Der Altar der ältesten (Marien-) Kapelle des Altfridschen Münsters stand unterhalb und außerhalb des neuen Heiligtums am äußeren Ostteil der Gruft. Diese Domanlage riss Azelin nieder und erst unter Hezilo wird sie wiederhergestellt, wobei jedoch eben dieser äußerste östlichste Teil der Gruft nicht zur Vollendung kam.
Die Klärung der Baugeschichte wurde neuerdings ermöglicht durch die Stiftung, welche der Bankier Theodor Pistorius zu Hildesheim zu Ehren des fünfzigjährigen Priesterjubiläums des Bischofs Wilhelm zu Gunsten einer Wiederherstellung der Gruft machte.
Diese war nämlich um die Mitte des 17. Jahrhunderts mit Unterstützung des Domkapitulars Franz Anton von Wissocque in barockem Sinn umgebaut und in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vom Fürstbischof Friedrich Wilhelm von Westfalen vollendet worden.
Mit dünnen Platten rotbraunen Harzmarmors hatte man die alten Säulen umkleidet und dadurch eine Pfeilerkirche geschaffen. Nach Ausbruch dieser Zutaten kamen die freilich arg verstümmelten alten romanischen Säulen und Kapitelle wieder zum Vorschein, die so verdorben waren, daß man sie gänzlich in Granit erneuern mußte. Diese Arbeit wurde in den Jahren 1896-97 durch Baurat Herzig ausgeführt.
Es ergibt sich aus dem Nachweis der Bischofsgräber vor Hezilos Zeit, daß der älteste Teil, der Westteil der Krypta, unter der Vierung lag und noch dem ersten Dombau Alfrids angehört.
Der älteste Dombau Altfrids bestand daher aus einer Basilika mit Querhaus und direkt angefügter halbkreisförmiger Chorapsis, wie sie die früheste Hirsauer Schule zu bauen pflegte. Unter Hezilo kommt das sogenannte Chorquadrat hinzu, das ebenfalls nach Osten geradlinig abschloss und erst später durch die halbrunde Apsis Bertholds zwecks Einbeziehung der alten Marienkapelle erweitert wurde.
Die Domgruft stellt sich demnach dar als Werk aus drei Bauzeiten: Die Altfridgruft mit der Confessio westlich, der quadratische Hezilobau östlich, endlich die Bertholsche Apsis. (Im Grundriß durch verschiedene Schraffur gekennzeichnet).
Der dreischiffige Ostteil der Krypta besteht aus vier ungleich breiten Jochen mit großen, im 18. Jahrhundert erweiterten Fenstern, der Westteil aus drei Jochen gleichen Abstandes; beide Teile sind durch zwei Pfeiler getrennt, im Westen schließt sich die Confessio an.
Die Einzelheiten der Krypta sind bescheiden. Konstruktiv von Interesse ist die ältere Form des römischen Kreuzgewölbes des älteren westlichen Teiles gegenüber der gleichen Decke späterer Zeit im Ostteile mit getrenntem Gurtbogen. Die Kämpfer bestehen aus Schräge und Platte, die Kapitelle sind als einfache Würfelkapitelle nach den ursprünglichen Formen gebildet; die Basis zeigt die typische sogenannte attische Form.
Die Ausstattung ist modern; sehr schön der Altarschrein des Kryptenaltares von Goldschied Bernard Witte in Aachen, sowie die älteren schönen schmiedeeisernen Gittertüren, welche seitlich vom Hochchore in die Gruft hinuntergehen. Ursprünglich war sie zugänglich durch zwei Türen, seitlich vom Kreuzaltar, die direkt auf die Seitenaltäre des heiligen Johannes und des Erzmärtyrers Stephanus führten, welche wohl an Stelle der jetzigen neuen seitlichen Zugänge standen. Sie wurden schon im 18. Jahrhundert durch neue ersetzt, die am 7. September 1760 geweiht wurden.
Von der Unterkirche führt ein kleines Türchen nach Westen zu einer einzigartigen Anlage, der sogenannten Confessio unter dem früheren Kreuzaltar, welche als ursprüngliche Ruhestätte der Gebeine des heiligen Epiphanius anzusehen ist.
Sie besteht aus einem kleinen Altarraum, ca. 1,5 m breit und 80 cm tief, dessen Schmalseiten im oberen Drittel aus zwei mit kleinen Öffnungen durchbrochenen bogenförmigen Steinplatten mit inneren Aushöhlungen ausgekleidet sind. Diese obere Erweiterung sollte offenbar dazu dienen, dem nur 2,4 m hohen Raum, in dem ein Priester zur Not Gebete verrichten konnte, nicht nur Licht zuzuführen, sondern auch liturgisch mit dem darüber stehenden Kreuzaltar verbinden. Nach Westen schließt sich an dieser engen Kammer ein 1,56 m langer, aus Platten gebildeter, 1,04 m hoher und 84 cm breiter Sargraum an, in dem wohl zuerst die Gebeine des Heiligen ruhten. Den Eingang zu der Anlage bildet jenes Türchen, das mit einem oben flach gebogenen Steinsturz horizontal abgedeckt ist.
Baugeschichtlich ist dabei die Tatsache von hohem Interesse, daß wahrscheinlich in Hildesheim der Laib des St. Epiphanius in ähnlicher Weise bestattet wurde, wie er in Pavia vorher ruhte. Dort war der Sargraum eine von Mauern umgebene Gruft, mit schweren Platten gedeckt, von einem Altar überbaut und durch das Gewicht einer freistehenden Säule beschwert.
Beim Raub der Gebeine mußten die beiden Priester diese Säule umstürzen und die Platte sprengen. Bertram vermutet deshalb auch, daß die sogenannte Irminsäule – ein Säulenschaft aus Kalksinter – im Mittelalter als Kandelaber benutzt und "statua" genannt, jetzt vor dem Kreuzaltar stehend, ursprünglich hinter dem Kreuzaltar und auf der Confessio stand.
Im 13. Jahrhundert wurde für die Gebeine Godehards ein Prachtschrein gestiftet, dem später ein zweiter für die Reste des heiligen Epiphanius folgte. Beide wurden dann in dem Hochaltar aufgestellt.
Die Übereinstimmung des ältesten Teiles der Krypta mit ihrer jetzigen westlichen Hälfte wurde durch die Gräber erwiesen, welche hier – also unter der Domvierung – liegen: in der Mitte das des heiligen Godehard; nördlich das Bischof Osdags; südlich das Bischof Dithmars. Diese Gräber wurden gelegentlich der Arbeiten zur Trockenlegung des Raumes geöffnet.
Text- und Bildquelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Kirchliche Bauten; Selbstverlag, Hannover 1911; Seite 36f