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Allgemeines
Das Kollegiatstift zu St. Andreas
Das Kollegiatstift zum heiligen Kreuz
Hildesheim besaß außer dem Domstifte mehrere Kollegialstifte, und zwar als ältestes das Kollegialstift (Mauritius-Kirche) auf dem Moritzberg, das – zuerst Nonnenkloster – nach 1058 zum Kollegialstift von Bischof Hezilo eingerichtet wurde.
Das heilige Kreuzstift errichtete Hezilo kurz vor seinem Tode.
Unter Bruning, dem entthronten Bischof, entstand auf seine Veranlassung das Sültestift für Regular-Kanoniker vor 1120. Das namentlich auch für die Stadt Hildesheim selbst bedeutendste Stift, das Andreasstift an der Andreaskirche wurde im Jahre 1200 errichtet.
Text-Quelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Kirchliche Bauten; Selbstverlag,
Hannover 1911; Seite 149
Im Jahre 1200 gründete der Priester und Domherr Johannes Gallicus aus eigenen Mitteln ein neues Kollegialstift zu St. Andreas. Es wurde durch Bischof Hartbert am 29. November 1200 bestätigt.
Der Dechant des Stiftes war gleichzeitig Pfarrer an der Kirche, der Vikar und die Kanoniker hatten ihm Hilfe zu leisten. Der Vikar wurde durch den Propst, der gleichzeitig Archidiakon war, ernannt. Dieses Kollegium wurde 1205 durch Papst Innocenz III. betätigt, erhielt Schutzbriefe durch Kaiser Otto IV. 1209 und 1210.
Das Kollegialstift blieb auch nach der Reformation bestehen und hielt, nachdem die Kirche den Prodestanten übergeben war, seine Gottesdienste in der St. Laurentiuskirche am Domkreuzgang und später in der Kartause.
Das Stift selbst wurde 1810 aufgehoben.
Mit dem Kollegialstifte war eine Schule, die des Andreasstiftes, verbunden, welche sich seit Ende des 12. Jahrhunderts mit dem Aufblühen der Stadt gut entwickelte. Da der Domscholaster gleichzeitig auch die Aufsicht über die außerhalb der Domfreiheit liegenden Schulen hatte, so kam es bald zu Schwierigkeiten zwischen Stift und Dom, denn es lag letzterem daran, die anderen Schulen nicht zu stark werden zu lassen. So erwirkte denn das Andreaskapitel 1225 einen Erlaß vom Mainzer Erzbischof, wonach die Stiftsschule unabhängig bleiben sollte und 1228 wurde durch Papst Gregor IV. diese Bestimmung bestätigt und der Schule freigestellt, einheimische und auswärtige Schüler aufzunehmen.
Text-Quelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Kirchliche Bauten; Selbstverlag, Hannover 1911;
Seite 149
“jam autem instante aetatis suae vesperae, vespertinum oblaturus sacrificium in orientali nostrae civitatis parte, prius domum belli in domum pacis, adjuneto etiam novo opere commutavit; et XV Canonicos institutos habundeque necessariis provisis, Adelodo praeposito, viro sanetae memoriae regendos commisit (commendavit)“
so lautet die älteste Nachricht von 1045 über die Gründung des Stiftes im Chronico Episcoporum Hildesheimensium.
Namentlich unter Bischof Adelog erhielt das Stift zahlreiche Privilegien. Noch 1172 wurde ihm durch Herzog Heinrich den Löwen nach glücklich vollbrachter Wallfahrt eine Partikel vom Kreuze Christi zuteil, welche in ein prachtvolles Eichenholzkreuz mit reicher Goldblechzier gefaßt war. Durch Domkellner Burchard Steinhoff wurde 1216 Vikarien gestiftet, welche Anlaß zur späteren Erweiterung der Kirche und Einbau von Altären gaben.
Auch von Spielen der Stiftsschüler (Scholaren): Festfeuern und (später) Wahl des Schülerbischofs am Tage der Unschuldigen Kinder (28.12.) geben die Urkunden jener Zeit gelegentlich Kunde.
Am reizvollsten in kulturgeschichtlicher Beziehung ist die vom Vogte des Moritzstiftes Lippold von Escherde gewährte Stiftung, welche am 15. August 1232 eingesetzt wurde.
Auf den Stufen (gradus, dem Aufgange zur Westseite) wurden die Figuren der Auferstehungsszene – anscheinend an Seilen – wie Marionetten aufgestellt und der Gang der Handlung versinnbildlicht. Zuletzt stieg Christus – wohl an einem schief zum Giebelfenster gespannten Tau hinaufgezogen – gen Himmel und verschwand vor den Augen der Zuschauer; eine naive Darstellungsform, welche z.B. in Orvieto noch heute am ersten Pfingstfeiertag in ähnlicher Weise mit der Erleuchtung der Jünger durch den heiligen Geist vorgespielt wird.
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts errichtete das Stift ein neues Magnumedificium apud ecclesiam, wohl die Vorgängerin der jetzigen (1911) Marienschule.
Die Zahl der Kanonikate vermehrte sich nach und nach auf 17, seit 1525 auf 19 und fast die gleiche Zahl Vikarien.
Dies geschah unter Propst Tilemann (Tilo v. Brandis 1483-1523), der sich durch Gelehrsamkeit besonders auszeichnete und einen Teil seines Vermögens zu kirchlichen Zwecken sowie zur Stiftung einer Studentenunterstützung an der Universität Erfurt, dem sogenannten Collegium Saxonicum verwendete.
Aus seiner Zeit stammt der Neubau der ehemaligen Propstei (Marienschule) von 1441.
Eine besonders interessante Persönlichkeit jener Zeit ist Johannes Oldecop, der 1493 geboren, von 1547-1574 dem Kreuzstift als Dechant vorstand. Er lebte mitten in der Bewegung der Zeit, saß als Student von 22 Jahren zu Füßen Luthers und war später persönlich Zeuge des schrecklichen Elends der entbrennenden Glaubenskriege; Erlebnisse, die er in einem Tagebuche, umfassend die Jahre 1500-1553, niederlegte.
Das Kreuzstift wurde 1810 aufgehoben.
Text-Quelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Kirchliche Bauten; Selbstverlag, Hannover 1911;
Seite 178f