Männer, je zur Hälfte aus der Gemeinde und den Handwerkerverbänden, wählen einen neuen Rat von 24 Personen, der nicht mehr „von eines Partes wegen“ - also nicht mehr für den alten Rat, die Innungen und die gemeinen Bürger auf das Rathaus gingen - sondern als Vertreter der gesamten Bürgerschaft. Nach dem Beispiel anderer Städte brach man jetzt auch mit der Einrichtung von drei Räten und setzte an ihrer Stelle das System des Doppelrats mit einem sitzenden und einem Nachrat von je 12 Abgeordneten.
Dieser Zwölfer-Ausschuß aber erweiterte sich selbst durch Zuwahl anderer 12 Personen zu dem neuen „Vierundzwanziger-Kolleg“. Dieses Gremium hatte nun die Aufgabe an jedem 7. Januar zusammen mit dem sitzenden Rat die höchste Stadtbehörde für das nächste Jahr neu zu wählen oder wie es hieß zu „luttern“.
Dem „Vierundzwanziger“ selbst blieben dadurch große Freiheiten, da sie ihre eigene „Lutterung“ vornahmen.
Durch die erneute Verfassungsänderung im Dezember 1446 versuchte man es erneut mit dem dreiteiligen Rat von 36 Personen, der 12 Vertretern von der „Meinheit“ und die je 8 vom „alten Rat oder seinesgleichen“, den Ämtern und den 5 Gilden der Kürschner, Wollenweber, Kramer, Schmiede und Schneider umfassen sollte und dessen Wahl und Rechte wieder eingehend geregelt wurden.
Außerdem erfolgte „auf freundliche Bitte“ der Bürger die Einrichtung eines „Oldermanns“ (Vorsteher) von 12 Personen, die offensichtlich an die „Achzehnmann“ von 1536 anknüpfte. Acht Personen aus der „Meinheit“ und 4 vom alten Rat bildeten diesen „Oldermann“, dem Unabsetzbarkeit und freie Selbstergänzung einen starken stand gaben. Er hatte , wie 1536 die „Achzehner“, das Recht, auch die gemeinen Bürger und „Freunde“ zum Ratschlag aufzufordern. Desweiteren nimmt er Klagen aus der Bürgerschaft auf, um sie dem Rat vorzutragen.
(im Original übernommen)
Text-Quelle:
Johannes Heinrich Gebauer, „Geschichte der Stadt Hildesheim"; A. Lax-Verlag Hildesheim, 1924; Band 2, Seite