Das Braugewerbe
Das Gewerbe der Goldschmiede
von Walter Tuckermann
Von besonderer Wichtigkeit ist die Lösung der Frage, ob im Mittelalter in Hildesheim eine Brauergilde bestand. Vor dem Jahre 1430 wird in den Quellen kein Ausdruck (innung, gilde) gebraucht, der die Annahme der Existenz einer Korporation stützen könnte. In den Stadtrechnungen des Jahres 1430 (dann der Jahre 1433, 1443-46) werden zum ersten Male die an die Stadt entrichteten Gebühren für die Erlaubnis, das Braugewerbe ausüben zu dürfen, unter dem ‚Stichwort van bruweinninge gebucht. Aus den gleichzeitigen Urkunden erfahren wir indes nicht das Geringste über die Organisation einer Gilde, ja, die Tatsachen sprechen gegen das Vorhandensein eines zünftigen Verbandes. Die von der Stadt stets eigenmächtig verliehene Braugerechtsame*, die ihr allein zufließenden geboren sowie die von ihr erlassenen mannigfachen gewerblichen Verordnungen, ohne irgendwelche Mitwirkung der einer Zunft eigenen Instanzen, reden entschieden für die Ablehnung einer Brauergenossenschaft. Wenn trotzdem die urkundliche Überlieferung von Innung und Gilde spricht, so haben wir es mit einem Analogieschluss zu tun. Auch im 16. Jahrhundert scheint eine Brauergilde nicht bestanden zu haben.
* Auch die Art der Verleihung der Gerechtsame, die mitunter eine Gnadenerweisung der Stadt verkörpert, kennzeichnet die Sonderstellung des Braugewebes. So schließt z.B. die Stadt im Jahre 1474 mit Henning Rusagk einen Dienstvertrag auf drei Jahre ab, nach deren Verlauf dieser das Anrecht auf das Brauen hat. Im Jahre 1492 verleiht sie Henning Hegker das Braurecht, weil er ihr 6 Fuder Hafer geliefert hatte. Im Jahre 1504 stellt sie sogar dem bischöflichen Kanzler das Braurecht in Aussicht, wenn er Bürger würde.
Wiewohl also das Vorhandensein einer Korporation abzulehnen ist, so war doch das Braugewerbe in der Stadt Hildesheim recht bedeutend. Das beweist schon der außerordentlich große Andrang von Bürgern und Fremden, vom Rat die Gerechtsame zu erwerben. Innerhalb von vierzig Jahren haben nicht weniger als 230 Personen diese erlangt. Bezeichnend ist, daß trotz der vom Rate mehrfach wesentlich erhöhten Gebühren die Zahl der Bewerber nicht zurückging. Man ersieht daraus, daß aus den Kreisen der Vornehmen viele Anteile an dem lohnenden Betriebe hatten. Sie werden diesem freilich nicht selbständig obgelegen haben, sondern durch „Brauknechte“ haben ausüben lassen.
Im Jahre 1441 werden die Abgaben für das Brauwerk auf vierzig Gulden erhöht, um der leidigen und scharfen Konkurrenz zu begegnen. Ging nun die Zahl der Erteilungen auch in den nächsten beiden Jahren zurück, so erreichte sie im Jahre 1443 wieder die Höhe von zehn – ein untrüglicher Beweis, wie begehrenswert und gewinnbringend die Hildesheimer Bierbrauerei war. Aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts besitzen wir eine Zusammenstellung über die Höhe des Brauergeldes zu verschiedenen Zeiten. Danach betrug diese Im Jahre:
1411: 8 Pfund (zu je 20 Schilling)
1426: 16 Pfund
1441: 40 Gulden (zu je 30 Schilling)
1452: 100 Gulden
1452 (Fasten): 60 Gulden
1503: 60 Gulden
1532: 100 Gulden usw.
Die Erlaubnis, das Braugewerbe ausüben zu dürfen, erteilte jedesmalig der Rat. Zwar bestand auch in Hildesheim die Sitte, daß die Braugerechtigkeit auf gewisse Häusern und Grundstücken haftet. Aber der Rat hatte es ja in der Hand, die Gerechtsame zu verleihen und sie auf neue Häuser zu radizieren. Es unterliegt keinem Zweifel, daß auf diese Weise vor allem das Zustandekommen der Braurechtverleihung zu erklären ist. Daß es sich nur um Bestätigung oder Erneuerung alter auf gewissen Grundstücken ruhender Privilegien handelt, ist bei der enormen Anzahl der Verleihungen ausgeschlossen. Es lag ja schließlich im Vorteil der städtischen Finanzen, wenn die Braugerechtsame wegen der mit ihr verknüpften hohen Abgabe häufig verliehen wurde. Zwar haben wir mehrere Bestimmungen, welche nachdrücklich das Braurecht der angestammten Häuser betonen, aber die Stadt behielt sich auch dann noch Dispensationen vor.
Im Jahre 1484 verbot die Stadt das Brauen in geistlichen Stiftungen und die Anlage neuer Brauhäuser in der Bannmeile (buten der stad rynkmuren).
Das Bürgerrecht und die freie Geburt werden erst im Jahre 1411 von den Bewerbern verlangt, mit der Einschränkung, daß Hörige, welche in diesem Jahre der Brauerei oblagen, diese bis zu ihrem Tode fortsetzen durften. Gleichzeitig wird auch das Kompagniegeschäft, das nur Vater und Sohn, sowie Brüdern, die in Gütergemeinschaft leben, gestattet ist, verboten. Eine Ergänzung erhielt diese Verfügung im Jahre 1450, nach welcher der von zwei Personen in einem Hause gepflegte Brauereibetrieb, auch der von Vater und Sohn, strengstens untersagt wird.
Es ist natürlich, daß sich das Interesse des Rates auch der Produktion und dem Absatz des Bieres zuwandte. Wie für andere Städte besitzen wir auch für Hildesheim eine Festsetzung der Maximalproduktion. Im Jahre 1441 verordnet der Rat, daß die Brauberechtigten jeden zwölften Tag fünf Faß Bier brauen sollten, zu denen 28 Scheffel Malz verwandt werde, oder, anscheinend mit Rücksicht auf die ärmeren, drei Faß zu 18 Scheffel. Zahlreich sind ferner die Mahnungen, welche gerechtes Einschenken und Maßgeben verordnen. Eine Ratswillkür bedroht denjenigen, welcher nicht volle Maße gibt, mit einer halbjährlichen Suspendierung von der Ausübung der Gerechtsame. Das Stübchen Hildesheimer Bier wird im Jahre 1443 auf vier Pfennig bewertet. Die brauenden Bürger durften keine Gastwirtschaft führen, indes war ihnen das Bierzapf über die Straße gestattet (außer Haus Verkauf).
Versuchen wir eine Schilderung der städtischen Politik betreffs der Einfuhr auswärtiger Biere zu geben. Wir wissen, daß im 15. Jahrhundert in vielen niedersächsischen Städten das Braugewerbe blühte. Um nur Hildesheim benachbarte Plätze zu nennen, so haben Braunschweig, Goslar und Einbeck in der Geschichte der mittelalterlichen Bierproduktion einen guten Klang. Über die Stellung der Stadt zum Braunschweiger Bier, der Mumme, ist nur bekannt, daß der Rat im Jahre 1469 die Einfuhr desselben in Hildesheim verbot.
Viel getrunken wurde in Hildesheim das Goslarer Bier, die sogenannte „Gose“. Indes bereitete diese dem Hildesheimer Bier nicht den scharfen Wettbewerb wie das Einbecker Bier, das sich über die Grenzen Niedersachsens hinaus einer allgemeinen Wertschätzung erfreute. Wir können uns deshalb nicht wundern, wenn die im Rückgang ihrer eigenen Produktion betroffenen Städte sich zu energischen Maßregeln zur Bekämpfung des übermächtigen Einbecker Bieres aufrafften. So trat Hildesheim im Jahre 1460 in Unterhandlungen mit Hannover und Lüneburg, um ein allgemeines Verbot desselben zu erwirken. Die Sache scheint sich zerschlagen zu haben. Aber auch nach diesem Versuch strebte der Rat durch wirksame Verordnungen darnach, die Konkurrenz des fremden Bieres einzudämmen. So gebot er im Jahre 1445 allen Bürgern, bei festlichen Anlässen wie Hochzeiten nur Hildesheimer Bier zu trinken. Ein anderer Schachzug des Rates setzte sich als Ziel, den Ausschank des Einbecker Bieres auf wenige Stellen in der Stadt zu lokalisieren. So privilegierte er im Jahre 1443 den Hohen Weg und eine Schenke in der Kreuzstraße für den Verschleiß desselben. Zwei Jahre später verbot er überhaupt das zapfen von Einbecker und sonstigem fremden Biere den Bürgern, indem er dieses für sich zunächst auf drei Jahre monopolisierte. Gleichzeitig unternimmt er Schritte bei der bischöflichen Kurie und der Neustadt, um auch hier ein Verbot erreichen zu können. (nach dem ratsrecess vom Jahre 1462 wird die Monopolisierung des Einbecker Bieres durch den Rat erneuert. Das Stübchen Einbecker Bier kam im Jahre 1438 auf einen Schilling, 1440 auf 4 Pfennige, drei Jahre später auf das doppelte, im Jahre 1462 endlich auf 14 Pfennige zu stehen.
Von dem in Hildesheim eingeführten fremden Bier erhob die Stadt eine Akzise – zuerst erwähnt im Jahre 1347 als berpennige - , deren rechtliche Grundlage zwar vom Bischof angezweifelt wurde, von der Stadt aber mit dem lange geltenden Gewohnheitsrecht, das seine Bestätigung sogar vom Reich herschreibe, verteidigt wurde. Neben der Erhebung der Akzise, welche an den Toren der Stadt stattfand, kommt ein anderes Kontributionssystem, das der Kufenpfennige in Betracht, so benannt, weil die Steuer von den einzelnen Kufen (Fässern) erhoben wurde. Die Kufenpfennige, welche von jedem Faß zwei Schilling betrugen, liefen besonders von den Wirten (den Eimbeksch beirteppern) ein.
Textquelle: W. Tuckermann: „Das Gewerbe der Stadt Hildesheim bis zur Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts“; Inaugural-Dissertation;
Berlin 1906; Seite 149-154
von Walter Tuckermann
Im frühen Mittelalter war Hildesheim eines der Zentren kirchlicher Kunst; unter dem Schutz und der eifrigen pflege hervorragender Bischöfe wie Bernward, Godehard und Hezilo blühte das Gewerbe der Goldschmiede. Noch heute enthalten die Gotteshäuser der Stadt, vor allem die berühmte Domkirche, einen hervorragenden Schatz erstklassiger Werke, deren Erwähnung den Rahmen dieser Arbeit übersteigt. Es läßt sich nicht bestreiten, daß in späterer Zeit das Goldschmiedegewerbe die einstige Höhe nicht mehr erreichte: nicht nur blieb die Kirche hinter den Leistungen der Vorzeit weit zurück, sondern auch der Sinn des Bürgertums vermochte, wiewohl anerkennenswertes nicht fehlte, die Lücken nicht ausfüllen. Bemerkenswert ist auch, daß in Hildesheim, dem kirchlichen Mittelpunkt eines weiten Gebietes, eine Gilde der Goldschmiede nicht bestand, während dagegen im nahen Braunschweig eine solche nachweisbar ist. Doebner spricht von einer S. Bernwardsbrüderschaft der Goldschmiede und beruft sich offenbar auf eine Stiftung dieser Brüderschaft vom Jahre 1446. Daß diese Brüderschaft speziell von Goldschmieden gestützt wurde, ist sehr zweifelhaft; dagegen spricht, daß die vier Älterleute der Brüderschaft in keiner Weise mit den vorhandenen Goldschmiedelisten der Jahre 1443 und 1458 übereinstimmen.
Die Zahl der in Hildesheim arbeiteten Goldschmiede war nicht groß. Im Jahre 1443 belief sie sich auf acht, im Jahre 1458 auf einige zehn, etliche Jahre später auf elf.
Die vom Rat getroffenen gewerblichen Verordnungen regeln vor allem den Silbergehalt der Wertsachen. So mußte nach einer Mitteilung des Rates an verschiedene Nachbarstädte bei Anfertigung von Ketten und Spangen zehnlotiges Feinsilber verwandt werden. Die fertiggestellten Waren mußten mit der Fabrikationsmarke des Künstlers und dem städtischen Schutzzeichen besiegelt werden. Das Stadtwappen wurde einem der Goldschmiede übergeben, der mit diesem die den Anforderungen entsprechenden Wertsachen bezeichnete.
Textquelle: W. Tuckermann: „Das Gewerbe der Stadt Hildesheim bis zur Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts“; Inaugural-Dissertation;
Berlin 1906; Seite 155-156