[1] Das von Wilbernus gestiftete Taufbecken entstammt der Mitte des XIII. Jahrhunderts und bildet den Abschluss der unter Bernward eingeleiteten frühmittelalterlichen Gießerschule.
Es stellt in der Modellierung der Einzelheiten den Höhepunkt künstlerischen Schaffens dar und zeigt in der Behandlung des Reliefs noch immer die bereits in der Bernwardstür angedeutete Technik, alle Tiefen durch Umdrehen in die Zeichenebene zu Ansichtsflächen und damit darstellbar zu machen. Denn der eigentliche perspektivische Reliefstil war damals noch nicht gefunden. So sehen wir den Tisch in der Szene der büßenden Sünderin von oben; ebenso im Bilde der Misericordia die liegende Figur.
Ein Neues tritt auf in der reichen Anwendung von Spruchbändern. Man glaubte durch Darstellung allein nicht mehr genügend den Inhalt der Szene verdeutlichen zu können, sondern dies durch Text unterstützen zu müssen, ein Zwiespalt, der zweifelsohne einen künstlerischen Rückschritt bedeutet.
Das Becken stand ursprünglich im Westteil des Domes und wurde 1653 an seine jetzigen (1911) Standort, die westlichste Kapelle der Nordseite versetzt.
Der Kessel besitzt Abflußrohr und dicht abschließenden Deckel. Seine Höhe beträgt 1,70 m bei 4 m Umfang.
Die bildnerische Darstellung ist sehr eingehend, der unterlegte Text gedankentief und nur durch das theologische Programm verständlich.
Textquelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 1, Kapitel 4: Kirchliche Bauten; Selbstverlag, Hannover
1911; Seite 83f
[W] Die Bronzetaufe des Doms ist ein spätromanisches Taufbecken, das im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts vermutlich in Hildesheim aus Bronze gegossen wurde. Es zeichnet sich durch Bildschmuck von höchster Qualität und vollendete Proportionen aus und wird zu den hervorragendsten Werken seiner Art gerechnet.
Die Hildesheimer Bronzetaufe besteht aus dem runden Taufkessel, der sich nach oben leicht erweitert, einem spitz zulaufenden Deckel mit hoher Abschlussblüte und vier allegorischen Trägerfiguren. Sie hat eine Gesamthöhe von 1,70 m und einen Durchmesser von 96 cm.
Der lebhafte und dekorative Stil kündigt schon die Gotik an, zeigt aber, besonders in den Architekturelementen, auch byzantinische Einflüsse. Ausdrucksvoll sind vor allem die Körperhaltungen und Gesichter in ihren Beziehungen und Emotionen.
Von starker Aussagekraft ist das Bildprogramm, das sowohl in den drei Ebenen (waagerecht) wie in den vier Achsen (senkrecht) Bedeutungszusammenhänge herstellt und insgesamt eine biblisch-aszetische Mystagogie der Taufe bietet. Die Bilder werden durch lateinische Titel und Schriftbänder zusätzlich erklärt.
Die unterste Ebene, Fundament und Ausgangspunkt, bilden vier männliche Gestalten, die das Ganze tragen. Es sind Personifikationen der vier Lebenströme, die vom Paradies ausgehen (Gen 2,10-14 EU ). Alle vier gießen aus Krügen Wasserströme aus: Was durch die Sünde versiegt war, beginnt mit der Taufe wieder zu fließen. Zugleich sind sie in Kleidung, Haltung und Haartracht deutlich unterschieden und stehen für verschiedene Lebensalter und Lebensstände. Je ein kleines Bildfeld über ihren Köpfen ordnet sie den Kardinaltugenden Mäßigkeit, Tapferkeit, Gerechtigkeit und Klugheit zu. Dabei fällt besonders die Soldatenrüstung des „Tapferen“ ins Auge. Die natürlichen Tugenden werden durch die Taufe vervollkommnet.
Die zweite Ebene, an der Kesselwand, zeigt in vier Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament die zentralen Bedeutungsaspekte der Taufe:
• Bild 1: Die Taufe Christi weist auf die Eingliederung in Christus und die Gleichförmigkeit mit seinem Tod und seiner Auferstehung hin, die die Taufe bewirkt (Röm 6,3-8 EU ).
• Bild 2: Das Bild Marias mit dem Kind auf der gegenüberliegenden Seite stellt den Getauften die Mutter Jesu vor Augen, die durch die Taufe auch ihre Mutter und Fürsprecherin geworden ist, sowie in den Dompatronen Epiphanius und Godehard die Gemeinschaft der Heiligen, zu der sie nun gehören. Diese Szene ist zugleich das Widmungsbild, denn zu Füßen der Gottesmutter kniet eine kleine Stifterfigur, deren Name mit Wilbern angegeben wird. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Wilbrand von Oldenburg, der zur Entstehungszeit Domherr in Hildesheim war.
• Bild 3: Die Darstellung des Durchzugs durch das Rote Meer (Ex 14 EU ), bei dem eine Schar von Männern mit Judenhüten Mose durch die sich teilenden Wasser folgt, setzt das Ein- und Auftauchen im Taufwasser mit Todesgefahr, Errettung und Befreiung Israels gleich und deutet alle Getauften als Mitglieder des Gottesvolks, das unterwegs ist zum Land der Verheißung.
• Bild 4: Das vierte Bild zeigt die Ankunft im Verheißungsland wieder als einen Wasserdurchgang, diesmal durch den Jordan (Jos 3 EU ). Jetzt werden in der Bundeslade die am Sinai empfangenen Gebote mitgetragen, Zeichen der Verpflichtung auf den einen Gott und seinen Willen, die im Taufbund enthalten ist.
Die oberste Ebene bilden die vier Szenen des Deckels. Sie entfalten die Bedeutung der Taufe für das christliche Leben.
• Bild 5: Das Bild der Fußwaschung Christi durch die „Sünderin“, traditionell mit Maria Magdalena gleichgesetzt, (Lk 7,36-50 EU ) weist auf Reue und Buße, aber auch auf die Unerschöpflichkeit der Gnade und die daraus entspringende Liebe.
• Bild 6: Der blühende Stab Aarons (Num 17,16-25 EU ) gegenüber versinnbildlicht die fruchtbare Jungfräulichkeit Mariens und die Keuschheit der Getauften.
• Bild 7: Der von Herodes befohlene Kindermord von Betlehem (Mt 2,16-18 EU ) erinnert an die allen Getauften aufgetragene Gemeinschaft mit Christus im Glaubenszeugnis (griech. martyrion) und an die Möglichkeit der Bluttaufe.
• Bild 8: Die Personifikation der Misericordia schließlich, eine königlich thronende Frau, die die Werke der Barmherzigkeit übt, zeigt, wie der Gnadenstrom der Taufe sich im konkreten Leben auswirkt.
In senkrechter Entsprechung ist die Taufe Christi mit der Fußwaschung durch die Sünderin, die Muttergottes mit dem Aaronsstab, der Exodus mit dem Kindermord und die Bundeslade mit den Werken der Barmherzigkeit verknüpft.
Dazwischen steigen über den Trägerfiguren schmale Säulen auf, die die dreifachen Bögen über jedem Bild tragen. Ihre Basis bilden die Tugenden, und in kleinen Bildfeldern sind ihnen weitere biblische Personen, Propheten, Könige und Evangelisten, z.T. doppelt, eingefügt:
• Mäßigkeit - Jeremia - Lukas - Jeremia
• Tapferkeit - Daniel - Markus - David
• Gerechtigkeit - Ezechiel - Johannes - Jesaja
• Klugheit - Jesaja - Matthäus - Salomo.
Auch hier ist die jeweilige Zuordnung bedeutungsvoll.
Die Bronzetaufe stand im Dom jahrhundertelang im westlichen Teil des Langhauses, seit 1653 dann in der letzten der nördlichen Seitenkapellen, in der Georgskapelle. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten soll sie in der Mitte des Langhauses unter dem Heziloleuchter ihren Platz finden.
Text-Quelle:
Bildquelle:
- Ansichtskarten
- Foto / Bild
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