[1] Die Schule des Andreasstiftes wird schon 1225 genannt.
1227 bestimmt Papst Gregor IX., daß sie nicht über 40 Schüler haben dürfe; das Schulhaus stand, eingeengt zwischen Buden (Läden), am Andreaskirchhofe; Böden über ihr wurden 1373 genannt. Der Schulmeister wohnte in einer Kammer (1455 hergerichtet) des Gebäudes. Vor 1505 wurde die Schule neuerbaut (van unser schole, de wii itzundes hebben buwet laten), und das unterste Stockwerk (neddersten bonen na der straten na dem Lutken hilgen Geiste Wort) an die Knochenhauer um 100 Pfund vermietet.
Diese Schule wurde 1596 erweitert und im gleichen Jahre dem Rektor ein neues Wohnhaus gebaut, 1665 wurde dem Rektor ein neues Haus, Ende der Eckemeckerstraße am Eingange zum alten Markt eingerichtet.
1662 wurde das Andreanum in der jetzigen Gestalt neuerrichtet. Der Keller des vorhergehenden Hauses blieb erhalten und wurde zugunsten der St. Andreaskirche vermietet. Das notwendige Bauholz bezog der Rat aus dem Harze, der Herzog August von Braunschweig und Lüneburg bewilligte am 9. Mai 1662, daß das Holz zollfrei aus dem Amte Seesen gefahren werden dürfte. Am 27. Mai wurden laut Bericht des Amtmannes dort ausgeführt: 32 Fuder Holz, von denen 24 Balken = 8 Fuder für den Umbau von St. Michael bestimmt waren.
[W] Südlich der Andreaskirche lag am Andreasplatz /Ecke Kramerstraße das alte Andreanum.
Die Schule des Stifts zu St. Andreas wird in den Urkunden erstmalig 1225 genannt, als der Erzbischof von Mainz den Streitfall um die Konkurrenz, die die Schule an der Andreaskirche für die Schule am Dom darstellte, zu Gunsten des Andreanums entschied. Sie dürfte jedoch schon bald nach der Errichtung des Stiftes 1200 begonnen haben. 1216 wird in einer Urkunde des Andreasstiftes ein "Olricus scolaris" bezeugt, ein Schüler namens Ulrich, in dem man also den ersten namentlich bekannten "Andreaner" sehen darf.
1504 zog die Schule in ein neues Gebäude am Andreasplatz. 1542 wurde das Andreanum im Zuge einer neuen Kirchen- und Schulordnung durch Johannes Bugenhagen evangelisch-lutherisch und ging 1546 von kirchlicher in städtische Trägerschaft über.
1654 zog das Andreanum erneut um, das neue Schulgebäude lag auch am Andreasplatz.
Das im 17. Jahrhundert errichtete Schulgebäude (Foto) wurde, wie an dem im deutschen Spät-Renaissance errichtete Portal zu sehen war, im Jahre 1662 von H. Peter Timpe und seiner Frau Anna Brandes „zu Gottes Ehren und der Jugend zum Besten“ erbaut.
Die Inschrift lautet folgendermaßen:
„Zu Gottes Ehren und der Jugend zum Besten von H. Peter Timpen und seiner Eh. Hausfrau Anna Brandes von Grund auf Neuerbawet anno 1663.“ Über dem Wappen der Stifter stand der heilige Andreas mit dem liegenden Kreuze; auf einem solchen soll er ja den Tod erlitten haben.
Das Andreanum kann also auf eine über 775-jährige Geschichte zurückblicken.
1866 umfasste die Schule ein "besonderes Gymnasium" (Prima-Quinta), eine "besondere Realschule erster Ordnung" (Prima-Quinta) sowie gemeinschaftliche Klassen beider Schulformen (Sexta-Octava).
Quelle
[1] Der Grundriß des Andreanums, Andreasplatz 10 (1242) (Bild 1) ist in drei Geschossen übereinander klar und einfach angeordnet; seitlich des geräumigen Treppenhauses liegen je zwei Klassenzimmer; das oberste Zimmer der linken hinteren Seite ist durch eine Zwischenwand neuerdings geteilt.
Der äußere Aufbau des Hauses (Bild 2) ist interessant durch seine Fachwerkkonstruktion.
Als erster größerer städtischer Bau nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges zeigt das Gebäude zum ersten Male eine neue Ausbildungsweise, die im Aufbau von der früher üblichen Ausladungen der Geschosse ganz absieht, und sie auf 12-15 cm beschränkt.
Die starken Pfosten des Holzwerkes sind am Fuße durch sogenannte Fußstreben gesichert, die Balkenköpfe profiliert, zwischen ihnen ein einfaches, ausgekehltes Füllholz angeordnet. Diese Ausführung wiederholt sich durch drei Stockwerke in strenger Gleich-förmigkeit; die Wandfläche ist durch die gruppenweise, im Sinne der inneren Raumgestaltung zusammengefaßten (1, 2, 4) Fensteröffnungen lebhaft unterbrochen und damit eine Hausform geschaffen, welche – ohne langweilig zu sein – die Art der damals üblichen klassisch beeinflußten Steinarchitektur geschickt im Holzbau fortbildet.
Das Portal (Bild 3) ist sehr originell. Es ist ein treffliches Beispiel der Verwilderung des Formensinnes, wie sie die gewaltsame Mischung verschiedener Völkerkulturen während des langen Krieges mit sich brachte.
Der Zusammenhang des Aufbaues ist durch die große Türbreite und die geringe Höhe des Architravs, der fast ganz unterdrückt ist, stark beeinträchtigt; dafür entschädigt die naive Art des Schmuckes. Die korinthischen Kapitelle sind ganz willkürlich umgebildet, mit Hörnern in der Mitte; zwischen den darüberstehenden Masken der Verkröpfung des Architravs in großen lateinischen Buchstaben die Inschrift:
ZV GOTTES EHRE VND DER IVGEND ZVM BESTEN VON H ∙ PETER TIMPEN V ∙
SEINER EH ∙ HAVSFRWEN ANNA BRANDES ∙ VON GRVND AVF NEW ERBBAVWET.
ANNO 1662
Im Aufsatze über der Mitte des Gebälkes, eingefaßt von gebogenen und abgeschnittenen Verdachungen ein Schild mit einem Doppelwappen heraldisch rechts (d. i. links vom Beschauer) das Zeichen Bild 4), darunter PT (Peter Timpen), ebenso h. links (= rechts vom Beschauer) das gleiche Zeichen mit AB (Anna Brandis). Das Zeichen (Hausmarke) und die Anfangsbuchstaben wiederholen sich in der Helmzier.
Seitlich des Wappenrahmens sitzen gedrehte Säulchen und Schnörkelwerk, über dem Gesims des Aufsatzes steht auf einer reich geschnitzten Konsole die Figur des Apostels St. Andreas mit dem nach ihm benannten schiefwinklig ineinandergefügten Kreuze.
Mithoff erwähnt noch 1775 unter dem Inventar der St. Andreaskirche die Messinggedenktafel des Erbauers des Schulhauses, welche die Inschrift trug:
HIESELBSTEN ∙ RVHEN ∙ DIE ∙ GEBEINE ∙ DES ∙ WEILAND
WOLEHRENVESTEN∙ GROSACHTBAREN ∙ V ∙ WOLWEISEN
HR ∙ PETER ∙ TIMPEN ∙ WOLFVRNEHMEN ∙ BVRGERS ∙ RATHS-
VERWANDTEN ∙ VND ∙ KAVFHERN∙ HIESELBST ∙ WELCHER ∙ Aö
1610 ∙ AM ∙ 25 ∙ FEBR. IN ∙ DIESE ∙ WELT ∙ GEBOHREN ∙ V ∙ AM ∙
5. MAY ∙ Aö ∙ 1667 SEHLIG∙ ENTSCHLAFFEN ∙ SEINES ∙ AL-
TERS ∙ 57 ∙ JAHR ∙ 2 MONAT ∙ 9 t. HERZLICH ∙ THVET ∙ MICH ∙
VERLANGEN ∙ NACH ∙ EINEM ∙ SELIGEN ∙ END ∙ WEIL ∙ ICH ∙
HIE ∙ BIN ∙ VMBFANGEN ∙ MIT ∙ SCHMERTZEN ∙ VNDT ∙ ELENDT.
Die Gedenktafel ist leider nicht mehr vorhanden.
Das Innere des Andreanums zeigt keinerlei alten Schmuck mehr.
Nach den Aufzeichnungen von Losius, der im Jahre 1703 einen Panegyricos de Gymnasio Andreano, quod Petrus Timpius suis sumptibus extrui fesit una cum conjuge Anna Brandisia hielt, waren die Innenräume der Schule reich mit Ziersprüchen ausgestattet. Wegen ihres originellen Inhalts seien folgende erwähnt:
Über der Tür zur Bibliothek stand
Ad discentes alumnos:
Mein Schüler, willstu nun von diesem Orte scheiden,
So machs am Ende gut. Den Undank zu vermeiden
Verbindet dich die Plicht, die dich verknüpft gemacht,
Da dich der Lehrer hat zu seiner Schar gebracht.
In Bauerkrügen selbst, da zahlt man noch mit Danke,
Nur Satan soll es sein, der Abschied nimmt mit Stanke.
Nicht so Du, liebe Schar, die du nach Ehren strebst,
Und unter treuer Zucht der edlen Weisheit lebst.
Dein Name soll nicht stehen im schwarzen Buch der Buben,
die ihr Gedächtnis selbst mit eitel Schimpf vergruben.
Wer Undank, Eigensinn und Frechheit mit sich nimmt,
Dem sei zu seiner Reis‘ ein Unglück gern bestimmt.
Neben zahlreichen Bibelstellen, wie: 1. Sir. 39, 17; Ecel. 1, 18; 2. Chron. 14, 12; Cor. 11; Sprüche 22; 22, 6; Ps. 90, 16, 17; Hebr. 13, 17, 18. Ps. 133; Spr. 12; Ps. 125, 4, 5, hat auch der über 40 Jahre (1667-1704) tätige Schuldiener Johann Ericus Schekkius sich ebenso originell wie deutlich verewigt und an die Türe der Quinta, die er verwaltete, geschrieben:
Maledicus, qui turpiter officium Scholasticum facit,
Quis miser est? Vere miseros si dixeris ullos.
Hi sunt, qui pueros letha vel alpha docent.
Und:
Die Schuldiener haben Roß- und Eselsarbeit, dabei sie viel
Staubes, Stankes, Dampfes, Ungemachs auch Calumnien und allerlei
Verdrießlichkeit einfressen müssen. Undank in fine laborum.
Text-Quelle:
- Literatur (1) A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 71ff
- Webseite (W) http://de.wikipedia.org/wiki/Gymnasium_Andreanum
Bildquelle:
- Ansichtskarten Privatbesitz H.-J. Brand
- Foto / Bild (1) A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Tafel
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