[1] Der Lettner des Domherrn Arnold Freidag (Nr. 7 auf Plan) steht an Stelle eines Gitterwerks mit großem Kreuz, vor dem der Altar des heiligen Kreuzes und des heiligen Blasius etwas vorgerückt steht. In der Mitte des Lettners ist die Kanzlei eingebaut.
Der Lettner, ein Werk von überraschender Gedankenfülle und Formenschönheit, ist besonders auch durch den künstlerischen Ausdruck seines liturgischen Gedankeninhalts, der Verherrlichung des Kreuztodes Christi, von besonderer Bedeutung (Bild rechts).
Zu beiden Seiten des Altars führen schmale Türen (Nr. 8 im Plan) in den Hochchor. An jeder Tür sind seitlich, und zwar nach dem Schiffe hin, zwei Reliefgruppen angebracht, an der nördlichen oder Evangelienseite: Melchisedek und Abraham nebst zwei Begleitern, das Opfer Melchisedeks darstellend, mit der Beischrift:
Melchisedech panem vinumque hic fert Abrahamo.
Darunter befindet sich, als Gegenstück aus dem neuen Testamente, die Darstellung des heiligen Abendmahles mit der Beischrift:
Discipulis cena Christo celebrante paratur.
Die beiden Reliefs als Hinweis auf das Meßopfer gedacht.
Auf der südlichen (Epistel-) Seite ist wiedergegeben ebenfalls eine Parallele aus dem Alten Testament: Davids Sieg über den Feind der Juden (Goliath) mit Beischrift:
HIC GOLIATH FVNDA JACET ICTVS IPSE DAVIDIS
Sowie als Gegenstück: Christi als Befreier der Seelen in der Vorhölle:
DESCENDENS CHRISTVS VICTOR CONFRIGIT AVERNVM.
Über diesen Teilen zieht ein reich ornamentierter Fries hin; über dem Kranzgesims steht, fast den Raum auf 2/3 Höhe ausfüllend, eine leichte Oberwand auf fünf Zwischenfeldern mit vorgestellten Säulchen, hinter denen ornamentierte Pilaster die Bogenumrahmungen tragen. Diese Bogen sind in der Fläche reich ornamentiert und haben auf dem Rücken, nach Art der Krabben gotischer Zeit, eine in Renaissancecharakter gehaltene Blumenzier, welche in der des Mittelfelds in Engelfiguren ausklingt, die den Unterbau eines gotischen Kruzifixus einrahmen.
Die erwähnten fünf Felder zeigen die folgenden Darstellungen:
Von Nord nach Süd:
Das Opfer Isaaks, daneben die Kreuztragung Christi, als Beziehung auf die darunter dargestellte Gruppe. In der Mitte als Beziehung zum krönenden Kruzifixus die Erhöhung der ehernen Schlange in der Wüste, sowie rechts die Grablegung Christi und die Versenkung des Jonas ins Meer, die beiden letzteren wieder feinsinnig anspielend auf die darunter dargestellte Szenen.
In der Mittelgruppe befindet sich das Wappen des Schenkers mit diesem selbst, als kniende Figur dargestellt, und die Beischrift: SOLI DEO GLORIA, sowie die Jahreszahl 1546. Als Widmungsbild die Gottesmutter mit dem Kinde, daneben die Patrone des Glaubens und der Kirche.
Auf der Chorinnenseite stehen in den gleichen Oberfeldern die gleichen Bilder wie außen, während an den Seitenfeldern der Türen angebracht sind nach Norden: Die Krönung Maria durch die heilige Dreifaltigkeit, Beischrift:
VIRGO MARIA POLI CONSCENDIT REGNA TRIVMPHO.
Darunter aus dem Alten Testament die Krönung der Esther durch Assverus. Beischrift:
HESTER AD HASSVERI THALAMVM REGINA LEVATVR.
Auf der Südseite entsprechend oben: Die Anbetung und Opfergabe der drei Weisen aus dem Morgenlande, Beischrift:
DONA MAGI CHRISTO MYRRHAM, AVRVM, THVSQVE TVLERVNT
als Gegenbild die Königin von Saba, mit Geschenken König Salomo huldigend. Beischrift:
DONA SABA SALOMON REGINE PLVRIMA SVMPSIT.
An den Wandpfeilern stehen zwei große Figuren: Petris und Paulus.
Im unteren Teile der Wand sind zwei Bildwerke angebracht, nördlich Adam und Eva vor dem Baum der Erkenntnis:
PRIMVS HOMO VIVENS ANIMA EST SINE LABE CREATVS
ET SIMILIS VITA. JVSTITIAQVE DEO
CALLIDVS HOC SERPENS POTQVAM PERSPERAT HÆVAM
INFICIT IMHEMOREM. JVSSA VERENDA SEQVI
HÆC SVBITO SOCIVM PERVERSI DÆMONIS ASTV
DECIPIT. INTEGRITAS QVO PRIOR ILLA PERIT
SED DEVS IMMENSA BONITATE MISERTVS ADAMI.
NATVM COELESTI. MISIT AB ARCE SVVM
QVI GENVS HVMANVM. MISERANDA MORTE REDEMIT
ET DETIT EXCELSI. TEMPLA SVBIRE POLI.
Auf der anderen Seite die Votivtafel des Stifters; die zwischen den Aposteln Petrus und Paulus sitzende Madonna mit dem Jesusknaben, zu ihren Füßen kniend der Donator (Spender) mit Wappenschild (drei Ringe) und der Beischrift:
Arnoldus veteri Freidagus stemmate opus
Sumptibus hoe propriis nobile struxit opus
Ante becem, intacte colui quo virginis edem
hec, ait, affectus sint monumenta mei,
Divitias reliquas dat paupertatis ad usus,
Ut flectant iram Christe benigne tuam,
Mille voluptatis alij sectentur, opesque
Ad poenam vertant impia turba suam.
Hie coeleste opibus numen placavit, egenis
in coelo pretium qui bene fecit, habet.
In den Einzelheiten zeigt der Aufbau noch viele gotische Anklänge; z. B. in allen Füllungen des Unterbaues durchkreuzende Stäbe nach spätgotischer Art, während weiter oben, namentlich in dem oberen Abschlusse und den Reliefs die Formenwelt der Frührenaissance Triumphe feiert.
Die obere Bekrönung zeigt einen (spätgotischen) hölzernen Kruzifixus mit Rundscheiben mit Evangelistensymbolen an den Enden, sowie seitlich die ebenfalls hölzernen Figuren der heiligen Maria und des heiligen Johannes. An allen dreien kamen unter der Tünche Reste von Polychromierungen zum Vorschein. Das Kreuz stammt vom älteren Lettnerbau.
[W] Der Hildesheimer Domlettner ist ein bild- und ornamentreicher Renaissance Lettner in Hildesheim. Seit 1960 steht er in der St.-Antonius-Kirche beim Kreuzgang des Hildesheimer Doms. Bis zur Kriegsauslagerung hatte er seinen Platz im Dom selbst alsliturgische Schranke zwischen dem Langhaus des Volkes und dem Hochchor des Domkapitels.
Der Lettner aus Baumberger Sandstein ist ein Werk von Johann Brabender und wurde 1546 fertiggestellt. Stifter war der Domherr Arnold Freitag.
Der Hildesheimer Domlettner zeigt den Aufriss einer repräsentativen Renaissance-Fassade. Er besteht aus einem Tür- und einem niedrigeren Giebel-Geschoss und ist senkrecht durch Pfeiler und Säulen in fünf Zonen gegliedert, die von je einem Rundbogen gekrönt sind. Der mittlere, höchste Bogen trägt das Triumphkreuz, die etwas niedrigeren rechts und links von ihm Vollplastikenvon Maria und Johannes unter dem Kreuz. Das Erdgeschoss hat zwei schmiedeeisernde, vergoldete Türen, dazwischen einen schmaleren Durchgang, der in die Kanzel führt.
Die Bogenfelder und Gliederungsbänder des Architekturaufbaus sind reich mit Ornamenten und paarweise einander zu- und abgewandten Putten und Phantasiegestalten sowie mit ausdrucksstarken, porträtartigen Gesichtern geschmückt.
Im Giebelbereich sind fünf, in den Außenzonen des Türgeschosses je zwei Reliefbilder eingelassen, und zwar sowohl auf der ehemaligen West-(Langhaus-)Seite wie auf der dem heutigen Besucher abgewandten Ost-(Chor-)Seite. Es handelt sich um Darstellungen alt- und neutestamentlicher Szenen, die einander typologisch zugeordnet sind. Die Bildauswahl geht vielleicht schon auf den Vorgängerlettner zurück; die Ikonographie ist jedoch modern und lehnt sich nachweisbar an zeitgenössische Gemälde und Stiche an.
Gesamtthema des Bildprogramms ist das stellvertretende Opfer Christi, das vor dem Lettner auf dem Altar eucharistischeGegenwart wird. Gipfel und Schlusspunkt aller Bilder ist daher das Kreuz. Diesem ist im Bildfeld darunter die Aufrichtung derKupferschlange zugeordnet, flankiert von Kreuztragung und Grablegung Jesu. Außen links ist die Opferung Isaaks, für den ein Widder eintritt, dargestellt; außen rechts Jona, der zur Rettung der Mitfahrer vom Schiff ins Meer geworfen wird. Diese Szenen erscheinen sowohl auf der Volks- wie auf der Chorseite.
Dagegen unterscheiden sich die vier Bilder neben den Türen. Die Volksseite setzt das Messopfer-Thema mit dem Letzten Abendmahl und der Brot- und Weingabe Melchisedeks an Abraham (links) sowie mit dem Sieg Christi über das Totenreich und dem Sieg Davids über Goliath (rechts) fort. Die Chorseite dagegen weist hier mit den Szenen der Königin von Saba vor Salomo, der Anbetung der Könige, der Königin Ester vor Ahasver und der Krönung Mariens auf den Mitvollzug des Opfers Christi durch Maria und alle Gläubigen hin.
Die Kanzel zeigt den auferstandenen Christus (Mitte) sowie Maria und den hl. Bernward als Dompatrone und die vier Evangelisten.
Text-Quelle:
Bildquelle:
- Ansichtskarten
- Foto / Bild
[1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Kirchliche Bauten; Selbstverlag, Hannover 1911;
Seite 78ff
[W] http://de.wikipedia.org/wiki/Hildesheimer_Domlettner
Privatbesitz H.-J. Brand
[1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Kirchliche Bauten; Selbstverlag, Hannover 1911;
Tafel VIII nach Seite 80