Wenige Tage bereits nach Ausbruch des Krieges im August 1914 machte sich, namentlich in den Grenzgebieten des Reiches, ein Mangel an Zahlmittel fühlbar, der große Unzuträglichkeit für Handel und Verkehr im Gefolge hatte. Hervorgerufen wurde er durch den gerade in der ersten Zeit erhöhten Geldbedarf, vor allem aber durch das unverständige Festhalten des Geldes seitens der Bevölkerung.
In Hildesheim wurde die Frage der Herausgabe von Notgeld bereits zu Anfang des Jahres 1917 erwogen, doch wurde der Gedanke damals wieder fallen gelassen wegen der vom Minister daran geknüpfte Bedingungen und weil man hoffte, auch ohne dieses Hilfsmittel auskommen zu können., wenn das immerhin reichlich vorhandene Kleingeld vom Publikum nicht unvertändigerweise zurückgehalten und aufgespeichert würde. Es wurden gleichzeitig Vorkehrungen getroffen, um das in den Gas- und anderen Automaten, bei der Straßenbahn usw. sich ansammelnde Kleingeld schleunigst wieder dem Verkehr zuzuführen.
Trotz aller dieser Maßnahmen machte sich dennoch im Verlaufe der Zeit ein Mangel an Wechselgeld fühlbar. Da eine weitere Steigerung hierin erwartet wurden mußte, aus der Einwohnerschaft mehrfach Anregungen zur Ausgabe von Notgeld erfolgt waren, endlich auch die Handelskammer einen dahinzielenden Antrag eingebracht hatte, so beschlossen auf Antrag des Magistrates die städtischen Kollegien am 7.01.1918 die Prägung von Ersatzgeld in Werten zu 10 und 5 Pfennig und in einem Umfange von je 100000 Stück. Der Regierungspräsident erteilte hierzu am 15. Oktober seine Genehmigung, und am 15. November wurden für die geforderte Sicherheit 20000 Mark in Kriegsanleihe als gesperrtes Guthaben bei der Reichsbank bis zur Wiedereinlösung des zu prägenden Notgeldes hinterlegt.
Mit der Anfertigung der Münzen wurde durch Vertrag vom 31.10.1918 die bereits seit dem Jahre 1792 bestehende Münzprägeanstalt von L. Chr. Lauer in Nürnberg durch Vermittlung der Gravieranstalt von H. Uhl in Hildesheim beauftragt.
Die Ausprägung konnte nur in Eisen erfolgen, da anderes Metall nicht mehr zur Verfügung stand; die Proben wurden am 2. Dezember geliefert, die ersten Münzen mit Bekanntmachung des Magistrates vom 30.1.1919 in den Verkehr gebracht. Die letzte Lieferung erfolgte am 17.4.1919.
Es sind im Ganzen ausgeprägt worden: 100230 Stück zu 10 Pfennig, 100910 Stück zu 5 Pfennig, deren Gesamtkosten 509,47 Mark betrugen. Sämtliche Stücke führen die Jahreszahl 1918.
Während die Vorbereitung zur Ausprägung dieser Notmünzen zu 10 und 5 Pfennig noch im Werke waren, trat an die Stadt die Aufforderung heran zur Ausgabe von Notgeldscheinen in größerem betrage und in höheren Werten. Das Reichsbankdirektorium in Berlin hatte sich nämlich mit Telegramm vom 3.10.1918 an die nachgeordneten Stellen gewendet, die in ihrem Bezirke belegenden größeren Kommunen und Industriegesellschaften unverzüglich aufzufordern, der Anfertigung und Ausgabe von Notscheinen näherzutreten. Aller Voraussicht nach würde in nächster Zeit ein ganz außerordentlich starker Bedarf an Zahlungsmitteln sich geltend machen, den die Reichsbank nicht befriedigen könne, da die Bestände an Noten und Scheinen nahezu erschöpft seien und die Reichsdruckerei neue Stücke nur in beschränktem Umfang herzustellen vermöge. Es wäre die schleunigste Anfertigung namentlich von Stücken zu 5, 10 und 20 Mark vorzubereiten, die bis längstens den 30.11.1918 umlaufen sollten und dann zurückzuziehen seien.
Mit Rücksicht auf die technischen Schwierigkeiten, die erheblichen Kosten und die Fälschungsgefahr wurde dieser Auftrag in der Sitzung der städtischen Kollegien vom 1. Oktober abgelehnt, und das mit Fug und Recht! Allein schon die Festsetzung einer so kurz bemessenen Geltungsdauer, die nicht einmal genügt hätte, um die Scheine überhaupt herzustellen, zeugte bei den anregenden Stellen von einem gänzlichen Verkennen der Sachlage.
Auf Interpellation des Geschäftsführers des Deutschen Städterates in Berlin erfolgte denn auch schon am 8. Oktober vom Reichsbankdirektorium eine neue Runddrahtung (Telegramm) und an demselben Tage von den Ministern des Inneren, der Finanzen und für Handel und Gewerbe ein gemeinsamer Erlaß, als Erläuterung des ersten Telegramms, dessen wenig glückliche Fassung zu den verschiedenartigsten fragen und Anschauungen Anlaß gegeben hatte. Die Gültigkeitsdauer der zu verausgabten Scheine wurden bis zum 1.2.1919 verlängert, die Hälfte der Herstellungskosten und der durch etwaige Fälschungen entstehenden Verluste von der Reichsbank übernommen, alle Staatsbehörden zur Annahme des Notgeldes ihres Bezirks ermächtigt und von einer Sicherstellung durch Hinterlegung einer dem Gesamtbetrages des zu verausgabten Notgeldes entsprechenden Summe Abstand genommen.
Unter diesen allerdings wesentlich veränderten Verhältnissen, und weil doch auch für die Stadtverwaltung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Kämmereikasse und der städtischen Sparkasse ein starkes Interesse für die Herausgabe von Notgeldscheinen bestand, fand ein erneuter Antrag der Reichsbank unter Befürwortung des Magistrates die Zustimmung des Bürgervorsteherkollegiums. In der Sitzung vom 18.10.1918 wurde die Ausgabe von Notscheinen beschlossen, und zwar in folgendem Umfange:
200000 Stück zu 25 Pfennig im Nennwert von 50000 Mark
500000 Stück zu 50 Pfennig im Nennwert von 250000 Mark
80000 Stück zu 5 Mak im Nennwert von 400000 Mark
60000 Stück zu 10 Mark im Nennwert von 600000 Mark
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840000 Scheine im Nennwert von 13000000 Mark
Mit der beschleunigten Anfertigung sollte die als sehr leistungsfähig bekannte Firma J. C. König & Ebhardt in Hannover beauftragt werden, mit der bereits Vorverhandlungen stattgefunden hatten. Ein beschränkter, freilich sehr kurzfristiger Wettbewerb für die Entwürfe zu den Scheinen wurde ausgeschrieben, an dem sich aber nur die Herren Sandtrock und Kunstmaler und Lehrer C. Saeger, beide von der Kunstgewerbeschule zu Hildesheim, beteiligten, und eine Kommission, bestehend zumeist aus Mitgliedern des Magistrates, zur Prüfung der eigehenden Entwürfe ernannt.
Auf Drängen der Handelskammer und der Banken wurde am 12.11.1918 beschlossen, die Zahl der beiden höherwertigen Scheine zu verdoppeln, so daß also in Bestellung gegeben wurden: 160000 zu 5 Mark und 120000 Stück zu 10 Mark und der Wert der nunmehr insgesamt anzufertigen 980000 scheine zusammen 2300000 Mark betrug.
Die erste Ablieferung, und zwar von 10-Mark-Scheinen, erfolgte am 20.11.1918; am 8.1.1919 war die ganze Lieferung beendet.
Die gesamten Herstellungskosten beliefen sich laut Abrechnung vom 26.2.1919 auf 20707,98 Mark. Hiervon entfielen
auf die Stadt……………………3840,75 Mark
auf die Reichsbank……………10353,99 Mark
auf die Handelskammer………...5176,99 Mark
auf die Hildesheimer Bank……..1336,25 Mark
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Zusammen 20707,98 Mark
Die kleinen Scheine zu 25 und 50 Pfennig erfreuten sich schnell der Gunst der Bevölkerung und wurden willig in der Stadt und in ihrer Umgebung genommen, auch in den benachbarten Städten, wie Hannover und Braunschweig, als eine Folge der regen Beziehungen mit diesen Orten. Sie kamen stark in Umlauf, ein Beweis für ihr Bedürfnis und damit für die Notwendigkeit ihrer Ausgabe. Während ihre Gültigkeitsdauer über das ursprüngliche Einziehungsdatum, den 1. Februar 1919, hinaus bis auf weiteres verlängert wurde, war für eine „Einbürgerung“ der großen Scheine zu 5 und 10 Mark die Umlaufsfrist viel zu kurz bemessen.
Und wenn die Gültigkeit auch bis zum 1.April ausgedehnt wurde und die Annahme bei den städtischen Kassen bis zum 15.4.1919, so strömten die Scheine doch schon bald wieder zurück, nachdem sie kaum ausgegeben worden waren, da die Masse der Bevölkerung sie bald wieder abzustoßen suchte, um durch Versäumung der Einlösungsfrist nicht etwa zu Schaden zu kommen. In sehr entgegenkommender Weise hat der Magistrat die Einlösungsfrist schließlich noch bis auf den 10.11.1919 verlängert, so daß jedem Besitzer von solchen scheinen überreichlich Gelegenheit gegeben war, sich ihrer zu entledigen.
Die Vorwürfe, die anderen Gemeindeverwaltungen nicht mit Unrecht gemacht worden sind, durch Verweigerung der Einlösung nach verstrichener kurzbemessener Frist einen erheblichen Nutzen für den Stadtsäckel herausgeschlagen zu haben, können hier in Hildesheim wirklich nicht erhoben werden. Der Nutzen aber, den die Verausgabung dieser großen Scheine dem Verkehr gebracht hat, ist nur gering zu veranschlagen und steht nicht im Verhältnis zu den Kosten, den ihre Herstellung verursacht hat. Zugleich liegt hierin der Beweis für die Richtigkeit des oben ausgesprochenen Urteils über die geringe Sachkunde der Urheber jener Reichsbankdepesche vom 3.10.1918. die die Geltungsdauer der Großscheine nur bis zum 30.11.1918 ausgedehnt wissen wollte!
Trotz der doch nicht geringen Menge der mit der Jahreszahl 1918 geprägten 10- und 5-Pfennig-Stücke verliefen sie sich im Verkehr doch verhältnismäßig schnell, so daß sich im Laufe des Jahres 1919 ein weiterer Bedarf an kleinen Zahlungsmitteln fühlbar machte und einer Neuprägung nähergetreten wurde.
Es ist der Verdienst des Oberrevisors und Vorsteher des städtischen Revisionsamtes Herrn Staacke, die Frage der Notgeldbeschaffung dauernd im Auge behalten und bei erkannter Notwendigkeit zu ferneren Erörterungen angeregt zu haben.
Am 30.6.1919 bewilligte die städtischen Kollegien die Kosten zur Ausprägung weiterer 200000 Stück zu 10 Pfennig und 100000 Stück zu 5 Pfennig, mit der Maßgabe, daß der Durchmesser der 5-Pfennig-Stücke zu verringern sei, da der bisherige Größenunterschied beider Werte von nur knapp 1 ½ mm sich im Verkehr störend bemerkbar gemacht und zu Verwechselungen der Geldstücke häufig Anlass gegeben habe. Die Ausführung des Beschlusses zog sich etwas hin. Erst am 2.8.1919 wurde, wiederum durch Vermittlung von H. Uhl, der Vertrag zur Ausprägung abgeschlossen, diesmal mit der Metallwarenfabrik von G. Brehmer in Marktneukirchen i.S. die erste Lieferung von 10-Pfennig-Stücken erfolgte am 13. September, die letzte im November 1919, wohingegen die der 5-Pfennig-Stücke wegen eingetretener Materialmangels sich sehr verzögerte und sich bis Mitte Juni 1920 hinzog.
Geprägt wurden 200000 Stück zu 10 Pfennig und 100000 Stück zu 5 Pfennig, sämtlich, auch die erst spät im Jahre 1920 gelieferten, mit der Jahreszahl 1918. Die Gesamtkosten betrugen 5311,70 Mark.
Aber auch diese neue Prägung vermochte den Bedarf an kleinen Zahlmittel nicht zu decken. Dazu kam, daß auch die meisten der im Verkehr sehr beliebten 25-Pfennig-Scheine infolge des starken Umlaufs allmählich in einen sehr schlechten Zustand geraten waren und der Erneuerung dringend bedurfte.
„Der Mangel an Kleingeld wächst und nimmt immer mehr den Charakter eines Notstandes an. Da das vom Staate herausgegebene Kleingeld sofort aufgekauft wird und aus dem Verkehr verschwindet, wird durch diese Neuprägungen dem Übelstande nicht abgeholfen. Die Stadt ist deshalb genötigt, im Interesse des öffentlichen Verkehres und der Einwohnerschaft weiteren Kleingeldersatz herauszugeben.“ So lautete die neue Vorlage des Magistrates an die städtischen Kollegien, die dann auch in richtiger Würdigung des Notstandes am 12.4.1920 die Beschaffung von weiteren je 100000 Stück zu 5 und 25 Pfennig in Eisenprägung beschlossen, trotz der ganz außerordentlich gestiegenen Anfertigungskosten. Die Genehmigung des Ministers für Handel und Gewerbe dazu erfolgte am 18.5.1920.
Da G. Brehmer den Auftrag ablehnte, - „es mangele ihm an dazu passendem Material, und er sei auch mit Aufträgen auf Monate hinaus überbeschäftigt,“ – so wurde mit L. Chr. Lauer, der auch die ersten städtischen Eisenmünzen geprägt hatte, in Verhandlungen getreten und ihm am 12. Juni der Auftrag erteilt. Die erste Lieferung erfolgte am 6., die letzte bereits am 27. Juli.
Ausgeprägt wurden im Ganzen 100010 Stück zu 25 Pfennig und 102501 Stück zu 5 Pfennig, sämtlich mit der Jahreszahl 1920. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 22568,35 Mark, waren also gegen 1918 um das Fünffache gestiegen.
Noch während die Verhandlungen übe diese Ausprägung im Gange waren, hatte die Hildesheimer Bank im Namen der Vereinbarung der anderen hiesigen Banken und Bankiers das dringende Ersuchen an den Magistrat gerichtet, „für die Erneuerung der kleinen Scheine und für die Vermehrung derartiger kleiner Zahlmittel schnellmöglichst Sorge zu tragen“.
Diese Anregung wurde Folge gegeben, die städtischen Kollegien genehmigten am 24.6.1920 die Anfertigung von 200000 Stück 25-Pfennig-Scheine nach dem Muster der ersten Ausgabe, und am 2. Juli wurde der Vertrag mit der Firma König & Ebhardt in Hannover abgeschlossen, die ganze Lieferung erfolgte am 10. September, die Gesamtkosten betrugen 11010,40 Mark.
Die Gesamtausgabe des Hildesheimer Notgeldes in den Jahren 1918-20 mag die folgende Übersicht veranschaulichen:
Münzen:
Ausgabe |
Wert |
Stückzahl |
Mark Gesamtwert |
Mark Kosten |
1. Ausgabe 1918 |
5 Pfennig |
100910 |
5.045,50 |
4.509,47 |
1. Ausgabe 1918 |
10 Pfennig |
100230 |
10.023,00 |
|
2. Ausgabe 1919 |
5 Pfennig |
100000 |
5.000,00 |
5.311,70 |
2. Ausgabe 1919 |
10 Pfennig |
200000 |
20.000,00 |
|
3. Ausgabe 1920 |
5 Pfennig |
102501 |
5.125,05 |
22.568,35 |
3. Ausgabe 1920 |
25 Pfennig |
100010 |
25.002,50 |
|
|
703.651 |
70.196,05 |
32.389,52 |
Scheine:
Ausgabe |
Wert |
Stückzahl |
Mark Gesamtwert |
Mark Kosten |
1. Ausgabe 1918 |
25 Pfennig |
200000 |
50.000,00 |
20.707,98
|
1. Ausgabe 1918 |
50 Pfennig |
500000 |
250.000,00 |
|
1. Ausgabe 1918 |
5 Mark |
160000 |
800.000,00 |
|
1. Ausgabe 1918 |
10 Mark |
120000 |
1.200.000,00 |
|
2. Ausgabe 1920 |
25 Pfennig |
200000 |
50.000,00 |
11.010,40 |
|
1.180.000 |
70.196,05 |
31.718,38 |
Gesamt Ausgabe |
Mark Gesamtwert |
Mark Kosten |
Münzen und Scheine |
2.420.196,05 |
64.107,90 |
Das sind gewiß stattliche Summen, die wohl geeignet waren, die Kleingeldnot in der Stadt zu lindern, von der man nunmehr, nach der starken Ausprägung des Jahres 1920, auch nicht mehr viel spürt.
Das Gesamturteil über das Hildesheimer Kriegs-Notgeld von 1918-1920 muß dahin lauten, daß die Ausgabe einem dringendem Bedürfnisse entsprang und durch seine Schaffung Schwierigkeiten im täglichen Handel und Verkehr überwunden worden sind, daß die Wahl der Wertstufen zweckmäßig, die Mischung von Scheinen und Metallgeld angemessen war, daß in den Darstellungen der künstlerische Standpunkt gewahrt blieb und die Beziehungen zur Stadtgeschichte entsprechend und würdig zum Ausdruck kamen.
Das Kriegsnotgeld von 1918-1920 wird für uns und die späteren Geschlechter ein eigenartiges Erinnerungszeichen bilden an die ereignisreiche und harte Zeit, die wir durchlebt haben und deren Zeugen wir noch heute sind.
(im Original übernommen)
Text-Quelle:
M. v. Bahrfeldt: Das Hildesheimer Kriegs-Notgeld von 1918 bis 1920, Alt-Hildesheim, Westermann 1920, Braunschweig, Bd. 3, S. 38ff