[1] Über die ehemaligen Bauten an der Südseite des Domes und des Domkreuzgartens ist folgendes bekannt:
Bischof Gunther errichtete zu Ehren der heiligen Cäcilie „etwas entfernt von der Kapelle Ludwigs auf der Südseite derselben“ (d. i. also südlich von der jetzigen Domapsis) eine Kirche mit „zwei recht hohen Türmen“. Der Bau wird von Chronisten, dem Verfasser der Fundatio Ecclesie Hildensemensis als ecclesia bezeichnet. Sie ist schon unter Bischof Dithmar Ruine. Bischof Godehard ließ sie im ersten Jahre seiner Weihe entfernen und baute hier ein neues Münster, das im Jahre 1026 geweiht wurde. Dieser Bau sank in Asche am 23. März 1046, gleichzeitig mit dem Altfriedschen Dome.
Von späteren Bauten nach dieser Zeit schweigt die Geschichte. Jedenfalls standen hier auf der Ostseite des kleinen (südlichen) Domhofes später Wohngebäude. Ein solches, eine Kurie, wurde 1590 den beiden Jesuitenpaters P. Hammer und Martin Petz zugewiesen, welche seit diesem Jahre (ersterer seit 1587) in Hildesheim predigten und katechetischen Unterricht erteilten.
Aus diesem Anfange entwickelte sich langsam die Domschule, welche 1595 aus 60 Schülern und zwei Lehrern bestand und das cubieulum (Schlafgemach) oder dormitorium des Dompropstes über der Antoniuskapelle als Lehrstätte erhielt. 1598 war die Unterrichtsanstalt auf drei Klassen mit drei Lehrern angewachsen, sie wurde damals in ein benachbartes Haus verlegt und 1601 zu einem Collegium erhoben, dessen erster Rektor der Superior des Hauses, P. Johann Hammer war.
Schon 1619 zählte die Schule 300 – 320 Schüler, das Collegium erwarb die angrenzende Kurie des Domherrn Johann Wulff von Lüttinghausen Bild oben, rechts), eine Aula wurde errichtet. 1614 wurde das Quadrat des alten Collegiums nach Norden zu durch ein Gebäude von 120 Fuß Länge geschlossen, das in zwei Stockwerken Schlafgemächer, gemeinsame Stube (hypocaustum commune, Studiensaal) und Refektorium enthielt.
Mit der Einnahme Hildesheims am 15. Juli 1634 durch die mit den Schweden verbündeten Braunschweiger mußten die Jesuiten die Stadt verlassen. Nach dem Friedensrezeß von 1643 zu Goslar kehrten zwei Jesuiten, die Patres Matthias Calconen und Henricus Werden zurück; sie fanden die Schulgebäude in trostlosem Zustande; Kirche und Haus geplündert, die Bibliothek beraubt, alle Einrichtungsstücke der Wohnungen zerstört und zerschlagen, in den Schulen Stallungen.
November 1643 wurde die Schule mit drei Klassen wieder eröffnet. 1655 gab das Domkapitel die Zustimmung, die alten, nach dem kleinen Domhofe stehenden schadhaften Gebäude abzutragen und einen neuen Flügel aufzuführen. 1656 wurde das massive Erdgeschoss fertiggestellt, 1657 das Obergeschoss in sehr gefälligem Fachwerk vollendet. 1674 wurde in dem nach der Treibe (nach dem Hückedahl) zu offenen Garten des Collegiums ein neuer Flügel mit Zellen für die Patres errichtet. (vergleiche Grundriss Nr. 6-11).
Auf Pfahlrost wurde der Neubau gegründet und 1675 mit dem zweiten Stocke vollendet; die innere Einrichtung dauerte bis 1681.
Da das Schulgebäude immer baufälliger wurde, so beschloss man schon 1688 dessen Neubau, der infolge mancher Schwierigkeiten erst durch die große Freigiebigkeit des damaligen Domdechanten und Generalvikars Maximilian Heinrich Josef von und zu Weichs, der den größten Teil der Baukosten übernahm, am 10. Mai 1693 mit der Grundsteinlegung begonnen wurde. Der Neubau (vergl. Grundriß Nr. 32-36), der die große und kleine Aula sowie die Klassen von Untersekunda bis Oberprima umfasste, ging rasch voran. 1609 war der Giebelbau fertig; in diesem Jahre wurde die Schule auch dem hl. Josef geweiht, weshalb sie seitdem den Namen Gymnasium Mariano-Josefinum führt.
1700 wird der Ostflügel nach Süden erweitert, im Untergeschoss Kirche und Brauerei, im Obergeschoß Zellen für die Patres eingerissen (Grundriß Nr. 28-30). Am 3. Juli wurde der Grundstein gelegt und schon im gleichen Jahre ein Verbindungsbau mit der älteren Front am kleinen Domhofe hergestellt. Dieser Bau (Grundriß Nr. 28-30) gedieh bis 1701 zum Erdgeschoss und wurde bis 1704 innen vollendet. Er enthielt: ein neues Refektorium (Nr. 14), ein neues Museum (Nr. 16); 1705 wurde das Türmchen, 1707 die Fußböden (Gipsböden) der Gänge hergestellt.
Der südliche Flügel des alten Hauses an der Stinekenpforte wurde 1728 durch einen massiven Unterbau gesichert. 1773 wurde das Collegium aufgehoben, die Schule in ein bischöfliches Gymnasium verwandelt.
Mit dem Neubau des Josephinums bricht sich der Klassizismus in der Hildesheimer Baukunst Bahn, die glatte Putzfläche der Wand, der auf Portale und einzelne Türen beschränkte Schmuck der Bauteile kommt mit ihm zur Geltung.
Der älteste Flügel von 1656 nach dem kleinen Domhof (Bild oben) ist schlicht und einfach, das zweistöckige Obergeschoss kragt wenig vor, ein kleines Zwerghaus mit zwei Luken nebst Rollen zum Aufziehen mach die Speicherböden im Dachraume zugänglich. Den Eingang schließt eine stattliche Tür mit doppelten, vernagelten, vorn unter 45° überkreuzten Brettern, mit besonderer Fußgängerpforte. Am Torbogen ist die Inschrift: 1656, darüber das Emblem der Jesuiten: IHS mit Kreuz darüber, Herz mit drei Nägeln darunter angebracht.
Im Innern des Durchganges ein reich barock geschnitzter Wandschrank.
Den jüngeren Ostflügel von 1674, mit der Rückseite an die Treibe grenzend, ziert eine Gartenpforte in einfachen Formen, die obere Nische enthält ein Steinbild des hl. Ignatius. Die Figur hält in der Hand ein offenes Buch mit der Inschrift:
„Quicunque hane regulam secuti fuerint, pax super illos. Gal. VI. 16.“
Im Giebeldreieck des Portales die Jahreszahl 1675, im Fries:
AD MAIOREM DIE GLORIAM.
Der nach dem Garten liegende Korridor (Bild rechts) ist einfach gehalten; die Türen sind in strengen klassischen Formen mit Oberlichtern entworfen; die Wände durch zahlreiche allegorische Gemälde, die sich meist auf Lehrer des Stiftes beziehen, geziert. Das braune Holz bildet mit den einfach weiß getünchten Wänden und dem grauen Gipsfußboden einen guten Gesamteindruck. Am Treppenaufgang zum Obergeschoß eine einfache Bogenarchitektur, mit Gebälken geradlinig geschlossen. Von einer Treppe nach dem Obergeschoss ist noch ein hübsch geschnitzter Anfänger erhalten, das Geländer fehlt.
Der Verbindungsbau beider Flügel von 1701-1704 enthält ein sehr stattliches Treppenhaus von guter architektonischer Auffassung (Bild unten links). Die gedrehten dicken Docken (Bild unten rechts) geben dem Raume eine sehr behagliche Wirkung, eigenartig (wenn auch nicht zu empfehlen) in der Konstruktion die Handläufe im Profil der Wangen aus aufeinander genagelten Brettern und Zierleisten.
Die Eingangstür, sowohl der Hof- als der Gartenseite, sind architektonisch wirksam behandelt.
Das an der südlichen Hofseite dieses Verbindungsbaues befindliche schöne Steinportal (Bild links) hat ein flachbogiges Oberlicht, umrahmt von einem gut stilisierten Lorbeerkranz und bekrönt durch den Namenszug JHS mit Kreuz über Flammen.
Die Inschrift lautet:
A SOLIS LAVDA
ORTV BILE
VSQVE AD Emblem NOMEN
OCCASVM DOMINI
PSALMO 112
ANNO 1701.
Das gleiche Portal der Gartenseite trägt die Inschrift:
VIDE ET OMNIS
BVNT INIQVITAS
RECTI ET OPPILABIT
LÆTABVNTVR Emblem OS SVVM
PSAL 106
ANNO 1702.
Der Gebäudeflügel ist demnach innerhalb dieser beiden Jahresgrenzen im Rohbau errichtet und wurde in den darauffolgenden Jahren ausgebaut.
Die Innenwirkung der Korridore dieses Flügels gehört zu den besten Räumen Hildesheims; der Wechsel des leuchtend braun getönten Holzes und der weißen Decken und Wände ist sehr gut. Die Türen (Bild rechts) sind eingerahmt durch seitliche korinthischen Pilasterstellungen, Kranzgesims mit barocken Voluten, darüber das quadratische Oberlicht, mit seitlichen jonisierenden Pilastern, darüber ein gekröpfter Flachbogen; der Aufbau im Ganzen und die Verhältnisse der einzelnen Bauglieder, namentlich auch der Übergang zum Oberlicht vorzüglich gelöst.
Die Türen selbst bestehen aus gestemmten Rahmen mit eingeschobenen Kehlstößen und platter Füllung von vorbildlicher Arbeit; die einfachen Beschläge originell.
Die Türen des gleichen Geschosse im Hinterhaus sind älter, laut Inschrift der an den Domkreuzgang anstoßenden Tür von 1681 und mehr im Renaissancecharakter gehalten.
Interessante alte Lehrmittel aus dem 17. Und 18. Jahrhundert (astronomische, physikalisch-mechanische und mathematische Vorlagen sowie Karten, darunter solche von Lotter – Aug. Vindel. (Augsburg) sind in den Gängen aufgestellt.
Nach den Aufzeichnungen von Joh. Lossius (von 1706 bis 1708, veröffentlicht in Buhlers Hildesheimer Haussprüche, Zeitschrift Harzverein, Jahrgang XXVII), war der Bau durch Inschriften mit Malereien „Emblemata“ reich geziert; so standen an einer Sonnenuhr die Worte: „Qua nescitis hora“. Im zweiten Obergeschosse die gleiche Türanordnung, jedoch mit horizontalen Stürzen über dem Oberlicht.
Der südlichste Querbau, ursprünglich für Aula und Schulklassen errichtet, ist mit seinem massiven Giebel in die Westfläche des Gebäudekomplexes eingerückt. Die Steinfassade, von zwei übermäßig breiten Lisenen eingerahmt, mit reichem zweisäuligem Hauptportal ist nicht besonders glücklich. Das Portal sowohl in seinem halbkreisförmigen Toreingang wie auch der Giebel sind noch stark von der Renaissance beeinflusst.
Das Portal (Bild links) selbst wird von zwei freistehenden Säulen mit gekröpften Gebälken flankiert, darüber sitzt ziemlich unvermittelt das Wappen des Stifters und Domdechanten Maximilian von Weichs.
Die Inschrift lautet:
Im Giebel:
DEO,
ECCLESLÆ ET PATRIÆ
Im Fries:
GYMNASIVM ∙ MARIANO ∙ JOSEPHINVM ∙ SOCIET ∙ JESV.
In der Inschrift über dem Portal:
LIBERALITATIS MAGNIFICENTIA
RMI ET ILLVSMI D MAX HENRICI JOSEPHI
L B DE ET IN WEICHS
CATHED ECCL HILD DECANI
MECOENATIS MVNIFICENTISSIMI
ET ALIORVM PATRONORVM
A FVNDAMENTIS ERECTVM ANNO M D C X C IV (1694).
Das Innere des Baues enthält unten die kleine, darüber die große Aula; eine in den nördlich anstoßenden Flügel eingebaute seitliche Treppe führt nach dem Obergeschoss.
Das Hofportal zeigt die Jahreszahl 1693; auf dem Giebel ein Glockentürmchen von 1705.
[-] Das Josephinum ist Nachfolgerin der alten Domschule, die vermutlich im Jahre 815 mit der Errichtung des Bistums Hildesheim gegründet wurde.
Im Jahre 1595 übernahm der Jesuitenorden die Domschule und entwickelte sie zu dem klassischen "Gymnasium Mariano-Josephinum" weiter. Nach Auflösung des Ordens im Jahre 1773 führte der Bischof von Hildesheim das Josephinum als sein Gymnasium fort.
Bekannte Schüler und Professoren besuchten die Schule, z. B. im letzten Jahrhundert der Naturforscher Johannes Leunis oder fast alle Hildesheimer Bischöfe der letzten zweihundert Jahre.
[3] Bischöfliches Gymnasium Josephinum (die alte Domschule)
Domhof 7
Schulgeld: 130 Mark jährlich
Text-Quelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Bürgerliche Bauten; Selbstverlag,
Hannover 1912; Seite 141ff
[3] O. Beyse, „Hildesheim“, Deutscher Kunstverlag, Berlin 1926; Foto 62
[-] OB Dr. Struckmann; „Malerische Straßen und Winkel in Hildesheim“; Verlag d. Gerstenbergischen
Buchhandlung; Hildesheim 1918, Seite 23
Bildquelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Bürgerliche Bauten; Selbstverlag,
Hannover 1912; ab Seite 141
Ansichtskarten : Privatbesitz H.J. Brand