Allgemeines
Ein Rundgang im Jahre 1919
Im Jahre 1907 erhielt der Direktor des Roemer-Museums von dem in Ägypten lebenden Wilhelm Pelizaeus (Bild 1) einen Brief, in dem dieser zum ersten Male die Absicht aussprach, seinen gesamten Besitz an ägyptischen und griechischen Kunstwerken seiner Vaterstadt Hildesheim zu schenken-.
Die Ereignisse entwickelten sich schnell. Am 9. Oktober 1907 unterzeichnete Herr Pelizaeus eine Schenkungsurkunde, durch die er die in seinem Besitz befindlichen altägyptischen und griechisch-römischen Denkmäler als geschlossenen „Sammlung Pelizaeus“ der Stadt Hildesheim übergab; es waren ungefähr tausend Gegenstände, deren Wert anfangs auf 50000 Mark geschätzt wurde, später auf das Doppelte, sich schließlich aber als ein Vielfaches davon herausstellte.
Der Schenker forderte die Aufstellung in trockenen Räumen und die Sorge für gute Konservierung; die museumsmäßige Herrichtung der Antiken sollte nach seinen Intentionen, unter seiner Leitung und auf seine Kosten geschehen. Bezeichnend für die Absichten des Stifters ist die einzige besondere Bedingung, daß die Sammlung möglichst dreimal, mindestens aber zweimal in der Woche unentgeltlich geöffnet werden solle. Die Stadt Hildesheim übernahm die Verpflichtung, das an das Roemer-Museum grenzende lutherische Waisenhaus (Bild 2) anzukaufen und für die ägyptische Sammlung umzubauen.
Das war eine finanziell recht bedeutende Leistung, da 120000 Mark für das Waisenhaus und den anschließenden großen Garten gezahlt werden mußten und eine Heizanlage zur Erhaltung der empfindlichen Denkmäler, die man aus dem trockenem Klima Ägyptens erwartete, notwendig wurde. Diesen Ausgaben gegenüber bedeutete der einmalige Zuschuß der Provinz Hannover von 20000 Mark für die Stadtgemeinde nicht allzu viel. Die Antiken selbst sah man recht billig in seinen Besitz kommen, denn die gezahlten Gebühren stellten eine Summe dar, für die man in Kairo im Kunsthandel ein gewöhnliches kleines Stück erwirbt, wie es der Stadt nun in Dutzenden von Exemplaren zugeführt wurde. Was Hildesheim durch die Schenkung angeboten war, bedeutete in der Tat für die Stadt sehr viel, und wenn man sich auch einiger Bedenken gegen die Übernahme der Verpflichtung nicht erwehren konnte, so griff man doch mit beiden Händen zu.
Als dann im Sommer 1909 nun zahllose Kisten einliefen, wurde man sich darüber klar, daß durch die Einverleibung der ägyptischen Sammlung der Rahmen des bisherigen Roemer-Museums gesprengt wurde. Bei dem auspacken der Kisten sah man diesen eine Fülle von Denkmälern entsteigen, die an Zahl und Wert jede Ableitung des Museums übertrafen und überhaupt nicht als nur ein Teil jenes ganzen denkbar waren.
Der Vorstand des Museumsvereins sah ein, daß es besser täte, die „Sammlung Pelizaeus“ selbstständig zu machen. So bildete die Stadtverwaltung im Herbst 1909 ein selbstständiges „Pelizaeus-Museum (Archäologischer Sammlung)“ als eigene Verwaltung, die ein rein städtisches Institut und von dem Museumsverein vollständig unabhängig ist.
Das Roemer-Museum übergab der jüngeren Schwesteranstalt alle früheren Schenkungen des Herrn Pelizaeus, dazu die wenigen griechischen und römischen Denkmäler, die in seinem Besitze waren, und auch die ägyptischen Gipsabgüsse.
Nachdem die Altertümer ausgepackt und durchgesehen waren, übernahmen die städtischen Kollegien im Herbst 1910 das Pelizaeus-Museum als städtisches Institut, für dessen Verwaltung ein besonderer Ausschuß von acht Personen eingesetzt wurde. Herr Pelizaeus erleichterte der Stadt diesen Entschluß durch eine besondere Stiftung von 25000 Mark, deren Zinsen zur Unterhaltung des neugebildeten Pelizaeus-Museums verwendet werden sollte.
Nachdem die Altertümer ausgepackt und durchgesehen waren, übernahmen die städtischen Kollegien im Herbst 1910 das Pelizaeus-Museum als städtisches Institut, für dessen Verwaltung ein besonderer Ausschuß von acht Personen eingesetzt wurde. Herr Pelizaeus erleichterte der Stadt diesen Entschluß durch eine besondere Stiftung von 25000 Mark, deren Zinsen zur Unterhaltung des neugebildeten Pelizaeus-Museums verwendet werden sollte.
Auch von anderen Seiten wurde das Museumskind bei seinem Eintritt ins Leben freundlich bedacht. Nachdem die Provinz vorangegangen war, bewilligte die Landschaft des Fürstentums Hildesheim einen jährlichen Zuschuß von 150 Mark. Das preußische Kultusministerium beurlaubte den Oberlehrer Dr. Rubensohn, der im Auftrage der Berliner Museen mehrere Jahre hindurch in Ägypten Ankäufe und Grabungen auf Papyrus ausgeführt hatte, mit Gehalt, damit er dem Pelizaeus-Museum vorstehen könne; der Museumsverein übertrug ihm gleichzeitig die Fürsorge für die Kunstabteilung des Roemer-Museums.
Im Frühjahr 1911 war endlich der Umbau des Waisenhauses beendet, sodaß die ägyptischen Altertümer einziehen konnten. Das stattliche Gebäude wurde mit gärtnerischen Anlagen geschmückt und der Platz vor ihm durch Niederlegung eines Arbeiterhauses vergrößert. Neben dem Eingang stellte man die schwarze Granitstatue der löwenköpfigen Gattin Sachmet auf, die zu einem Wahrzeichen der Sammlung geworden ist.
Am 29. Juli 1911 fand die feierliche Eröffnung statt. Herr Pelizaeus und die Stadtverwaltung, die aus seiner Hand die Sammlung die Sammlungen entgegennahm, konnten die Spitzen aller Behörden begrüßen: den Oberpräsidenten, den Landeshauptmann und den Regierungspräsidenten, den Bischof und den Generalsuperintendenten, die Landschaft des Fürstentums Hildesheim und alle einzelnen Institute und Körperschaften von Hildesheim. Die Museen waren durch die ägyptische und griechische Abteilung der preußischen Staatssammlungen vertreten, die Universitäten durch Ägyptologen und Archäologen aus Berlin, Göttingen, Leipzig, Münster und Wien. Soweit der beschränkte Raum Gäste zu fassen vermochte, waren hervorragende Persönlichkeiten aus der Wissenschaft, der Kunst und dem öffentlichen Leben geladen und erschienen.
Der Spender, Wilhelm Pelizaeus sagte in seiner Begrüßungsrede folgendes:
„Der heutige Tag ist ein für mich außerordentlich freudiger, da er mich zu dem langerstrebten Ziel führt, meiner Vaterstadt die Frucht einer vieljährigen Arbeit zu übergeben. Es fällt mir allerdings recht schwer, mich von meiner Sammlung zu trennen, aber der Wunsch, dieselbe einmal im schönsten Gewande zu sehen, wie ich mir daselbste in meinen Gedanken oft vormalte, und die Notwendigkeit, in bester Weise für die Zukunft meines Werkes zu sorgen, veranlasste mich, dasselbe schon jetzt der Heimat zu überweisen.“
Die weitere Entwicklung des Pelizaeus-Museums besteht in einer fortgesetzten Erweiterung und Entfaltung seiner Sammlungen.
In jedem Frühling kam eine größere Zahl von Kisten an, in denen Herr Pelizaeus seine Ankäufe an Denkmälern überwies. Der wichtigste Inhalt der Sendungen in den drei Frühjahren 1912 bis 1914 waren jedoch die Ergebnisse der Ausgrabungen, die Herr Pelizaeus unter Leitung bekannter Ägyptologen bei Kairo hatte ausführen lassen. Diese Schenkungen erweiterten den Bestand des Museums so stark, daß er auf 2700 Stück anwuchs und daß die bisherigen Räume für ihre Aufnahme nicht mehr ausreichte. Zum Schmerz aller Museumsfreunde und der Verwaltung und auch gar nicht im Sinne der Absichten des Stifters mußte der Vortragssaal umgewandelt, allerdings mit der Aussicht auf baldigen Ersatz. Auch zwei weitere Zimmer des Erdgeschosses sind noch zur Aufstellung von Antiken herangezogen worden, so daß das Museum jetzt zehn Räume umfaßt.
Nach Ausbruch des Krieges sind wohl noch Umstellungen vorgenommen, wir haben auch noch einzelne Denkmäler für die Ausstellung hergerichtet oder gelegentlich eine kleine Neuwerbung gemacht. Aber alles dieses ist geringfügig gegenüber dem vorher geschaffenen, und das Pelizaeus-Museum stellt sich dem Besucher heute (1920) im Wesentlichen unverändert in der Form dar, in der es im August 1914 zum zweiten Mal der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden sollte, als die rauhe Hand des Krieges den Faden der weiteren Entwicklung abschnitt. Man hätte damals eigentlich von einer zweiten Eröffnung des Pelizaeus-museums sprechen können, denn vom Sommer 1911 bis zum Sommer 1914 hatte es sich nach Umfang, Inhalt und Bedeutung beinahe verdoppelt.
Der Versicherungswert unserer Denkmäler beträgt jetzt rund eine Million Mark; er entspricht natürlich bei weitem nicht dem Marktwert der Altertümer, und bei einem etwaigen Verlust der Sammlung wäre es überhaupt ausgeschlossen, eine solche jemals wieder durch Kauf oder Grabung zusammenzubringen
Die Sammlung Pelizaeus ist also im eigentlichen Sinne des Wortes unersetzlich und deshalb unschätzbar.
(im Original übernommen)
Text Quelle:
Prof. Dr. Roeder: Das Pelizaeus-Museum in Hildesheim, Alt-Hildesheim, Westermann 1920, Braunschweig, Heft 4, S. 46ff
Bildquelle:
Bild 1: http://www.rpmuseum.de/ueber-uns/geschichte.html
Bild 2: Prof. Dr. Roeder: Das Pelizaeus-Museum in Hildesheim, Alt-Hildesheim, Westermann 1920, Braunschweig, Heft 4, S. 47
Der in dem Roemer-Museum betätigte Weg der Förderung durch Hildesheimer Bürger hat unserer Stadt im letzten Jahrzehnt eine Sammlung ägyptischer und griechischer Altertümer zugeführt, die in Deutschland ihresgleichen suchen kann.
Sie ist von dem Großkaufmann Herrn Wilhelm Pelizaeus angelegt worden, der 1885 bis 1914 in Kairo im Antikenhandel kaufte und in sechs Wintern entweder allein oder in Verbindung mit der Universität Leipzig und der Akademie der Wissenschaften in Wien Ausgrabungen in Ägypten unternommen hat.
Herr Pelizaeus schenkte seinen gesamten Besitz an Denkmälern 1909 seiner Vaterstadt Hildesheim und dazu die Ausstattung und Einrichtung des neben dem Roemer-Museum belegenden früheren Waisenhauses, das die Stadtverwaltung zu diesem Zweck ankaufte.
In den folgenden Jahren wurden die Sammlungen durch Schenkungen des Stifters wesentlich erweitert, sodaß auch der Vortragssaal zur Ausstellung von Altertümern benutzt werden mußte.
Das Museum untersteht stiftungsgemäß einem ägyptischen Fachmann im Hauptamt und ist dadurch als wissenschaftliche Anstalt, wie sie sonst nur an Universitäten vorhanden sind, gesichert; der Museumsleiter betätigt sich auch durch Führungen, Unterricht und Vorträge über ägyptische Kultur und Sprache.
Die Räume (Bild) enthalten Denkmäler ägyptischer Kunst aller Zeiten und zwar ausschließlich Originale. Besonders reichhaltig sind die Funde aus Privatgräbern des Alten Reichs, unter denen die einzigartige Statue des wohlbeleibten Prinzen Hem-On hervorragt.
Der Saal der Bronze, dabei ein lebensgroßer Königskopf (Bild) und der Gläser enthält viele reizvolle Stücke. Unter den zahlreichen Särgen, Mumien und Ausstattungsgegenständen ägyptischer Grabanlagen ist vieles für weite Kreise Anziehende und Interessante vorhanden, das durch seine kulturgeschichtliche Beziehung und seine künstlerische Form bemerkenswert ist.
Einige Mumienmasken in Stuck, ein Holzsarg mit der vollständigen Reihe der Beigaben und anderes mehr sind Gegenstände, wie sie in gleich wertvoller Ausführung und Erhaltung in keinem Museum besser zu sehen sind.
Ebenso außerordentlich sind die aus Tempeln stammenden Statuen und die Reliefs, die den Dienst des Pharao vor ägyptischen Gottheiten veranschaulichen.
Aus der griechischen Zeit Ägyptens stammen kunstgewerkliche Gegenstände ungewöhnlicher Art, dabei ein antiker Abguß einer silbernen Schale mit Athenenkopf, wie auch der Hildesheimer Silberschatz sie darbietet.
Text Quelle:
Bildquelle:
Günther Roeder: Führer durch Hildesheim; Verlag Franz Borgmeyer, Hildesheim 1919; Seite 46f
Günther Roeder: Führer durch Hildesheim; Verlag Franz Borgmeyer, Hildesheim 1919; Seite 79/83
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