[1] Das Amtshaus der Knochenhauer am großen Markte (Markt 2, früher Nr. 363), wurde 1911 im Innern vollständig zu Zwecken eines kunstgewerblichen Ausstellungshauses vom Stadtbauamt umgebaut.
Ursprünglich lag im Erdgeschoß, das nur durch ein kleines, steinernes Wendeltreppchen in der Nordwestecke mit dem Obergeschossen verbunden war, eine Halle (Bild 1: Ursprünglicher Grundriß). In der Diele liegt ein (bei der Restaurierung von 1852 beibehaltener) Mittelgang, an den nach rechts und links Läden (Scharren) für den Verkauf der Fleischwaren stießen. Das Ganze war demnach ein sehr altes Beispiel einer sogenannten Galerie, eines vor Regen geschützten Verkaufsstandes. Unter dem Erdgeschoß lagen und liegen noch heute die mächtigen Kühlkeller; als Schlachthaus selbst diente wahrscheinlich eines der Häuser am Hoken, der durch den oben erwähnten Gang zugänglich war.
Das Knochenhaueramthaus liegt mit der Giebelseite nach dem Marktplatze und hat ein 3,40 m hohes Untergeschoß nebst Zwischengeschoß von ca. 3 m darüber, es folgt der auskragende, 3,50 m hohe erste Stock, der als großer Saal mit Gipsestrichboden ausgebildet war und als Versammlungsraum der Fleischer bei Sitzungen und Festen diente. Das zweite Geschoß mit 2,50 m hohen Räumen wird noch von zwei in der Giebelseite auskragenden Dachgeschossen überragt, die etwas niedriger sind; der oberste Dachteil ist von zwei in der Front mit Schiefer verkleideten Böden ausgefüllt (Bild 2).
Über dem Rundbogentor der Erdgeschoßeinfahrt befindet sich zwischen zwei Wappenschildchen mit dem Agnus Dei die Inschrift in gotischen Minuskeln:
Anno ∙ Dnj ∙ Dusent ∙ vyffhundert ∙ twitich ∙ vde ∙ neghen ∙ (1529).
Die Konstruktion nach ist das Haus noch gotisch, zeigt im Einzelnen außerordentlich viel Geschick und Erfindungsgabe, in der Wahl der Motive und ihrer Detaillierung Anklänge an die langsam aufkommende Übergangszeit zur Frührenaissance.
Über dem massiven Erdgeschoß stehen mächtige bis zum auskragenden 1. Stocke durchgehende, glatte Pfosten (Bild 3+4). Erst an den Konsolen beginnt die Zier. Mit dem bekannten gotischen Motiv des Dreiecksschnittes lösen sich diese aus der Fläche, die Vorderseite mit geschnitzten Figürchen. Von links nach rechts sind hier angebracht: Pfeifer, Trommler, Posaunenbläser, Lautenspieler, Drehorgel, Geiger, Dudelsackpfeifer, Simson mit dem Löwen, sowie zwei Engel mit Schwertern, in Kampfstellung gegeneinander gekehrt.
Die Balkenköpfe tragen charakteristische Masken, die aus Bohlenstücken geschnitzt, ihnen aufgenagelt wurden. Die Setzschwelle des ersten Stockwerkes ist besonders reich geziert. Figuren wechseln hier mit laubwerkartigen Kompositionen. Die Enden dieses Frieses begrenzt das Lamm Gottes mit der Siegesfahne, den Raum dazwischen füllen Ornamente mit Adlerköpfen; auf zwei Putten, die mit einer langen Stange auf fischähnlichen Ornamenten gegeneinander reiten, folgen figürliche Szenen: Tötung eines Ochsen, zwei Schlachter, der eine mit Beil, der andere mit Messer aus einem Rankenstamm herauswachsend, dann eine geflügelte ins Horn blasende Figur. In der Mitte der Setzschwelle das bekannte Monogramm Christi in Minuskeln: Ihs, von zwei Engeln gehalten, zur Seite Engelgestallten mit Posaunen. Die rechte Hälfte des Frieses ist zwar symmetrisch der linken, doch in den Einzelheiten anders gestaltet, so z. B. ein Trommler statt des Trompeters und statt der Schlachtszene die Zerlegung eines getöteten Tieres.
Über der reichen Setzschwelle ist eine aufgenagelte Friesleiste befestigt, die im oberen Teil mit Hohlkehle und Viertelstab ausladet. Der Sims an der Fensterbrüstung zeigt flach geschnitztes Phantasiertiere, Fruchtschoten usw. und ist ebenfalls angenagelt. Die glatte Holzfläche am Fuße der Ständer mit den Streben ist mit Schablonenmalerei (Rädern, Scheiben usw.) geziert (wohl eine jüngere Zutat).
Die Setzschwelle des zweiten Stockes ist durch besonders scharf und charakteristisch geschnittene Dolden und Blätterbüschel belebt, ebenso die Konsolen, deren Phantasiekomposition aus Blattwerk und masken auch in den oberen Geschossen sich wiederholen.
Auch hier sind die Verzierungen – Masken – nachträglich auf die gotisch geschnitzten Balkenköpfe genagelt, also richtige Hirnholzschutzbretter!
An einer der oberen Konsolen ist auch der im Mittelalter so beliebte Scherz des nach dem Beschauer gedrehten Hinterteils der species homo sapiens angebracht.
Der Sims der Setzschwelle im II. Geschoß, ein perspektivisch gezeichneter Zinnenkranz über gedrehtem Tau, geht auch auf der ganzen Schmalseite nach der Marktstraße durch, war also wahrscheinlich die ursprüngliche Zier.
Die Setzschwelle und Konsolen der früheren Geschosse stimmen mit denen des II. Stockes überein; alle Brustgesimse sind ausgezeichnete geschnittene Laubwerksfriese spätgotischer Art und besonders charakteristisch.
Die Seite nach der Marktstraße ist einfacher behandelt; besonders schön sind die breiten, reichen, spätgotischen Blattfriese der Setzschwellen (Bild 5). Die Füllbretter enthielten bis zum Jahre 1852 Köpfe, von gotischen Laubwerk umflochten, oder auf schablonierte Flachmalereien. Die jetzigen, von Maler Georg Bergmann angebrachten, sind freie Erfindungen, und zwar im Erdgeschoß Bilder mit Sinnsprüchen: siehe unten Ansichtskarten
Im ersten Stock Darstellungen historischer, mit der Geschichte der Stadt verwachsener Persönlichkeiten: König Ludwig der Fromme, Bischof Bernward, Kaiser Karl V., Bürgermeister Arneken, Fürstbischof Franz Egon, Geschichtsschreiber Chr. Fr. Lüntzel.
In den Obergeschossen endlich die Abzeichen der Gewerbe.
An der Fassade zwei bautechnisch interessante Beleuchtungskörper (Bild 6), an der Marktstraße eine Stange mit Feuerpfanne für Pechkränze, links eine Öllampe mit dem Lamm Gottes auf der oberen Tragestange.
[ ] Das 1529 am Marktplatz Ecke Marktstraße errichtete Gebäude wurde als Amtshaus der Fleischhauer errichtet.
Das untere Geschoß wurde als Scharren für Fleischwaren benutzt.
Auf betreiben des Senators Roemer wurde das sehr verkommene Gebäude vom Magistrat erworben, 1853 wiederhergestellt und zum Leihhaus und der städtischen Sparkasse eingerichtet. Das gemalte Bildwerk der schrägen Füllbretter wurde vom Hildesheimer Maler Bergmann ausgeführt.
1884 brannte der hohe Giebel ab. er wurde wieder aufgerichtet und der ganze Reichtum der Ornamentation der Konsolen und Schwellen im „Geiste“ und der Technik der alten Bildschnitzer vom Bildhauer Prof. Küsthardt wieder hergestellt und vom Maler Mittag ausgemalt.
Das Innere des Gebäudes wurde in den Jahren 1910-12 vollständig umgebaut, und zum „Kunstgewerbehaus“ eingerichtet. In den oberen Stockwerken wurde das „Kunstgewerbemuseum“ untergebracht.
Das am 22.3.1945 bei der Zerstörung Hildesheims durch alliierte Bomber zerstört Gebäude wurde 1989 wieder aufgebaut.
Die Füllbretter enthielten bis zum Jahre 1852 Köpfe, von gotischen Laubwerk umflochten, oder aufschablonierte Flachmalereien. Die jetzigen, von Maler Georg Bergmann angebracht, sind freie Erfindungen und zwar im Erdgeschoß Bilder mit Sinnsprüchen:
Der Marktschreier –
Adam und Eva -
Sänger und Sängerin -
Der Geizhals -
Ein junges Paar -
Das beschauliche Dasein -
Der Feinschmecker -
Der eingeschlafene Wächter und der Dieb -
Tod, König und Bettler -
Die Welt will betrogen sein.
Verbotene Früchte schmecken süß
Wo man singt, da laß dich ruhig nieder usw.
Geiz ist die Wurzel alles Übels.
Jung gefreit, hat nie gereut.
Mann mit Nachtmütze.
Unsere Vorfahren waren auch keine Narren.
Wenn der Wächter nicht wacht, wacht der Dieb.
Arm oder reich, der Tod macht alle gleich.
Im ersten Stock Darstellungen historischer, mit der Geschichte der Stadt verwachsener Persönlichkeiten:
König Ludwig der Fromme, Bischof Bernward, Kaiser Karl V., Bürgermeister Arneken, Fürstbischof Franz Egon, Geschichtsschreiber Chr. Fr. Lüntzel;
In den Obergeschossen endlich die Abzeichen der Gewerbe.
Text-Quelle:
Bildquelle:
- Ansichtskarten
- Foto / Bild
[1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 110 ff
Privatbesitz H.-J. Brand
Bild 1: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hann.; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 106
Bild 2: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hann.; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Tafel 13
(nach Seite 108)
Bild 3+4: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hann.; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Tafel 14
(nach Seite 110)
Bild 5: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hann.; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 111
Bild 6: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hann.; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 112
Zurück → Amts-, Gilde- und Innungshäuser