Geschichte
Beschreibung
[1] Stifter des Johannisspitals ist der Dompropst Reinhald von Dassel. Auf Grund kirchlicher Vorschriften aus karolingischer Zeit mußte bei jedem Kanonikat-Stift ein Hospital zur Fürsorge für die Kranken, ein Asyl für Arme und eine Herberge für Fremde vorhanden sein.
Reinald verlegte das namentlich von den Bischöfen St. Bernward und St. Godehard sehr ausgestattete Domspital, das zu klein geworden war, vor die Tore der Stadt, und zwar auf eine Insel, die durch einen breite, seit langem vorhandenen Stichkanal von der Innerste getrennt war. Gleichzeitig mit diesem umfangreichen Spital nebst kleiner Kirche wurde auch eine steinerne Brücke errichtet.
Diese reich dotierte Stiftung wurde im Jahre 1200 durch reiche Schenkungen seitens des Kustos des Spitals, des Priesters Hermann, durch Erwerb einer gegenüberliegenden Hofraithe des Ritters Konrad von Steinberg, sowie die Einsetzung eines Kollegial-Stiftes, das der Bischof 1204 bestätigte, außerordentlich gehoben und vier Kanonikate gegründet, die dem Domdechanten unterstanden.
Dazu kam 1211 das Begräbnisrecht für die Bewohner im Bezirk „auf den Steinen“.
1231 erhält das Stift den Teil der Pfarrei, der auf den Straßen auf dem Steine und dem Altenmarkte lag. Da der Raum für die Ausdehnung des Stiftes allmählich zu eng wurde, so durften die Stiftsinsassen auch das zwischen Nebenlauf der Innerste und Domburg belegende Stück – die sogenannte bischöfliche Neustadt (= Bezirk um die Straße am Stein) – für Siedlungszwecke benutzen (1246). Ebenso wurde ihnen zur Abhaltung ihrer Gottesdienste die Martinikirche vorübergehend eingeräumt. 1251 erhielt der mit dem Johannisstift verbundene Pfarrbezirk einen eigenen Seelsorger mit den Rechten eines Stiftskanonikus.
Diesem Aufschwung muß ein Niedergang gefolgt sein, denn 1279 wurde dem Stifte ein Gnadenjahr bewilligt. 1291 unterstützt Bischof Siegfried II. einen Erneuerungsbau der Stiftskirche St. Johann; in einem Ablaßbrief wird erwähnt, daß für kranke und Arme im Hospital neue Häuser und Nebengebäude mit hohen Kosten aufgeführt wurden.
An diesen Neubau erinnert die noch vorhandene Gedenktafel (Bild) an dem jetzigen (1911) neuen Hause von 1893, Dammstraße 24. Die Inschrift aus gotischen Majuskeln lautet:
ANNO ∙ DNI ∙ MO ∙ CCOLXXX
SVB ∙ EPŌ ∙ SIFRIDO ∙ A ∙ LIPPOLT
DECANO ∙ REEDIFICATA ∙ Ē ∙ DOMVS.
Der Zugang zum Stifte mehrte sich dann später wieder so, daß 1282 das Domkapitel bestimmen mußte, daß nunmehr nur noch gebrechliche und Kranke auf die Dauer ihres Siechtums aufgenommen werden durften. Die Krankenpfleger und –pflegerinnen selber waren in einer religiösen Bruderschaft vereinigt und standen unter Leitung eines „Provisors“. Als äußeres kennzeichen trugen die dienenden Personen Skapuliere mit Kapuzen.
Leider fielen diese großartigen Anlagen dem Überfall der Hildesheimer Bewohner auf die in der Dammstadt wohnenden Flamländer 1322 zum Opfer; Kirche und Spital des Johannisstiftes gingen dabei in Flammen auf.
1346, in der „concordia Henrici“ einigten sich Bischof und Bürger, daß der Damm weder befestigt noch wehrhaft gemacht werden darf:
„ Doch moghen de heren van sentte Johannese vnde de perrere van sentte Nycolause vnde dat spetal bi der Stenbrücghe hebbet to erem ghemake van holtwerke ane stene sunder to vndergrunden“ (d. h. nur Holzbau – abgesehen vom Sockel); so lautet die Urkunde.
Auch die Kirche durfte wiederhergestellt werden:
„Ok mach man de kerken sentte Johannis vnde sentte Nycolauses buwen vnde beteren, alse men godeshus menliken to buwende vnde to beterende plecht“.
Die Erneuerung der Bauten, die 20 Jahre lang wüst lagen, erfolgte erst 1352.
Ein Gedenkstein aus dieser Zeit zeigt die nachstehende, in gotischen Majuskeln gehaltene Inschrift (Bild):
† DOM ∙ hEC ∙ ERAT ∙ DESTRVCTA ∙ X ∙ X ∙ ANIS ∙
ANNO ∙ DNI ∙ MCCCLII ∙ SVB ∙ EPO ∙
HENRICO ∙ DVCE ∙ DE ∙ BRVS ∙ WIC ∙
ET ∙ PREPOSITO ∙ THIDERICO ∙
A ∙ DECANO ∙ VVLRADO ∙ DE ∙ TRELEVE ∙
DOMVS ∙ hÆC ∙ EST ∙ REEDIFICATA ∙
Burkhard Steinhoff (in Urkunden von 1421-1450 genannt), dem unermüdlichen Domkellner, gelang es auch, das Johannisstift wieder in Ehren zu bringen. Er führte die schon oben erwähnte Ordnung von neuem ein, beschränkte aber ihren Wirkungskreis und bestimmte, daß nunmehr auch keine Aussätzigen oder Geisteskranke mehr Aufnahme fanden; damit schuf er ein Krankenhaus, dessen Pflegedienst vier in Krankenpflege erfahrenen Frauen zukam.
Die verfallenen Bauanlagen verbesserte er durch die Erbauung des „neuen Hauses bei St. Johannis“. 1428 erhält der Pfarrer des Spitales ein eigenes Wohnhaus.
Zu Beginn des Schmalkaldischen Krieges mußte die Stadt nach der ehemaligen Dammstadt hin wegen der Angriffsgefahr verstärkt werden und wurde deshalb der Abbruch des Spitales notwendig.
Vor und nach Ostern 1547 legten die Bürger die Stiftsgebäude nieder und brachten die Glocken nach der Franziskanerkirche St. Martin. Von ihnen wurde 1857 die eine nach St. Michael gebracht, die andere zerschlagen.
So ging das größte Werk mittelalterlicher Krankenführsorge vollständig unter.
[1] Die jetzigen (1911) Gebäude des Stifter, Dammstraße 24 (früher Nr. 1363/64) wurden 1733 erneuert und 1893 nochmals neugebaut. Das an ihm befindliche Wappen des Domstiftes erinnert an jene Zeit. Das Stift selbst wurde am 17. Dezember 1810 aufgehoben.
Text-/Bildquelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Bürgerliche Bauten; Selbstverlag,
Hannover 1912; Seite 83ff