[1.1] Auf dem Bauhof waren mehrere Arbeitsgebiete vereinigt, auch Ställe und Scheunen für den städtischen Marstall.
Im übrigen ist oft die Rede von Transport, Verkauf usw. von Baumaterialien; an Gewerben werden Dachdecker, Steinmetzen und Maurer, sowie Steinsetzer genannt. Auch Geschütze waren dort aufgehoben, z.B. wurden 1406 „Donnerbussen“ nach dem Hagentor gebracht.
1412 wird ein Gerichtshaus verzeichnet; 1412 ist die Rede von einem „bornen bey des rades hofe“, also von einem Brunnen im Bauhof; 1416 wird ein Turm hinter dem Ratsbauhof erwähnt. 1413 werden von den Zimmermännern Fischbänke gebaut. 1420 wird von der Herstellung von Steinkugeln für die Donnerbüchsen berichtet; im gleichen Jahr stellen Zimmerleute Leiter und Schlagbäume her; 1421 werden „bussen“ (Büchsen, Kanonen) auf dem Ratshof gegossen. 1425 wird der Bergfried hinter dem Ratsbauhof gedeckt. Die Schmiede erforderte stets erhebliche Mengen Kohle, auch zum Gießen.
Spätere Nachrichten fehlen. Man ersieht aus dem allem, daß der Ratsbauhof ein für alle Zweige städtischer technischer Arbeit eingerichteter Werkplatz mit Ställen, Schuppen und Werkstätten war. An ihm lag auch der städtische Marstall.
[1.2] Der Ratsbauhof, Scheelenstraße 2 (früher Nr. 284), wird jetzt (1911) als Wollmarkt und als Lagerhaus benutzt.
Der in der Architektur reicher behandelte Torbau (Bild rechts+links unten) besteht aus hohem Untergeschoß mit Zwischengeschoß und vorkragendem Obergeschoß. Zwischen den glatten Pfosten sitzen unten zwei vermauerte, mit Vorhangbogen geschmückte Lichtöffnungen. Der mit neuen größeren doppelflügigen Türen geschlossene Eingang war wohl der Aufgang zum Obergeschoß. Er ist mit einer ganz flach gehaltenen Muschel im Sturze geziert. Darüber sitzen zwei später nach unten etwas vergrößerte Fenster.
Der Haupteingang, eine hohe Durchfahrt, wurde durch nachträgliches Höherschieben der Bohlen der Bogenführung verdorben.
Die Schnitzerei dieses Bogens zeigt sehr phantastische Bilder von Meeresbewohnern; oben zwei tonfischartige Tiere mit ineinander geschlungenen Schwänzen, darunter zwei feuerspeiende Lindwürmer, deren geringelte Schwanzenden über den eingeschnitzten Säulen der Torpfosten endigen. Neben den oberen Türen sitzen die Wappen der Stadt. Bruchstücke von geschnitzten Muscheln in den Pfosten weisen auf ein ursprünglich oben durchgehendes Zwischengeschoß. Die Konsolen tragen Fratzenköpfe, die Füllbretter sind neu gemalt.
Der gleiche phantastische Schmuck ist in der Setzschwelle wiedergegeben. Von links nach rechts folgen die merkwürdigsten Fabeltiere, meist fischschgeschwänzt und mit Oberleibern von Säugetieren, aber mit Schnäbeln, darunter Mannesfiguren, Rosskopf, Drachen, Hasen und Hennen usw. Über der Schwelle sitzen acht ganze und zwei halbe Muscheln, teilweise mit Köpfen oder Tieren in der Mitte, dazwischen wieder Seegetiere aller Art. Der aufgenagelte und auch gekröpfte Sims ist charakteristisch für die Bauzeit, die sogenannte Übergangszeit zwischen Gotik und eigentlicher Renaissance. Die Inschrift in der Mitte der Setzschwelle lautet:
ANNO DM
M D XL (1540)
SOLI DEO GLORIA
Die Fenster des Obergeschosses sind ebenfalls stark verändert, die alten Stürze mit den Vorhangbogenmotiven nach oben gerückt. In den Konsolen unter den Deckenbalken sind ebenfalls Männerköpfe angelegt, die Schwelle des Dachverbandes zeigt die flachen Muscheln wie an der Seitentür. Die Füllbretter sind auch hier neu bemalt.
In der Mitte, über der Achse der Durchfahrt, ist der alte Zugang zum Obergeschoß noch deutlich erkennbar; er beweist, daß in ihm ein Lagerbogen war. Leider ist der alte Charakter dieses Geschosses, das, abgesehen von den beiden äußersten Fächern, eine durchgehende Fensterreihe besaß, durch ungeschickten Umbau total verdorben worden.
Carl Lachner nimmt an, daß die Schnitzereien des Ratsbauhofes einem älteren Holzhause entnommen seien und spricht den Darstellungen der Setzschwelle analog dem tieferen Sinne der sonstigen Skulpturen frühmittelalterlicher Kirchenkunst Hildesheims symbolischer Bedeutung zu. Nach ihm ist die halbe menschliche Figur zur Linken, welche einen Basilisken mit geöffnetem Rachen trägt, das „himmlische Jerusalem“, das die wilde Tiernatur umwandelt. Die Tiere der nächsten Gruppe, durch Ringelschwanz, Schnabel usw. verbunden, seien das Symbol der Dreieinigkeit, als welche oft drei Ringe auftreten. Die in den Schwanz beißende Schlange sei als Ewigkeit zu deuten. Die zwei nächsten Tiere mit Stäben entsprechen dem Gerichte. Die Sirene mit dem Frauenkörper, die sinnliche Versuchung, wird bestätigt durch den Bogen als Symbol der rohen Macht des Krieges, der Teufel als Beherrscher beider. Die Sirene mit dem Fisch in der Hand vor einem Ungeheuer, rettet die Seele vor dem Rachen der Hölle, ein beliebtes Sinnbild der Taufe als Wiedergeburt. Hirsch und Pferdekopf, mit Blumen als Schwanzende deuten den Frieden der durch die Taufe geretteten Seelen an.
Der Pelikan (hinter der Jahreszahl) ist das Sinnbild der Opferung Christi; die zwei Basilisken das der Vorhölle. Die beiden Figuren haben Vogelköpfe, nach germanischer Sitte, andeutend die Seele Verstorbener. Zwei Füllhörner, eine menschliche Büste umgebend, deuten die Himmelfahrt, gleichsam das Füllhorn des Glücks der Menschheit an. Die beiden Kampfhähne mit dem Friedensband entsprechen dem ewigen Frieden; zwei gefesselte zottige Böcke dem gefesselten Teufel; zwei weitere Tiere mit hundeähnlichen Köpfe dem gefesselten Tod; auf dem rechten Balkenende ist in einem den Rachen weit aufsperrenden Ungeheuer die Hölle selbst versinnbildlicht.
Demnach wäre das Ganze das Weltgericht in symbolischen Bildern; am jüngsten Tag richtet die Dreieinigkeit und bestraft die Sünden; die durch Taufe Geretteten gelangen ins Himmelreich. Für die Sünder opfert sich Christus, steigt in die Vorhölle, errettet die die Seelen aus dem Fegefeuer, kehrt in den Himmel zurück, ewiger Friede kehrt ein, Teufel und Tod werden gefesselt.
Ähnlich erklärt Lachner die Skulptur der Einfahrt: die beiden feuerschnaubenden Drachen, darüber links ein ornamentierter Löwe, rechts ein Fisch, ergeben in den Fischen das Christentum, in dem Löwen den starken Glauben, in den gefesselten Drachen die Torwächter oder die besiegte Sünde.
Die Formen sind sehr altertümlich und Lachner weist darauf hin, daß urkundlich feststeht, daß bereits im Jahre 1260 an der Stelle des jetzigen Ratsbauhofes ein von der Familie Freysen oder Fresen erbautes Vorwerk lag, welches 1393 der Rat der Stadt ankaufte. Lachner nimmt daher an, daß die Skulpturen einem hier früher gestandenen älteren Gebäude entstammen und beim Neubau 1540 wieder benutzt wurden.
Die Füllbrettmalerei des Ratsbauhofes ist teilweise unter Benutzung älterer Motive erneuert. Darunter Sprüche wie z. B.:
Wer will baven an der Straßen,
muß sich durch unütz Geschwätz nicht (irren lasen)
oder
Was schadet (es) dem Monde, wenn ihn der Hund anbellt.
[1.2] Im Hofe selbst ein 20 Fache (Spanne) langer gotischer Fachwerkbau, jetzt als Speicher dienend, sowie ein großes 1481 umgebautes Steinhaus, mit großen Eckquadern. In einem solchen die Figur eines Stadtboten (Bild) mit quadriertem Stadtwappen, eine ausgezeichnete Darstellung mit der Zeitangabe in gotischen Minuskeln:
m cccc l xxx i ī viḡlā sct btolomei
(1481. in vigilia sancti bartolomei = 24. August)
Nach Dr. Gerland stellt der Wappenhalter eine „Einspännigen“, d. i. einen Stadtknecht dar, welche neben ihrem Berufe als Läufer oder reitende Boten auch Waffendienste taten, und der deshalb den Schild als Schutz trägt.
Das Grundstück des Ratsbauhofes war ursprünglich das sogenannte Friesenvorwerk; ein Besitztum der Familie Frese. Aus dem Plane von 1769 ist ein Turm zu ersehen, den auch Merian 1653 zeichnete.
Text-Quelle:
Bild-Quelle:
[1.1] Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Selbstverlag der Provinzverwaltung; Hannover 1912, Band II, Heft 4,
Teil 2, Seite 41f
[1.2] Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Selbstverlag der Provinzverwaltung; Hannover 1912, Band II, Heft 4,
Teil 2, Seite 75ff
[7] Der 1540 errichteter Bauhof der Stadt befand sich im Bereich der heutigen Scheelenstraße 2.
Der Rat kaufte im Jahre 1393 ein Grundstück hinter dem Rathaus im Bereich der Scheelenstraße 2, um es als Mehrzweckplatz nutzen zu können. Zuvor befand sich dort das der Familie Friese gehörige, 1481 niedergelegtes "Friesenvorwerk".
Die auf dem großen Areal errichteten Fachwerkgebäude dienten dann als städtischer Marstall, Lagerhalle, Bauhof, Wollmarkt, Feuerwehr und Speditionsunternehmen.
Zwischen 1883 und 1889 wurde der Ratsbauhof durch den Stadtbaumeister Schwartz Umgebaut, da er mittlerweile baufällig und auch zu klein wurde.
Die Aufgabe, das Äußere so zu gestalten daß es sich dem Bilde des nahen Marktplatzes völlig anschließt, im Innern aber die nutzbaren Räume zu vermehren und zugleich auch bequemer zu gestalten sowie den alten Festsaal „würdig“ auszugestallten wurde in den Augen der Stadtväter vollkommen erfüllt.
Im Unterbau hatte das Gebäude nur zwei Eingänge und kleine Fenster in der Höhe des Zwischengeschosses der Wohnhäuser. In dem vorkragenden Obergeschoß befanden sich große Fenster mit einem Vorhangbogen.
Seitlich im Hof stand ein 20gefachter langer altgotischer Fachwerkbau mit einem rundbogigen Tor. Ferner ein 1481 umgebautes Steinhaus mit dem eingeritzten Bild eines Stadtsoldaten von 1481.
Über dem Eingangstor - ein Bauwerk der Frührenaissance - auf der Setzschwelle, in den Füllungen und an den Kopfbändern befand sich ein flach gehaltenes, inhaltlich schwer zu enträtselndes, in nordischen Motiven gehaltenes Schnitzwerk: Teufel, Sirenen, „Weiber mit Fischschwänzen“ (Nixen), Pelikan, Hahn und Böcke.
Der Torsturz wurde später höher gerückt, sodaß die Schnitzerei der Einfassung außer Zusammenhang gebracht wurde. Die Inschrift in der Mitte der Schwelle lautete:
Scheelenstraße: „Anno Dm MCXL (1540) Soli deo gloria“ (Gott allein die Ehre).
Die Konsolen unter dem Deckenbalken trugen Neidköpfe. Die Windbretter trugen folgende Inschriften:
"Was schadet dem Monde, wenn ihn der Hund anbellt“,
das zweite:
„Wer will baven an der Straßen, muß sich durch unnütz Geschwätz nicht (irren lassen)“.
Im hinteren großen Hof, das ehemalige Friesenvorwerk, sah man an einem alten 1481 umgebauten Steinbau, in eine der großen Eckquadern eingeritzt, die Figur eines Stadtboten mit dem quadrierten Stadtwappen. Die sehr charakterliche Figur war lebendig und „flott“ gezeichnet.
Das Gebäude wurde im alliierten Bombenhagel von 1945 zerstört. Heute stehen an der Stelle Wohn- u. Geschäftshäuser.
Text-Quelle:
[7] F. Borgmeyer, "Führer durch Hildesheim", Verlag F. Borgmeyer Hildesheim 1920, Seite
Bildquelle: [12] K. Lachner: Die Holzarchitektur Hildesheims; Verlag F. Borgmeyer, Hildesheim 1882; Seite 9 - 16
Bildquelle:
- Ansichtskarten
- Foto / Bild
Privatbesitz H.-J. Brand
Bild 1: [11] O. Gerland, „Hildesheim und Goslar“, Verlag E. U. Seemann, Leipzig 1904, Seite 8
Bild 2: [3] O. Beyse, „Hildesheim“, Deutscher Kunstverlag, Berlin 1926; Foto 74
Zurück → Kommunale Gebäude