[1] Das an dem Gebäude Andreasplatz Nr. 1 (437) angrenzende Pfeilerhaus (Andreasplatz Nr. 28) bildet zugleich eine Durchfahrt als kürzeste Verbindung von Markt(Andreas)kirche und Rathaus (Bild rechts).
Das Gebäude steht mit seiner Südseite auf zwei Pfeilern, die, nach mittelalterlicher Weise gefast mit geschwungenen Schrägen auslaufen und die Inschrift 1623 tragen.
Der Grundriß des Hauses (Bild 1) zeigt, daß der Oberbau über den Pfeilern als Verlängerung eines älteren Hauses mit Steinpfeilern in den Platz vorgeschoben wurde.
Das Haus hat zwei vorkragende OG und dreimal vorkragende Giebel nach dem Andreasplatze, nach diesem sechs Spann, an den Seiten vier Spann breit
(Bild 2). Der Aufbau ist sehr harmonisch.
Über einer mit Flachornament gezierten Setzschwelle stehen Pfosten mit flachen, frei komponierten korinthischen Halbsäulen (Bild 3), im OG stattdessen die bekannten Kandelabersäulchen. Füllbalken und Balkenköpfe gleichfalls ornamental behandelt.
In der Durchfahrt an der Nordseite ebenfalls reich geschnitztes Pfostenwerk, das übrige leider modernisiert. Ein sehr schöner Konsol trägt den Unterzug der Decke (vgl. Bild 4).
Das Gebäude ist besonders reich mit Figurenschmuck bedacht. Die Architektur des Hauses wie namentlich auch die Reliefs sind wesentlich besser als alle übrigen einheimischen Arbeiten dieser Art.
Der bildnerische Schmuck verteilt sich in folgender Weise:
Westseite: an den Brüstungsfeldern des I. Geschosses die neun Musen, von denen eine – MELPOMENE – fehlt: URANIA (mit Horn) – POLIMNIA - EVTERPE – TERPSICHORE;
im Obergeschoß: TALIA – CLIO – ERATO und CALIOPE, alle in der schon an der Neustädter Schenke beschriebenen Weise symbolisiert.
Südseite: Von oben nach unten: im Giebeldreieck: JVSTITIA, daneben im linken Feld eine weibliche Figur ohne Beischrift (nach ihrer koketten Lage zu schließen „Eitelkeit“?); im zweiten Giebelgeschoß vier freie Allegorieb, und zwar:
VERITAS (Kriegergestallt), - CONST(N)TIA – (liegende Frauengestallt, eine feste Säule umfassend), - MISERICORDIA (für Caritas, Symbole undeutlich) und HVMILIA (für Demut, sonst wie vor), teilweise stark verwittert.
Im ersten Giebelgeschoß sind die nachstehenden Allegorien wiedergegeben:
LIBERALITAS (Freigiebigkeit, sitzende Frauengestallt mit Geldbeutel) – PAX (liegende Frauengestallt mit Friedenspalme) – CONCORDAI (Einigkeit, liegende Frauengestallt mit Taube auf der Hand) – AMOR (als solcher in den Personifikation jener Zeit sonst nicht vorkommend) – CAST(I)DHAS (sonst die erste der Grazien – hier als Züchtigung mit der Rute gedacht) – MANSVETVD (Sanftmut, Frauengestallt, ein Tuch mit Antlitz Christi – Veronikaschleier – haltend) – sowie darüber im zweiten OG: PRVDENTIA – candor (Rechtschaffenheit; Frauengestallt mit Lorbeerkranz) – HVMANITAS (Menschlichkeit, Frauengestallt mit Pfeil, daneben schäkernde Tauben) – PARSIMONIA (Sparsamkeit, Frauengestallt mit Geldtruhe) – DILIGE(N)TIA (Fleiß, Frauengestallt mit Goldschmiedearbeit in der Hand) – LABOR (Arbeit, desgl. mit Arbeitsgerät); ferner im ersten Geschoß die Tugenden: PIETAS (Frömmigkeit, Frauengestallt in Betstellung) – FIDES – SPES und CARITAS zugefügt, dazwischen zwei sehr schön stilisierte Wappen, links: Schild mit Kreuz und zwei Rosen und Unterschrift des Bauherrn: R. CVRDT ∙ PEINE; rechts: Schild mit Baum sowie Inschrift der Hausfrau: ILSE ∙ LINNEN.
Unterhalb der mit sehr gut gezeichneten Wappenhaltern versehenen Hausmarke in der Setzschwelle die Inschrift:
MENS VNI CONFISA DEO MENS CONSCIA RECTI
CONTEMNET MORSVS INVIDE MOME TVOS.
Daneben in Deutsch:
Traw Gott dein gut gewissen betracht
Mißgunst der menschen wenig acht.
An der Ostseite der Durchfahrt sieht man die Planeten: LVNA – PALLAS (mit dem Kommandostab über Wasser und Geschütz), NEPTVNVS (mit dem Ruder) – VVLCAN9(VS) als schmiedender Gott; oben: MARS mit Schwert, umgeben von Geschütz, SOL als Planet mit der Sonnenscheibe und VENVS mit Amor, die im sonstigen alle als Götter angedeutet sind.
[ ] Das 1632 von dem Ehepaar Peine als Handels- und Geschäftshaus erbaute Haus stand neben dem → Umgestülpten Zuckerhut
Das Pfeilerhaus war durch seine Konstruktion mit dem Straßenüberbau das eigenartigste zur damaligen Zeit und durch seinen reichen Schmuck bemerkenswert. Mit drei Pfeilern und mächtigen Setzbalken hatte man die Fahrstraße überbrückt und je zwei Ober- und Dachgeschosse errichtet. Der dritte Pfeiler war wegen dem kleinen Häuschen im Unterbau nicht zu sehen.
Die Überbauung mit der gesamten Hauslänge von 9 m war der freitragende Teil des Pfeilerhauses. dadurch entstand ein Durchgang zwischen dem umgestülpten Zuckerhut und den Häusern der Nordseite.
Auch in einer anderen Beziehung war das Pfeilerhaus in Hildesheim einmalig: Kein anderes Haus wies so viele Abbildungen guter Eigenschaften auf. Laster fehlten völlig.
Auf der Westseite zeigt es die Muse – die neun Schutzgöttinen der schönen Künste und Wissenschaften.
Auf der Südseite ganz oben justitia (Gerechtigkeit), darüber veritas (Wahrheit), constantia (Beständigkeit), misercordis (Barmherzigkeit), humilitas (Demut). Darunter befinden sich liberalitas (Freigebigkeit), pax (Frieden), concordia (Eintracht), amor (Liebe), castitas (Keuschheit) und mansuetudo (Milde).
Ferner im zweiten Stock: prudentia (Klugheit), candor (Glanz), humanitas (Menschlichkeit), parsimonia (Sparsamkeit), diligentis (Fleiß) und labor (Arbeit).
Im ersten Stock befanden sich: pietas (Frömmigkeit), fides (Glaube), spes (Hoffnung) und charitas (Liebe).
An der Seite zum Hohen Weg waren folgende Götter sichtbar gewesen: Mars, Sol, Venus, Luna, Pallas, Neptun und Vulcan.
Die Untere Setzschwelle trug die Inschrift: „Traw Gott, dein gut gewissen betracht, Mißgunst der menschen wenig acht“.
Der Durchgang war verziert mit griechischen und römischen Gottheiten. die Füllbretter oben enthielten Elemente des Musenzyklus: Terpsichore mit der Lyra, die Muse der Tanzkunst und Calliope mit der Wachstafel, die Muse der erzählenden Dichtung.
Weiterhin römische Götter wie Mars, Sol und Venus. Luna, Pallas, Neptun und Vulcanus waren auf den unteren Füllbrettern dargestellt.
Im alliierten Bombenhagel von 1945 zerstört.
Das Haus wurde im Stil des Nachkriegs-Neubaus an der gleichen Stelle nachempfunden.
[20] Pfeilerhaus von 1623. Das ganze Pfeilerhaus mit den hohen stattlichen Giebel ruht auf drei Pfeilern, reich geschmückt und bemalt, auf der Westseite die Musen, obere Bildreihe:
Thalia, Clio, Erato, Calliope;
untere Reihe:
Urania, Polimnia, Euterpe, Terpsichore.
Südseite mit Giebel, ganz oben zwei Figuren:
Justitia (Gerechtigkeit), weibliche Figur;
darunter 4 Figuren:
veritas (Wahrheit), constantia (Beständigkeit), misericordia (Barmherzigkeit), humilitas (Demut);
darunter 6 Figuren:
liberalitas (Freigebigkeit), pax (Friede), concordia (Eintracht), armor (Liebe), castitas (Keuschheit), manswetudo (Milde).
Im II. Stock 6 Figuren:
prudentia (Klugheit), candor (Glanz), humanitas (Menschlichkeit), parsimonis (Sparsamkeit), diligentia (Fleiß), labor (Arbeit).
im I. Stock:
Pietas (Frömmlichkeit), fides (Glaube), Wappen vom R. Curdt Peine, Wappen von Ilse Linnen, spes (Hoffnung), caritas (Liebe).
Auf der Setzschwelle die zum Teil durch das Nebenhaus verdeckte Inschrift:
... mens uni confisa deo mens conscia recti .., contemnet morsus invide mome tus.
(Trau Gott, dein gut Gewissen betracht .., Mißgunst der Menschen wenig acht.)
Stück der Langseite nach dem hohen Weg:
Im II. Stock noch sichtbar 3 Reliefs:
Mars, Sol, Venus,
im I. Stock:
Luna, Pallas, Neptun, Vulcan.
Der Unterzug ist von einem schönen Konsol mit Kopf unterstützt.
Text-Quelle:
Bildquelle:
- Ansichtskarten
- Foto / Bild
[1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 268f
Privatbesitz H.-J. Brand
Bild im Text + Bild 1: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover
1912; Seite 268
Bild 2: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Tafel 32
nach Seite 250
Bild 3: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hann.1912; Seite 196
Bild 4: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hann. 1912; Seite 133