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Bürgerrecht für Hörige
Erwerb der Bürgerschaft
Viel vorsichtiger als bei der Einbürgerung freier Leute verhielt sich die Stadt gegen die Aufnahme von Hörigen ins Bürgerrecht. Zum Teil wohl, um Zusammenstöße mit den Grundherren zu vermeiden, vor allem aber, da der Bauernstand an Geltung ebenso verloren hatte wie sich die bürgerliche Freiheit immer mehr erhob. Bereits zu Anfang des 15. Jh. verbot daher eine Ratsanordnung bei 5 Mark Strafe die Ehen zwischen Freien und Hörigen. Schon vorher war diesen das Braurecht in der Stadt gesperrt, und zuletzt schlossen auch die Innungen die Laten dann von ihren Reihen aus.
Text-Quelle: Gebauer, „Geschichte der Stadt Hildesheim“; A. Lax-Verlag Hildesheim, 1922; Band 2, Seite 177
Zur Erwerbung der Bürgerschaft war die freie Geburt und ein „ehrliches Herkommen“, d.h., die Abkunft von solchen Eltern, die keine „verächtliche Handthierung“ getrieben hatten, erforderlich.
Bei den Kindern der Bürger, die das Bürgerrecht von ihren Eltern ererbt hatten, war weder ein neuer „Einkauf“, - wofür ein Fremder zwanzig Thaler erlegen mußte - noch der Nachweis der erforderlichen „Befähigung“ notwendig. Der Fremde mußte aber bescheinigen, daß er „ehelich geboren, eines ehrlichen freien Geschlechts, Niemands Late, oder Eigen sey“.
Die Räte in den Städten nahmen es mit diesem Nachweis, um die Zahl ihrer Bürger zu vermehren, nicht immer sehr genau und so schlichen sich häufig „eigne“ (unfreie) Leute in die freie Bürgerschaft. Die Leibherren forderten diese zurück und dann gab es Zwistigkeiten, die den Stoff der unglücklichen Fehden nicht selten vermehrten. Mehrere Städte erwarben daher kaiserliche Privilegien, nach welchen binnen einer bestimmten Frist, von der Erwerbung des Bürgerrechts angerechnet, die „Eigentumsrechte“ des „Leibern“ (Leibeigner) gegen seinen eingebürgerten Leibeignen, durch eine erlöschende Verjährung, aufgehoben wurden. Meistenteils genügte der Ablaufs von „Jahr und Tag“, um den neuen Bürger gegen etwaige, aus seinem vorigen Stande, sich ergebenden Ansprüche zu sichern.
Die Stadt Hildesheim schloß mit Bischof Heinrich v. Woldenberg unter Zustimmung des Domkapitels am St. Ulrichstage 1313 (4.6.) einen merkwürdigen Vertrag über diese Angelegenheiten ab. Nach diesem Vertrag verzichtete der Bischof und das Kapitel auf die damals in die Bürgerschaft bereits aufgenommenen eigenen Leute, der Rat aber an eidesstatt versprechen, keine Laten oder eigene Leute als Bürger aufzunehmen, diese hätten sich erst von ihrer Herrschaft „geledigt und seyen wirklich frei“. Außerdem so versicherten sich beide Seiten, solle jeder neu aufzunehmende Bürger auf die Heiligen schwören, daß er ein freier Mann ist und sich von dem Rate „hiernächst“ einen Bürgerbrief erteilen lassen. Diesen Brief solle der neue Bürger dem Unterküster beim Dome vorlegen und sich von diesem, mit einem besonders dazu gemachten Siegel, kostenfrei besiegeln lassen, dazu aber das Wachs selbst mitbringen.
Nach zwei Jahren von der Besiegelung des Briefes angerechnet, verspricht der Bischof und das Kapitel den neu aufgenommenen Bürger als freien Bürger anzuerkennen. Bei einer binnen zwei Jahren erhobenen und begründet gefundenen Einspruch sollte dagegen der Rat den Beschuldigten „ausfolgen mit allem seinen Vermögen, mit Ausnahme eines Drittels, ausschließlich jedoch der Lehn- und Latgüter, welches Drittel der Stadt verbleiben solle“. Das einmal erworbene Bürgerrecht konnte selbst bei dem Fortziehen aus der Stadt erhalten werden, wenn der Fortziehende den städtischen Vorschoß (Kopfsteuer), und wenn er liegende Gründe oder zinsbar ausstehende Gelder in der städtischen Gerichtsbarkeit besaß auch davon den Nachschoß, entrichtete. Auswärtige welche in diesem Verhältnisse standen, nannte man auch hier „Ausbürger“ und wenn sie in die städtischen Mauern zurückkehrten traten sie in den völlig gleichen Genuß aller bürgerlichen Rechte zurück.
Die strengen Grundsätze einiger Städte welche durchaus keine Ausbürger anerkannten und das Bürgerrecht schlechterdings von dem Wohnsitze in der Stadt abhängig machten, hat man hier nie angenommen.
(im Original übernommen)
Text-Quelle: „Beiträge zur Hildesheimer Geschichte“; Gerstenberg-Verlag Hildesheim; 1829, Band 1 Seite 202