[1] Kreuzstraße 1 A; Die neben der Alten Choralei liegende Propstei wurde in der jetzigen Gestalt laut Wappen über der Pforte errichtet 1491 durch den berühmten Propst Tilo Brandis, der im Jahre 1445 geboren, bei den Brüdern vom gemeinsamen Leben erzogen, in Erfurt und Padua studierte und seit 1475 eine Pfründe im hl. Kreuz innehatte. Als sehr vermögender Mann ist er bekannt durch die Stiftung des Collegium Saxonicum an der Universität Erfurt. Er starb am 8.7.1524.
Später erfolgte ein Umbau des Gebäudes. In dem Hause lebte dann lange die Geliebte Herzog Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig, Eva v. Trott, nach ihrem Scheinbegräbnis, während ihr Sohn Propst an der Kreuzkirche war. 1587, 27./28. Oktober geriet die Propstei in Brand und der Propst stürzte sich, in Betten gehüllt, zum Fenster hinaus. Der Fachwerkgiebel nach dem Kirchenplatze sowie das Obergeschoß wurden nach diesem Brand 1598 neu errichtet.
Bei einem späteren Umbau unter dem Propst Eugen v. Kurtzrock erhielt der Bau 1731 ein neues Hofportal und einen massiven Erker an der Straßenfront, an Stelle eines älteren von 1672.
[1] Die Propstei hat ein massives Untergeschoß und ein wenig auskragendes Obergeschoß von 17 Spann Länge (im Hofe).
Neben dem Einfahrtstor der Straßenseite ein Fußgängerpförtchen (Bild 1) mit spätgotischer Profilierung aus Hohlkehlen und sie durchschneidenden Rundstäben; in dem sehr schön noch vollkommen gotisch behandelten Schilde darüber das vorzüglich gezeichnete Wappen des Propstes Tilo Brandis und Jahreszahl: ANO ∙ M ∙ CCCCXCI (1491).
Die Einfahrt an dem Südende des Baues, gleich der Fußgängerpforte mit gotisch profilierter Laibung (Birnstäbe sich über der Hohlkehle im Bogensturz überschneidend), zeigt ebenfalls das Wappen des Propstes, einen heraldisch schräg rechts gestellten Schild, geteilt, oben ein nach (h) rechts springender Hirsch, unten drei schrägrechte Balken.
Der Erker (Bild 2) ruht nach mittelalterlicher Weise auf einer Reihe von (älteren) doppelten Steinkonsolen.
Es trägt in drei Füllungen, links die Wappen der von FÜRSTENBERG, rechts KERPEN, dazu in der Mitte zwischen den Jahreszahlen: 1731 oben und 1672 unten ein Kreuz mit Dornenkrone (das Stiftswappen des hl. Kreuzes).
Die Architektur des OG zeigt reich geschnitzte Brüstungen, die östlichste mit der Eitelkeit (mit Spiegel in der Hand und sich spreizenden Pfau daneben), die übrigen Felder Ritterfiguren. Am südlichen Ende der reich in ausgeschnittenem Ornament (des sogenannten Metallstiles) behandelten Setzschwelle die Jahreszahl: ANNO 1596.
Die Balkenzwischenfelder sind mit zierlichen Konsolen, Rundstab und kleinen geschweiften Bögen abgetreppt.
Die nördliche Schmalseite zeigt im Giebel zwei Brustfelder in den Füllungen und in der Setzschwelle eine schwer leserliche Frakturinschrift, welche lautet:
Was gott giff in gnaden sol men Wislich sparen
Der armen nicht vorgessen So gifft got wedder vngemessen 1596.
Die Hoffront
Von besonderem Reiz ist das Innere des Hofes. Eine schöne, klare Fachwerksarchitektur von 17 Spann Länge bildet die Hinterseite der Propstei, in der Mitte im EG ein schönes Steinportal (Bild 3).
Es ist flankiert von zwei Halbsäulen toskanischer Ordnung, mit den typischen Löwen(Hunde-)köpfen nebst Ringen im Maul (cave canem!) in den Postamenten. Der Architrav schließt mit einer Zahnschnittleiste gegen den Sims ab, in diesen zwei Wappen, links: ein quadrierter Schild mit Herzschild, Mitra und Krummstab und der Jahreszahl 1596; rechts: das Wappen des Kreuzstiftes innerhalb eines Lorbeerkranzes, in den Ecken vier Rosen und die Jahreszahl 1731.
Die Inschrift lautet:
EVGENIVS BARO DE KVRTZROCK │ PRAEP ∙ (OSITVS) ∙ ET ∙ CAN(ONICVS)
DE ∙ S ∙ C │ (SANCTE CRVCIS) │ RENOVAVIT Ao 1731.
Das Hintergebäude
In der Verdachung steht zwischen geschwungenen abgeschnittenen Gesimsen ein reicher Aufsatz mit einem Wappenschilde, das der Länge nach gespalten, (h) rechts das Stiftswappen, (h) links Wage, Zirkel und Glocke zeigt.
An das Vordergebäude stößt nach Osten an ein vollkommen erhaltenes, reich behandeltes Hinterhaus von 1613 (Bild 3).
Es besteht nur aus EG und vorkragendes OG, seitlich ein Kellereingang, in der Front von acht Spann Länge springt links ein Erker vom Terrain ab risalitartig vor. Unten korinthische Kandelabersäulchen, oben Hermen in den Pfosten mit jonischen Kapitellen, also eine Übereinanderstellung zweier „Ordnungen“. Die Brüstungen mit geschnitzten Füllungen, darstellend: auf der Schmalseite im Obergeschoß zwei springende Hirsche, in der Front von links nach rechts die Planeten, nämlich: SATVRNVS mit der Sense, MARS mit Schwert und Brandfackel, SOL mit der Sonne, VENVS mit Pfeil, MERCVRIVS mit Schlangenstab, LVNA mit der Mondsichel, alle in Form ruhender Männer- und Frauengestallten.
Zahnschnittleisten bilden die horizontalen Gesimse. Über der Tür zwei Wappen. Eines nach (h) links schreitender Löwe, rechts leerer Schild, in der Mitte darüber in einer Kartusche das Zeichen des hl. Kreuzes (Bild 4).
Die Beischrift lautet:
Links: LVDIKETHVSEN GEN ∙ WOLFF
rechts: FVRSTENBERGK
darunter: anno domini 1613.
Das noch nicht übermalte Haus zeigt im Grunde der Bilder Spuren roter Farbe.
Die Schwelle des OG hat ein durchlaufendes Band in Ornament des sogenannten Metallstiles, Rollkonsolen; links und rechts von der Tür zwei Bilder:
CARITAS, rechts eine nicht bezeichnete Szene, ruhende Frauenfigur mit Vogel auf der Hand.
Im Garten eine hübsche Anlage mit Terrassen nach Art der Barockgärten, an der Mauer nach den Gärten der Grundstücke nach der Wollenweberstraße Reste des ehemaligen Walles zwischen Alt- und Neustadt.
Bildquelle: Bild 1: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 176
Bild 2: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 177
Bild 3: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Tafel 23 (nach Seite 176)
Bild 4: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 178
[8] Die ehemalige Kreuzstiftpropstei ist heute ein Teil der Marienschule. Das Hinterhaus der Propstei am Brühl war von 1613.
Die Brüstungen waren geschmückt mit den symbolischen Darstellungen der Planeten SATVRNVS, MARS, SOL, VENVS, MERCVRIVS und LVNA in den Brüstungsfüllungen. Der Türsturz trug neben der Jahreszahl der Erbauung die Inschrift:
LVDEKETHVSEN GEN. WOLFF, FVRSTENBERGK
Das Haus wurde bei der Bombardierung Hildesheims 1945 bis auf die Grundmauern zerstört.
Text-Quelle:
- Literatur
- Webseite
Bildquelle:
- Ansichtskarten
- Foto / Bild
[1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 173ff
[8] A. C. Gothe; Hildesheimer Heimat-Kalender “Hildesheim im Wiederaufbau"; Gerstenberg-Verlag Hildesheim; 1956, Seite 52
Privatbesitz H.-J. Brand
Bild 1: [3] O. Beyse, „Hildesheim“, Deutscher Kunstverlag, Berlin 1926; Foto 78b
Bild 2: [1] Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Selbstverlag der Provinzverwaltung; Han. 1912, Band II, Heft 4, Teil 2, Seite 176
Bild 3: [8] A. C. Gothe; Hildesheimer Heimat-Kalender “Hildesheim im Wiederaufbau"; Gerstenberg-Verlag Hildesheim; 1956, Seite 52
Bild 4: [3] O. Beyse, „Hildesheim“, Deutscher Kunstverlag, Berlin 1926; Foto 68
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