[1] Langer Hagen 10; Das sogenannte Kaiserhaus ist errichtet von dem Lizentiaten Caspar Borcholten, der 1578 die Tochter Ursula des bekannten Bürgermeisters Joachim Brandis des Älteren und der Anna Dick, Witwe Ebelingk Oppermanns heiratete.
Über das Kaiserhaus selbst und seine Erbauung ist merkwürdigerweise im Tagebuch des Joachim Brandis mit keiner Zeile Erwähnung getan.
[1] Das eigenartige, unfertig gebliebene Bauwerk ist anscheinend nicht nach dem ursprünglichen Plane aufgebaut, sondern wurde aus zu einem größeren Massivbau vorbereiteten Stücken zu einer teilweise höchst verworrenen Architektur zusammengefaßt, in die zum Auffüllen leerer Flächen andere Stücke, Teile von Türaufbauten usw. eingesetzt wurden. Nach den Verzahnungen an der Ecke zu schließen, sollte die Front ursprünglich die ganze Baustelle des jetzigen Schulhofes einnehmen, denn es fanden sich hier noch Fundamentreste beim Bau der jetzigen Umwährung.
Das Gebäude (Bild oben), besteht jetzt aus zwei Fronten, von denen in der vorderen Hälfte die großzügige Architektur eines höheren Geschosses (vielleicht das ursprünglich vorgesehen Obergeschoß) vermauert sind. Die Hoffront erhebt sich auf einer mit umgekehrtem Karnies vorgekragten Sockelplatte. Zwischen zwei Schichten aus Spiegelquadern mit Kugelmotiven sitzen große Platten mit einfacher Zier aus gekreuzten Bändern, den Sockel selbst schließt teilweise ein Zwischengesims ab. Darüber erhebt sich als Brüstung ein unterer Fries aus Kartuschenwerk mit Blumen und Früchten (jenseits der Kellertür), auf ihm stehen Plattenreihen mit Metallzier, als Abschluß eine durchlaufende Bank mit großem Karniesprofil. Über ihr sind im östlichen Teil ganz folgerichtig die kleinen Fenster versetzt, die, als Doppelfenster mit Mittelpilastern ausgebildet, getrennt sind durch kleine Pfeiler aus zwei Pilastern mit dazwischen stehenden figürlichen Darstellungen, wie Zitherspieler, Sänger (Kastrat), Bacchus, zwei Frauenfiguren und Bär. Die Figürchen selbst stehen auf kleinen mit Masken gezierten, sehr hübsch ausgearbeiteten Postamenten.
Leider ist der übrige Teil der Hofseite, teils in den Fensterachsen verschoben erbaut, teils auch mit Bruchstücken von anderen Bauteilen in den ursprünglichen Öffnungen vermauert.
Der obere Fries mit Metallstilzier und Buckeln usw. stimmt ebenfalls nicht mit der Architektur überein, man darf hier eher einen zierlichen Abschluß, vor allem passende Sturze für die Fenster und entsprechende Bekrönungen über den Pilastern erwarten.
An der vorderen westlichen Hofseite sind in Fensteröffnungen sogar mehrfach Stücke von Voluten usw. eingemauert, auch ein Wappen mit drei durch Quer- und Linksbalken verbundenen Kreisen.
Von den Eingängen der Hofseite ist der südliche stark verstümmelt, der Sturz trägt Masken, die von Putten getragen werden.
Schöner ist der nördliche Kellereingang (Bild rechts). Er baut sich aus zusammengehörenden Stücken organisch auf, die Pilaster sind mit schön entwickeltem ornament- und Kartuschenwerk verziert. Der Sturz trägt in einem großen Schilde die Jahreszahl 1586, dazwischen das erhaben gearbeitete Steinmetzzeichen (Bild links unten), das noch mehrfach vorkommt, so auch an der zweiten Herme des Erkers an der Straßenseite, an dem mittleren Brüstungsfeld daselbst, ebenso an der Inschriftentafel der Kellertür nach der Straße. Im Sturz der Kellertür nach dem Hofe Darstellungen einer Landschaft, in der Bacchus vor einem Fasse sitzt, dahinter ein Ziegenbock, rechts und links Putten mit Willkommbechern auf Delphinen reitend.
Die Straßenseite erscheint im Unterbau auch lediglich zusammengestellt, nicht ursprünglich so beabsichtigt (Bild ). Schon die Differenz im Aufbau an der Längsfront und in der anstoßenden, im Zuge der neuen Einfriedung liegenden mauer läßt das vermuten. Der Sockel besteht aus einer Quaderschicht mit Metallstilornament – die an der Hofseite wie schon erwähnt oben sitzt -, darüber ein Sims und dann drei Quaderreihen mit zwei (bzw. drei) Rosetten mit Darstellungen römischer Kaiser, dem Hause den Namen gegeben haben.
Sie erinnern an römische Münzen, sind vielleicht auch in ihrer Idee von solchen beeinflußt. Diese Friese sind durch ein schmales Bandornament mit Vögeln getrennt, sadaß die ungefähre gesamthöhe des seitlichen Sockels wieder herauskommt. Über dem Sims sitzen dann große Fenster, durch freistehende sehr gut behandelte und fein gezeichnete jonische Säulen getrennt, und zwar in der Mitte zwei Doppelfenster und seitlich je eines. Diese aus je zwei freistehenden Säulen mit Gebälk gebildeten Mauerkörper bilden das Gerüst der Oberwand, welche indes nicht zur Ausführung kam und nur aus primitivem Holzfachwerk besteht.
Die verhältnismäßig regelmäßige und anscheinend auch nach der ursprünglichen Idee versetzte Oberwand durchbricht ein großer Erker an der westlichen Ecke. Er ruht auf vier Steinkonsolen, darstellend bärtige Männer in kniender Haltung, ähnlich dem des Wiener Hofes. Darüber sitzen, einem umgekehrten Sims entwachsend, vier Pilaster mit Masken und verkröpftem Brüstungsgesims, darüber in der Mitte einfache, an den Ecken doppelte Hermen, als Abschluß ein ebenfalls gekröpfter Fries. Die Hermen sind teils als Männer-, teils als Frauengestalten ausgebildet, eigenartig die der Ecken mit den ineinander verschlungenen Armen, die den hier notwendigen festen Halt der Architekturglieder symbolisch gut veranschaulichen.
In den Brüstungen des Erkers sitzen Flachreliefs, darstellend die vier Jahreszeiten, und zwar:
links: ein bärtiger Mann mit Krone und Zepter; Sinnbild des Winters mit der Beischrift:
FRIGORE AT HYBERNA
EST GRAVI Relief DVS | NIVE
NVBILVS Æ
THER
In der Mitte: liegende weibliche Gestalt, neben ihr Armor, der ihr an die Brust greift; Sinnbild des Frühlings, mit Beischrift:
VER ∙ PI N
GIT ∙ V ARI
O ∙ GEM Relief MA
TAJA ∙ PRA TA
COLO RE
Rechts. Bacchus vor einer Tonne, zwischen Früchten, dahinter Ziegenbock; Sinnbild des Herbstes mit Beischrift:
VITIBVS | AV TVM
NVS | TVRG Relief ENTES
DETRAHIT UVAS
endlich rechts an der Seite. Weibliche Figur mit Füllhorn; Sinnbild des Sommers, mit Beischrift:
IGNEA TVM
GROS Relief CVLMIS
CER EALIBVS
ÆSTAS
Auf der linken Schmalseite: Weibliche Figur mit einem Raben auf der Hand (ohne Beischrift).
Eine hübsche Übersetzung der Inschrift gibt A. v. Behr:
„Schneebelastet erstarret der Winter in eisigem Froste,
Lieblich malet der Lenz die Flur mit heiteren Farben
Traubenschwer sich senket im Herbst die zierliche Rebe,
Heiß bedecktet der Sommer mit reifenden Früchten die Felder“.
Im Fries des Erkers sind kleine Reliefs bemerkenswert.
Links oben: Vor Pan verbirgt sich die Nymphe Syrinx im Schilfrohr
Rechts: Waldgott mit Bocksfüßen mit einer lockenhäuptigen Nymphe, diese mit Pfeil und aufgespießtem Herz;
Szenen, die denen des benachbarten Dianabrunnen verwandt sind.
Die in ihrer Art vorzüglichen großen Figuren zwischen den freistehenden Säulen des Obergeschosses tragen leider keine Namensbeischriften. Ihre Einordnung in den Bilderkreis der Renaissance verursachte stets viele Schwierigkeiten. Lange als Personifikationen der guten Helden, als Judas Makkabäus, Hektor, Alexander und Caesar gedeutet, hat Prof. Dr. Theodor Lindner (Halle) sie als die Repräsentanten der vier Weltmonarchien, in die das Mittelalter nach Daniel Kap. 7, Vers 3-24, die Geschichte einzuteilen pflegte, erkannt.
Die Figuren verkörpern darnach die assyrisch-babylonische, die medisch-persische, die griechische und die römische Epoche. Über den Urheber dieser ausgezeichneten Skulpturen ließ sich bis jetzt nichts ermitteln.
Die kleine Tür an der linken Ecke der Straßenfront scheint an der für sie ursprünglich vorgesehener Stelle zu sitzen. Der Sturz ist reich mit Putten, die Schwerter, Palme und Gesetztafeln (Anspielung auf den Beruf des Erbauers – Rechtsgelehrter) tragen, geziert, darüber auf einem – wohl nachträglich angeordneten kellerlichtloch – die Wappen des Erbauers und seiner Ehefrau. Das linke mit Lilien im Schilde, das rechte geteilt, oben halber, nach (h) links schreitender Hirsch, unten drei schräg rechte Balken (Wappen der Brandis) sowie Jahreszahl 1587 mit dem oben erwähnten Steinmetzzeichen.
Der Fries des Hauptgesimses enthält die Darstellung einer Jagd, die allerdings im Gegensatz zur übrigen Ornamentik recht primitiv hergestellt ist. Die füllt auch den Fries des Erkers. Die Anordnung solcher Jagdszenen ist eine schon in der romanischen niedersächsischen Kunst sehr beliebte Dekoratiosweise.
Im Innern enthielt das Haus früher ein hohes von der Straße zugängliches Kellergeschoß, darüber ein Hauptgeschoß mit Erkerstube an der Ecke, sowie einer zweiten großen Stube mit gekuppelten Fenster und einer Kammer.
[ ] 1586 wurde es durch den Rechtsgelehrten Casper Borchholt und seiner Frau Ursula Brandis als erstes steinernes Haus in Hildesheim erbaut.
1582 kaufte Borchholt für 1000 Taler den großen Hof der Ebert Winkelmann’schen Erben und errichtete 1586 das, wegen der 46 Medaillons römischer Kaiser an der Vorderfront, sogenannte "Kaiserhaus". Später wurde es auch „Lüdekenhof“ genannt.
Um 1900 wurde es restauriert und 1905 von der Stadt für 130.000 Mark angekauft. 1909 wurde hier ein Handels- und Industrie-Museum eingerichtet.
Das Gebäude besaß einen reiche verzierten, steinernen Unterbau und an der rechten Seite einen Erker. die Reihen der großen Fenster im Erdgeschoß ist abwechselnd durch eine einzelne Säule und ein Säulenpaar, auf Konsolen vortretend, getrennt, zwischen denen 4 männliche Kriegerfiguren ohne Bezeichnung standen.
Das Obergeschoß des Gebäudes hatte einfaches Fachwerk, jedoch fanden sich im Dachboden Stücke eines ursprünglich geplanten reicheren Fachwerksbau vor.
Die Hofseite zeigte links eine lange Fensterreihe mit gut gearbeiteten Wandpfeilern. Dazwischen teils zusammengestückelte Füllungen, darunter ein Wappen (v. d. Mölen).
Auf dem sonst offenen Hof stand ein Neptunbrunnen.
Die Unterschäfte der Säulen waren reichgeschmückt, der Fries, der auch über den Erker hinweggeht, zeigte Jagdszenen. Der Unterbau unter der Fensterreihe hatte links eine Tür, die jedoch mit Bruchstücken von Füllungen vermauert war, auf einen von ihnen war die Jahreszahl von 1587 zu sehen. Darüber lag das Doppel-Wappen Borchholden/Brandis. Zwischen dieser Tür und dem Erker befanden sich in 3 Reihen 44 Medaillonbilder mit Bildnissen römischer Kaiser, alle mit bezüglicher Umschrift, wie auf Münzen: Caesar, Romanorum imperator primus, Augustus, Romanorum imperator decundus etc.
Unter dem Erker befanden sich nochmals 2 Medaillons. Der untere Sockel zeigte gutes Flächenornament.
Am Erker befanden sich in den Brüstungen 5 Reliefs mit Figuren und Beischriften, die sich auf die Jahreszeiten bezogen: Alter König, Venus und Amor, Bachus mit Bock und Traube, Frau mit Füllhorn und Frau mit Vogel ohne Inschrift.
Auf der mittleren Füllung befand sich ein Steinmetzzeichen mit folgender Inschrift:
Weiterhin zwei fast lebensgroße Figuren (Lautenschläger und Sänger) nach alten Holzschnitten von Melchior Lorch und Louderseel, die durch ihre lebendigen Charakteristik auffielen, sowie zwei Hermen.
Über dem Kellereingang stand die Jahreszahl 1586. Darüber befand sich ein Bachusrelief.
Im alliierten Bombenhagel von 1945 zerstört.
Nach der Zerstörung 1945 wurde die Fassade 1997 an einem modernen Bau am Alten Markt 1 restauriert.
Das Kaiserhaus ist der Gründungssitz des Hornemann-Instituts, eines Zentrums zur Erhaltung des Weltkulturerbes.
siehe auch: Erker des Kaiserhauses
Text-Quelle:
Bildquelle:
- Ansichtskarten
- Foto / Bild
[1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 296ff
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Privatbesitz H.-J. Brand
[1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 296ff
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