Translator:
1.
In Astfala’s schönem Gaue,
Reich an üppig grünen Thälern,
die der Insterstrom durchschlängelt,
Und umkränzt von blüh’nden Hainen
Und von Bergen waldbekrönet, -
In Astfala’s schönem Gaue
Ließ, die Gattin sich erkiesend,
Und den Laren und Penaten
Huld’gend seine Opfer weihend,
Aus dem fernen Friesenlande
Sich ein edler Ritter nieder.
Benno war, so sagt die Chronik,
Dieses Edelinges Name,
Der die Herrschaft von Astfala,
Wie durch Macht und hohes Anseh’n
Und Trabantenmacht gewonnen,
So nicht minder stark und mannlich
Fürder zu behaupten wußte.
An des Berges Abhang bau’te,
Wo im Schatten alter Eichen
Sich das Aug‘ auf holde Fluren
Und in weite Ferne senket,
Eine Feste sich der Ritter.
Kühn und stattlich anzuschauen,
Weh’ten von den hohen Thürmen,
Die auf fels’gen Mauern ruhten,
Wie für ew’ge Dau’r gegründet,
Stolze Banner in die Lüfte,
Und das Horn des Thurmwarts tönte
Hell und muthig von den Zinnen,
In des Schloßhofs weitem Kreise
Rührte sich die Schaar der Knappen,
Wieherten die mächt’gen Rosse,
Und die blanken Schwerter klirrten
An den starken Panzermännern. -
Blickte wohl von fremden Burgen
Auch der Neid auf Benno’s Feste,
Sah gleichwohl die gier’ge Mißgunst
Auf den Herrscher von Astfala;
Mochte niemand es doch wagen,
Diesem Fehde zu verkünden;
Und so trotzte allen Mächten
Und der Mißgunst und dem Neide
Er auf seiner stolzen Feste. -
Aus dem hohen Säulenbogen
Des vom Bildner reichverzierten
Söllers, wie vom Felsenneste,
Trauend seiner Kraft, der Adler,
Sah herab auf die Gefilde
Freudentrunken, kühnen Blickes
Ob der Macht, so er gewonnen,
Ritter Benno, und zufrieden
Weidete des Mächt’gen Auge
Sich am blum’gen Insterstrande,
Wo schon mancher der Vasallen,
Treu dem Herren von Astfala,
Friedlich sich den Heerd gegründet.
Und im Uebermaß des Glückes
Sprach, gereizt vom Stolz der Herrschaft,
Der Gebieter, Ritter Benno,
Also, daß des Schlosses Hallen
Von dem übermüth’gen Worte
Gar bedeutsam wiederklangen:
„Für die Ewigkeit gebauet
Steht die hohe Ritterfeste;
Und von mir und meinen Enkeln
Sei hinfort der Gau befehligt!
Keine Macht wird diese Herrschaft,
Keine Macht der Enkel Hoheit,
Und den Ritterruhm des Ahnen,
So, des Stammes würd’ge Zweige,
Sie ohn‘ Fehl und sonder Makel
Wohlvererbet, je zerstören;
Und die Bennoburg wird glänzen
In der Nachwelt späten Tagen!“
Sprach’s und schaute voll Vertrauen
Nieder auf Astfala’s Fluren,
Die von ihm im Abendgolde
Lieblich ausgebreitet lagen.
Sieh‘, da nahet aus dem Thale
Still heran ein alter Barde,
Und zum hochgewölbten Burgthor
Wendet er die müden Schritte.
Vor den Ritter muß er treten,
Dieser fordert ihn zum Sange,
Und in hellen Jubeltönen
Heißt er ihn den Glanz Astfala’s
Und des Herrschers Ruhm verkünden.
2.
Vor dem Ritter steht der Barde,
Vor Astafla’s stolzem Herrscher,
Und im Arm die traute Harfe,
Greifet wundersame Töne
Aus dem Saitenspiel der Alte,
Und beginnt dann also singend:
„Es fliehen mit des Sturmes Eile
Die Jahre fort im ew’gen Zug,
Und sonder Rast und ohne Weile,
Zum Unglück diesem, dem zum Heile
Währt immerdar ihr rascher Flug.
Es flieht die Zeit auch mit den Jahren,
Das Alter nahet mit der Zeit.
Der alte Barde hat’s erfahren,
Er will euch treulich offenbaren
Die Lehre der Vergänglichkeit.
Mag auch im frischen Grün erwachen
Der heit’re Lenz auf uns’rer Flur,
In Farbenpracht der Sommer lachen: -
Der Winter wird’s zu Schanden machen,
Er tilget aller Anmuth Spur.
Es wechselt auf dem Erdenrunde
Stets neu das menschliche Geschlecht,
Und jeder Tag und jede Stunde
Giebt vom Vergang des Alten Kunde,
Denn nur das Neue hat das Recht.
Drum was an Hoheit, Macht und Schimmer
Des Reichthums auch der Mensch vermag,
Es ist vergänglich, dauert nimmer,
Es schwindet, stirbt und fällt in Trümmer,
Und selbst der Mensch fällt ihnen nach.
Wohl heben sich des Schlosses Zinnen
Auf festen Mauern himmelan,
Und Pracht und Glanz im Schlosse drinnen,
doch wird dem Sturze nicht entrinnen
Das Schloß zusammen dem Rittersmann.
Der Zahn der Zeit nagt an dem Besten,
Der Wassertropfen höhlt den Stein,
Der Barde will auch nicht mißtrösten, -
Doch mag von dieses Schlosses Resten,
Dereinst wohl wenig sichtbar sein.
Die Herrschaft von Astfala’s Auen
Kennt einst dem Namen nach man kaum;
Auf Macht und Erdenherrschaft bauen, -
Ihr mögt dem alten Barden trauen, -
Ist nur ein leere flücht’ger Traum.
Drum laßt euch, Rittersmann, nicht blenden
Vom Glanzgebild der Gegenwart,
In Schatten kann’s die Zukunft wenden,
Die nächste Stund‘ eu’r Glück beenden,
Denn das Geschick ist streng und hart.
Wohl liebt der Mensch das eitle Streben,
Am Grabe aber wird’s ihm klar,
Es sei ein Traum sein ganzes Leben;
Drum wollt das dreiste Wort vergeben
Dem Barden in dem Silberhaar!“ -
Also schloß der alte Sänger,
Und verschwand zur selben Stunde; -
Aber tief in sich versunken
Schaute ernst und starren Auges
Von der Bennoburg hernieder
Auf die Fluren von Astfala,
So im Duft der Abendämm’rung
Und in nächtlich-stiller Ruhe
Vor ihm ausgebreitet lagen,
Ritter Benno, und ein Seufzer,
Dumpf und schaurig und bedeutsam,
Den die hochgewölbte Halle,
Wie mit hohlem Geistermunde
Gar vernehmlich wiederhallte,
Hob den ahnungsschwangern Busen
Dieses Herrschers von Astfala.
3.
Sinnend schau ins Thal ich nieder,
Ringsum schweiget die Natur,
Und der Abend dämmert wieder
Auf der Heimath lieber Flur.
Mit dem innigtreuen Gruße,
Den dir meine Seele weiht,
Vaterstadt am Insterflusse,
Denk‘ ich der Vergangenheit.
Nahm hierher im Alterthume
Einst, so sagt das Chronikbuch:
Wohl ein Ritter, reich an Ruhme,
aus dem Friesenland den Zug.
Hier, wo jetzt am Eichenhaine
Mild der Abend niederthaut,
Und mein Blick die Leichensteine
Längstschlaf’ner überschaut;
Hier vor alten grauen Zeiten
Hatte jener Friesenheld,
sich die Herrschaft zu bereiten,
seinem Burgsitz sich erwählt.
Nach dem Burgherrn aber nannte
Bennoburg die feste man,
Und das Volk im Thale erkannte
Sich ihm treu und unterthan. -
Ringsum Alles ruhig, stille,
Keine Spur aus jener Zeit,
Die schier ganz des Schicksals Wille
Der Vergessenheit geweiht.
Längst verwesen, längst verschwunden
Ist, was hier in Glanz und Pracht
Vor Jahrhunderten bekunden
Thät des Ritters Benno’s Macht.
Selbst ihr altehrwürd’gen Eichen
Mögt mit eurem Zeugniß nicht
In die graue Vorzeit reichen,
Von der nur die Sage spricht!
Nur du, düst’rer Thurm da drüben,
Stehst ein Denkmal unverwandt,
Ganz allein noch überblieben
Aus dem alten Burgverband!
Doch statt daß auf deiner Spitze
Einst des Thurmwarts Horn erklang,
Zirpt in moos’ger Mauerritze
Jetzt ein Heimchen einsam bang.
Mit der Schwermuth dunklem Schleier
Zieht die stille Nacht empor,
Geisterhaft und nicht geheuer
Kommt mir diese stätte vor.
Ist’s ein Trugbild, ist es Wahrheit?-
Wie aus tiefster Vorzeit wallt
Dort heran in lichter Klarheit
Eines Barden Hochgestalt.
Naht mit leisem Elfentritte,
Silberglänzend wogt sein Haar
Ihm nach uralthei’ger Sitte
So vom Haupt‘, als Barte dar.
Sieh‘, dort unter jenen Eichen
Schwebtet er in sel’ger Ruh‘,
Und mit sanftem Friedenszeichen
Haucht er mir die Worte zu:
Ob nach Glanz und Macht auch hasche
Hier der Mensch und seiner Bahn,
In der Urn‘ einst ruht die Asche,
Und sein Glück war leerer Wahn!
Dichter
Entstanden
Quelle
unbekannt
unbekannt
Auf Hildesheimschem Boden: Aus dem Hildesheimschen Liederkranze; H. U. Lüntzel u. J. Graën, 1839
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