Allgemeines
Das vereinigte Amt der Schuhmacher und Gerber
Das Knochenhauergewerbe
Das Bäckeramt
Das Leineweberamt
Die Ämter der Knochenhauer (carnifices), der Schuhmacher und Gerber (sutores et cerdones) und der Bäcker (pistores) standen an erster Stelle.
Lehnsherr dieser Ämter war das Hochstift; der Fürstbischof verlieh das Privileg, in Amtsangelegenheiten unterstanden sie nicht dem Rate der Stadt, sondern dem Landesherren.
Die Ämter hatten zur Wahrnehmung ihrer Geschäfte besondere Amtshäuser. Die größte Gruppe, die der Knochenhauer, zerfiel in drei Bezirke:
a) die Meister auf dem großen Markte mit dem großen Knochenhaueramtshause
b) die Meister im Bezirk am Steine, mit dem Amtshause „Martens Kuhfuß“, Ecke Stein- und Burgstraße, und
c) die Knochenhauer bei St. Andreas oder auf dem kleinen Markte und in der Kramerstraße. Ihr Amtshaus, das sog. Andreaeamtshaus, hinter dem alten Andreanum 1541 errichtete, ist 1881 abgebrannt.
Das Amtshaus der Gerber hieß Schuhamt oder Schuhhof (Rathausstraße 19). Ihr zweites Haus von 1595 lag an der Innerstebrücke, dem Johannisspital gegenüber.
Das Amtshaus der Bäcker lag am Markte Nr. 5 und ist jetzt abgerissen.
Text-Quelle: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Selbstverlag der Provinzverwaltung; Hannover 1912, Band II, Heft 4, Teil 2, Seite 107f
von K. Illge
Eine straffe Organisation, die sich die Handwerker selbst gaben oder beim Bischof erwirkten, bewirkte das eine sonst Zusammenhang- und Einflußlose Masse in Hildesheim sehr früh zu Wohlstand und auch bald zu Geltung gelangen konnte.
Die ersten Spuren solcher Innungen, die sich zunächst noch weiter „Ämter“ nennen, treffen wir bei unseren Schuhmachern. In einer frühen Urkunde Bischofs Adelogs, die von der „universitas“ berichtet, wird auch von einem Amtsmeister bzw. Magister (Meister) der Schuhmacher berichtet.
G. v. Below bezweifelt jedoch, ob der „magister“ schon ein eigentlicher Amtsmeister war oder nur erst ein „Betriebsleiter im Verhältnis zu seine Gehülfen“.
Im Jahre 1236 aber hat dann Bischof Konrad II. dem Amt der Schuhmacher schon das Eigenrecht, „das man gemeinhin Innung nennt“, samt allen anderen „von altersher besessenen“ Privilegien bestätigt.
Bischof Otto II. betätigte 1272 das Gerber- und Schusteramt. Nach dem Ende des 13. Jahrhunderts erscheinen 1287 die Gerber mit den Schuhmachern zu einem Amt vereinigt und stiegen in der Zukunft zu einer einflußreichen Vereinigung auf, dem am Ende die Führung der Handwerkgenossen in den politischen Kämpfen gegen das Patriziat zufiel.
Nicht viel später als die Schuhmacher und Gerber werden die Knochenhauer und Bäcker ihren gewerblichen Zusammenschluß vollzogen haben. Somit sind diese vier Innungen (Ämter) – die Bezeichnung „Gilde“ war lt. Gebauer im Mittelalter noch unbekannt – als die ältesten Hildesheims anzusehen.
Vom Bischof privilegiert sind sie daher auch, solange Hildesheim sich seiner Unabhängigkeit erfreute, beim Landesherren zu Lehen.
Text-Quelle: K. Illge, Hildesheimer Heimat-Kalender-"Kulurdokumente aus Stein"; Gerstenberg-Verlag Hild.; 1973, Seite 49f
von Walther Tuckermann
Das Schuhmachergewerbe ist das älteste Handwerk der Stadt Hildesheim. Sehr alt ist aber auch seine Organisation.
Wenn schon unter Bischof Adelog ein magister sutorum als Vertreter der Bürgerschaft auftritt, so spricht des einmal für das Vorhandensein einer Zunft, dann aber auch für die Bedeutung des Gewerbes. Daß das Schuhmacheramt zweifellos bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht, verbürgt ferner eine Urkunde vom Jahre 1236, nach der Bischof Konrad II. den Schuhmachern alle Rechte, welche sie von altersher besitzen, bestätigt.
Von einer Vereinigung der Gerber und Schuhmacher hören wir zuerst im Jahre 1287. Werden auch in der Folgezeit öfters die Gewerbe getrennt erwähnt, reden die Quellen zuweilen auch von Zünften der Gerber und Schuhmacher – so werden im Jahre 1435 vier bischöfliche Ämter erwähnt, indem das Amt der Schuhmacher und Gerber für zwei rechnet - , so läßt sich eine etwas später eingetretene Scheidung des vereinten Amtes nicht beweisen. In der Tat sind denn auch die beiden Gewerbe noch im 16. Jahrh. Zu einer Zunft verbunden. Die Zusammengehörigkeit ergibt sich z.B. aus den Siegeln.
Die Aufsicht über das Amt liegt in den Händen des Zunftmeisters. Ihm fällt durchweg ein Drittel der Strafgelder anheim, während der Rest der Zunft zusteht. In der Aufrechterhaltung der Zucht unterstützen ihn während des 14. Jahrh. vier von dem Amt gewählte Geschworene. Im 15. Jahrh. sehen wir an der Spitze des Amtes vier Älterleute (Olderleute) (ver manne) und acht Geschworene.
Was die Verkaufsstätten des Gewerbes anbelangt, so werden im Jahre 1246 vierzehn Schusterhallen erwähnt, deren Lage wir am Markt suchen müssen. Da nämlich dem Rat diese Plätze für öffentliche Zwecke geeignet erschienen – ad usus communes civitatis nostrae essent necessariae -, so tauschte er sie im Jahre 1268 gegen eine abgabenfreie Hofstätte ein. An der Stelle der Schusterhallen erhob sich das noch heute stehende Rathaus am Marktplatz. Auf dem vom Rat überlassenen Grund und Boden errichtete das Amt eine domus calciatorum et allutariorum, deren Privilegierung der Rat im Jahre 1287 abermals betonte. Dieses Amtshaus ist zweifellos mit dem Schuhhof am Markt identisch, in welchen sich die jährlich wechselnden Verkaufsstände befanden. Der Schuhhof lag gegenüber dem Rathaus, also direkt bei der alten Verkaufsstelle des Amtes. Hier behielt das Gewerbe bis ins 18. Jahrh. hinein seinen Sitz.
Nun wird seit dem Ende des 13. Jahrh. in den Urkunden öfters eine Schuhstraße (1298: platea sutorum, platea cerdonum) genannt, die immerhin in einiger Entfernung vom Marktplatz gelegen ist. Es scheint, daß das Schuhmachergewerbe hier in der ältesten Zeit angesiedelt war, etwa im 12. und in den ersten Dezennien (Jahrzehnt) des 13. Jh. längstens in den Vierzigern Jahren würde sich dann der Wechsel der Verkaufsplätze zu der oben erwähnten Stelle am Markt vollzogen haben.
Die bekannten Zunfstatuten vom Jahre 1328 enthalten eingehende gewerbliche Bestimmungen. Danach war es den Schuhmachern verboten, von den Weißgerbern gekalktes Leder zu erwerben. Den Gerbern ist der Ankauf von Lohe außerhalb der Stadt untersagt; auch die Anwendung von Birkenlohe ist ihnen nicht gestattet. Ebenso zieht der Ankauf der Lohe von gewerbsmäßigen Händlern und Vermittlern Strafe nach sich. In den Handel dürfen nur gliederlose Häute kommen. Durchweg ist die Verwendung von Hunde- und Schweinehäute zur Verarbeitung ausgeschlossen. Die von den Gesellen eingekauften Häute dürfen den Wert von 6 Pfennigen nur dann überschreiten, wenn es sich um Schaffelle handelt. Die Schuhe endlich dürfen den Preis von vier Pfennige nicht übersteigen.
Gewerbestreitigkeiten führten im Jahre 1400 das Amt der Schuhmacher und die Altflicker (oltleppers) vor das Forum des Landesherren. Den Altflickern wird vorgeworfen, daß sie sich Rechte, welche allein dem Amte zuständen, angemaßt hätten, weil sie die Schuhe „mit geschmiertem und geschwärztem Sohlleder“ flickten. Die Beklagten berufen sich auf ein Privileg Bischof Gerhards, der ihnen das Recht verliehen haben soll, ihr Gewerbe nach bestem Können auszuüben (lappen so se best konden), freilich mit der Einschränkung, daß das verbriefte Recht der Schuhmacher nicht verletzt werden. Nach eingehender Information hält der Bischof eine Übertretung ihrer Befugnisse für erwiesen und mahnt die Altflicker, zu den alten Bedingungen zurückzukehren, wonach es ihnen gestattet war, nur minderwertige Stoffe in ihrem Gewerbe zu verwenden.
Textquelle: W. Tuckermann: „Das Gewerbe der Stadt Hildesheim bis zur Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts“; Inaugural-Dissertation;
Berlin 1906; Seite 109-112
von A. Zeller
Das erste Privileg für die Schuster und Gerber (domum calciatorum et allutariorum) stammt von 1287; die erste Erwähnung im Stadtrecht von 1300. Ein Privileg Bischof Heinrichs III. für das Gerber- und Schuhmacheramt wird 1367 erwähnt; ihr Innungsrecht wurde von demselben 1355 bestätigt; die Statuten stammen vom Jahre 1328 (bestätigt von Bischof Otto II. – Gerber hier cerdones genannt); ein Privileg von 1401, ein weiteres von 1425. 1426 nennen sie sich in einem Brief an Tile Abbetmeier (ghilde der gerwere unde der schowerten to Hildesem“. 1435 werden sie in den Rat der 40 gewählt (twene uthe den geweren unde twene uthe den schomekeren).
Der Beruf der Gerber verlangte fließendes Wasser. Sie bauten sich daher an dem linken Innersteufer an. Auf der Dammstraße Nr. 8 (1363/64), gleich hinter der Brücke, steht das 1595 errichtete Gerbergildehaus, ein sonst schlichtes Gebäude mit hübschem Portal. Darüber ein Wappen 1595, gehalten von zwei Löwen; in dem Schilden die Werkzeuge der Gerber: Messer, Schaber und Handbeil (Bild).
Das (in der Zeichnung in die Mitte der Tür eingezeichnete) Wappenschild im dritten Felde links zeigt die gleichen Schilde, aber von zwei Männern gehalten.
Textquelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 114f
Bildquelle [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 114
von Walter Tuckermann
Einen gewerblichen Verband (officium) bilden die Knochenhauer nachweislich erst im Jahre 1275. Es ist aber sicher, daß sie tatsächlich schon längere Zeit in einem Amt organisiert waren. Denn der Bischof bestätigt in dem genannten Jahr ihre Rechte, welche sie von alters her (ab antiquo) haben. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir die Entstehung des Amtes in die Zeit vor der ersten Erwähnung des Rates (1236) zurückdatieren. Bereits das deutsche Stadtrecht von 1300 bezeugt die im ganzen folgenden Zeitraum vorhandene Dreiteilung der Knochenhauerorganisation, welche ein Beweis für die Bedeutung des Gewerbes ist und indirekt auch für ein hohes Alter desselben spricht, - Hier müssen wir überhaupt die älteste Konzentrierung des Knochenhauergewerbes suchen. Im Jahre 1240 wird eine Fleischbank beim Markt (iuxta forum) erwähnt, im Jahre 1283 werden Fleischbänke in den Hoken genannt -.
Die Abteilungen nennen sich nach örtlichen Bezeichnungen. Die Knochenhauer am großen Markt hatten ihre Stände auf dem heutigen Marktplatz oder in dessen Nähe, die Knochenhauer am kleinen Markt hatten ihren Sitz bei der Andreaskirche. Deshalb nennt sie Henning Brandis die Knokenhouwere by sunte Andrease. Ein dritter Zweig nannte sich nach den „Steinen“, einer Straße, die vom Domhof zur Dammstadt führte. Jede dieser Abteilungen bildete tatsächlich eine selbständige Zunft, an deren Spitze anscheinend von den Mitgliedern gewählte Älterleute standen. Sie werden bei den Knochenhauern am großen Markt „olderlude“ und der „ghemeynen werken oldermanne“, bei den Knochenhauern am kleinen Markt „mestere“ und „olderlude“, bei den Knochenhauern auf den Steinen „mestermanne“ und „olderlude“ genannt. Das letztere Amt besaß deren drei.
Der Eintritt in das wohlhabende und angesehene Knochenhaueramt am kleinen Markt kam schon im Jahre 1388 teuer zu stehen. Die Bewerber mußten u.a. dem Amt vier Mark Silber und 14 Pfund Wachs entrichten. Je zwei Zunftmitgliedern mußten sie ein Karitatenhuhn (Kapaun?), zwei Wecke und ein Quarter Wein spenden. Die Tatsache, daß das Knochenhaueramt am kleinen Markt das erste gewesen ist, welches den Kreis der aufzunehmenden Mitglieder enger zog, vermag ebenfalls seinen exklusiv vornehmen Charakter zu beleuchten. Als erste Hildesheimer Zunft versperrte es den Schäfern, Müllern und Leinenwebern den Zutritt zum Gewerbe. Ähnlichen Bedingungen wie die Männer unterliegen die Frauen, welche in das Amt einheirateten. In der Zunft der Knochenhauer am großen Markt wurden die Aufnahmebedingungen im Jahre 1403 unter dem Widerspruch eines Teils des Amtes wesentlich verschärft.
Das Meistergeld wird auf acht Mark erhöht. Jedem Amtsbruder muß das neue Mitglied ein Karitatenhuhn (Kapaun?) , ein Quarter Wein und einen Weck (Brot, Brötchen) spenden, dazu noch zwei Fleischgerichte, jedes im Wert von sechs Pfennigen. Außerdem muß der Bewerber zu kirchlichen Zwecken vier Pfund Wachs stiften.
Was die gewerbliche Seite der urkundlichen Überlieferung betrifft, so sonderten die Knochenhauer schon in früher Zeit ihr Amt und ihr Gewerbe gegen die ihnen verwandten Wurstmacher sowie gegen die Schüsseldrechsler ab. Diese abschließen wird vom Bischof Magnus im Jahre 1275 bestätigt. Mit den Garbratern einigten sich die Knochenhauer dahin, daß jene ihr Fleisch, das sie zum Genuss zubereiten, ausschließlich von ihnen kaufen müssen. Nur an vier Tagen im Jahr dürfen die Garbrater Schweine schlachten; der Verkauf von Lamm- oder Kalbfleisch, sowie von Rotwurst und Speck in kleineren Quantitäten ist ihnen nicht gestattet. Finniges Fleisch (mit Bandwurmfinnen behaftetes Fleisch) darf nach dem deutschen Stadtrecht nur auf reinem weißem Tuch, das auf ein steinernes Tischchen gelegt ist, verkauft werden. Man wollte durch diese Bestimmung offenbar jedem den Unterschied von einwandfreiem und von minderwertigem Fleisch klar vor Augen führen, damit zu einem Betrug keinerlei Handhabe geboten war.
Die Scharren der Knochenhauer befanden sich ebenso wie die Verkaufsstände der Bäcker im Besitz der Stadt. Diese überließ sie gegen einen jährlichen Zins den Gewerbetreibenden. Wahrscheinlich wurden die Scharren unter die einzelnen Mitglieder des Amtes verlost, was wenigstens für die Knochenhauer am kleinen Markt bezeugt ist.
Textquelle: W. Tuckermann: „Das Gewerbe der Stadt Hildesheim bis zur Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts“; Inaugural-Dissertation;
Berlin 1906; Seite 112-115
von A. Zeller
[1] Die älteste Erwähnung der Knochenhauer (carnifices) geschieht 1275; im Stadtrecht von ca. 1300 werden schon ihre drei Amtsbezirke erwähnt, nämlich: uppe deme groten markete eder uppe deme lutteken markete eder uppen lutteken Stenen.
Die Verkaufsbuden des zweiten Bezirkes (boven der schole uppe suntte Andreas kerkhove) werden 1361 genannt; das Privileg daselbst erging 1388. Die Scharren (Verkaufsstände) wurden verlost. Unter Bischof Johann erscheinen Bestimmungen über die Aufnahme und die Verfassung 1403 und 1426.
Das Knochenhaueramtshaus selbst (der knokenhawere woninghe) wird 1423, als an der Hosenstraße liegend, erwähnt. Im „Kollegium der 40“ von 1435 sitzen uthe den knokenhouweren van dene Steynen, im ganzen vier Abgeordnete als Mitglieder.
Textquelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 109
von Walter Tuckermann
Das Bäckeramt wird urkundlich zuerst im Jahre 1310 erwähnt. Das Amt ist aber zweifellos viel älter. Wenn schon im Jahre 1195 ein Brotmarkt (forum panis) genannt wird, so ist man versucht, an die Anfänge einer, wenn auch noch schwache Organisation des Gewerbes zu denken. Die offenbar von der Zunft bestellten Vorsteher kommen unter den geläufigen Bezeichnungen (olderlude, mesterlude, einmal auch ghidemestere) vor. Bischof Magnus bestimmte im Jahr 1430, daß die Bedingungen für die Aufnahme in das Amt gleich denen der anderen Ämter sein sollten. Männer und Frauen, welche Anteil an der Zunft zu haben wünschen, müssen ihre makellose Herkunft durch sechs glaubwürdige Zeugen erhärten.
Das Amtshaus der Bäcker lag in der Hosenstraße. An demselben befand sich bis zum Jahre 1450 der Stauppfahl (ein Pfahl zur Durchführung der Strafe des „Stäupens“).
Wenn wir einige in das Bäckergewerbe einschlagende Verordnungen hervorheben, so ist bemerkenswert, daß den Gästen der Absatz von Weißbrötchen zwischen Margaretha (13.7.) und Michaelis (29.9.) gestatte wird. Wie in anderen Städten, so wurde auch in Hildesheim mit dem Auftreten der Zünfte die Hausbäckerei nicht verboten. Ihre Gewerbeberechtigung hielt sich indes in enggezogenen Grenzen. Eine Willkür des Rates vom Jahre 1446, die einzige Nachricht, die wir über die Hausbäcker (iiebegker) haben, verbietet ihnen das Backen von Festkuchen (wigelbrot) für Fremde sowie das Backen von Weißbrot überhaupt. Das Mästen von Schweinen, eine bei den Bäckern des Mittelalters allgemein geltende Sitte, wurde den Hausbäckern untersagt.
Gerade im Bäckeramt gewahren wir den Gegensatz des Stadtrates zum Bischof, der in verschiedener Weise zum Ausdruck kommt. Die Bäcker pflegten in den der Stadt gehörenden Mühlen zu mahlen. Im Jahre 1381 pachteten fünf Bürger die Hohnser Mühle vom Bischof auf 15 Jahre gegen Zins, der nach den ersten fünf Jahren jährlich entrichtet werden mußte. Die Stadt legte ihnen aber Schwierigkeiten in den Weg. Bischof Magnus beklagt sich nämlich, daß der Rat den Hildesheimer Bürgern verboten habe, in der Hohnser Mühle zu mahlen. Der Rat seinerseits hebt in der Erwiderung die großen Kosten hervor, die ihm aus der Unterhaltung seiner Mühlen erwachsen. Deshalb habe er die Bäcker auf die Pflege des Gemeinwohles aufmerksam gemacht; von einem direkten Verbot, in der Hohnser Mühle zu mahlen, könne nicht die Rede sein. Wie indes de papheit nur in der bischöflichen Mühlen mahlen ließen, so könne der Stadtherr es dem Rat nicht verübeln, wenn er seinen Bürgern das Mahlen in den der Stadt gehörenden Mühlen nahe lege – im Jahre 1494 befahl der Rat allen Bürgern in den Ratsmühlen zu mahlen. Schärfer kommt der Gegensatz zwischen dem die Interessen der Bürgerschaft vertretenden Rat und dem Bischof, der rechtlich für die Bäcker allein zuständigen Instanz, in den Bäckerhändeln zum Ausdruck, von welchen Henning Brandis ein klares Bild entwirft. Den Anlass zu denselben gaben die von der Stadt aufgestellten Brottaxen (Brotgebühr, -steuer), welche zweifellos einen Eingriff in die Rechte des Amtes respektive des Bischofs bedeuteten, der zu der Gegenwehr führte, die an anderer Stelle gewürdigt wurde.
Bemerkenswert ist, daß Vereinigungen mit gleichen Verbänden in den Nachbarstädten nur beim Bäckeramt nachweisbar ist. So verbindet sich im Jahre 1392 das Amt mit den Kollegen zu Braunschweig und Helmstedt zur Förderung gleicher Interessen. Im Jahre 1419 hören wir von einer Vereinigung (Kumpanie) der Bäcker zu Braunschweig, Hannover, Alfeld und Hildesheim. Später muß dieser Bund noch weiter ausgedehnt worden sein: denn der Rat teilt im Jahre 1477 dem Rat zu Peine mit, daß es den Hildesheimer Bäcker nicht möglich sei, diesmal de selscup der begkere, alse van older wontlik gewesen ist, zu beschicken.
Textquelle: W. Tuckermann: „Das Gewerbe der Stadt Hildesheim bis zur Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts“; Inaugural-Dissertation;
Berlin 1906; Seite 115-118
von A. Zeller
Die Bäcker (pistores) werden 1310 zum ersten male genannt; ein Privileg stammt von 1358; das Bäckeramt wird 1362, die Gilde 1392 erwähnt; ein bischöfliches Privileg von 1430.
Das Bäckeramtshaus in der Hosenstraße (in der Hosenstrate deme huse, dat der beckere unser stad is) wird 1438 genannt.
Textquelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 115
von Walter Tuckermann
Eine ganz eigenartige Stellung nehmen in Hildesheim die Leinenweber ein. Den ältesten Nachrichten über die Existenz einer Leinenweberinnung (officium linificum, ammecht der 1. Ampt des lynednwerkes) besitzen wir aus dem Jahre 1292. Indes ist auch diese Urkunde nur eine Bestätigung älterer Rechte. Der Zunftzwang wir aber augenscheinlich schärfer präzisiert. Jeder, der fürderhin das Handwerk ausüben will, muß der Innung angehören und als Mitglied dieser an der Entrichtung eines Jahreszinses an den Bischof, dessen Höhe nicht genannt wird, teilnehmen. Die Leinenweberzunft ist neben der in Lüneburg wohl die älteste in Niederdeutschland. Wenn in der Urkunde etwaigen Übergriffen des Rates gegen das Leinenweberamt der Rechtsboden entzogen wird, so beobachten wir hier eine analoge Erscheinung wie in die schon besprochenen bischöflichen Ämter. Ältere Versuche des Rates, auf die Geschichte der Zunft einen bestimmten Einfluss zu erlangen, kennen wir nicht. Die zahlreichen Urkunden, welche die Rechte der Leinenweber durch die Bischöfe immer wieder von neuem verbriefen und die ratsherrlichen Gelüste zurückweisen, wird man eher der sorgfältigen Pflege der nicht sehr geachteten Leinenweberzunft zugutehalten, als auf das Konto tatsächlicher Eingriffe seitens Nichtberechtigter setzen dürfen. Wenn Bischof Gerhard im Jahre 1390 die Gleichstellung eines Leinenweberamtes mit den anderen bischöflichen Ämtern garantiert, und ebenso Bischof Magnus im Jahre 1425, so mag dies für die gewerblichen Parias (unterdrückte und diskriminierte Unterschicht) ein Hoffnungsstrahl gewesen sein, dem aber die Verwirklichung nicht folgen.
Seitens der bischöflichen Ämter war man keineswegs gewillt, den wirtschaftlichen und politischen Vorsprung mit den Leinenwebern zu teilen. Ja, ein Amt selbst, das der Knochenhauer am kleinen Markt, ging, wie bereits bemerkt, im Jahre 1388 mit der Schließung der Zunft für die Leinenweber voran. In allen öffentlichen Stellungen wurden die Leinenweber zurückgesetzt: sie hatten im Gegensatz zu den anderen vom Stadtherrn abhängigen Zünften keinen Anteil am Stadtregiment. Die Urkunden unseres Zeitraumes erwähnen die Zurücksetzung der Leinenweber nicht so offen und unverblümt wie ein Vergleich zwischen Bischof Johann IV. und der Altstadt vom Jahre 1515, in dem es heißt: Eyn rad to Hi. kan ock liden, dat de lynenwever van unsem gnedigen heren breve halen und sinen f. g. darumb dhon na orer gewobheit, aversz se willen sze darup in der stadt Hi. in ampte, gildn edder radeszstole nicht laten ock nergen wider tostaden, wan alse van older in der stadt Hi. sethlick und wontlick gewest.
An der Spitze des Leinenweberamtes stand ein Zunftmeister (werkmester, mesterman, meyster), ihm zur Seite mehrere Älterleute (olderlude). Zum Eintritt in die Zunft waren nach einem Privileg Bischofs Gerhards nur Bewerber ehelicher und freier Herkunft berechtigt. Der Aufgenommene mußte dem Amt eine Tonne Bier und ein Pfund Wachs geben. In seinem Belieben war die Abgabe von 1 ½ Silbermark gesetzt oder an ihrer Statt ein den Mitgliedern und ihren Frauen gespendetes Zunftessen und die Entrichtung einer Mark.
Von den gewerblichen Bestimmungen heben wir folgende hervor. Der allgemeinen Abneigung der Zünfte gegen das Lohnwerk entsprach es, daß Lohnarbeit nur mit dem Einverständnis des Amtes betrieben werden durfte. Wie viele Webstühle die Leinenweber im Betrieb halten durften, wird nicht mitgeteilt, indes macht es ein Abkommen der Zunft mit einer Witwe wahrscheinlich, daß zwei unterhalten werden dürften.
Unter der unruhigen Regierung des kriegerischen Bischofs Magnus, unter der die leidenschaftlichen Gegensätze zwischen Rat und Landesherren in den verschiedenen Anklage- und Verteidigungsschriften beredten Ausdruck finden, hören wir von dem einzigen aber anscheinend nachhaltenden Versuch der Stadt, auf die Entwicklung des Leinenweberamtes einzuwirken. Sie diktiert den Zunftmitgliedern Vorschriften über die Güte und die Größe der zu bearbeitenden Leinwand, gestattete ihnen, in der einen Hälfte der Woche für ihre eigenen Bedürfnisse Sorge zu tragen, dagegen in der andern die notwendigen Wünsche der Bürger sich angelegen sein zu lassen. Bezeichnend ist, daß der Rat sich zwei Drittel der Strafgelder ausbedingt, während er den Rest dem Amt zuerkennt. Hatte Bischof Magnus bei seinem Regierungsantritt der Zunft die Anfertigung von Futtertuch gestattete, so monopolisiert der Rat jetzt diese gleichsam. Je nach den Bedürfnissen verleiht er einzelnen Leinenwebern oder Wollenwebern auf begrenzte Zeit das Recht, Futtertuche zu verarbeiten, mit der Einschränkung, daß die Betreffenden während dieser Zeit ihrem alltäglichen Gewerbe nicht nachgehen dürfen. Personen, welche den beiden Weberzünften nicht angehören, kann gegen eine Abgabe von einem Pfund dasselbe Recht erteilt werden.
Wir wissen nicht, wie Bischof Magnus sich zu den Eingriffen des Rates in seine Rechte stellte. Aus der Regierungszeit seiner Nachfolger besitzen wir überhaupt keine die Leinenweberei berücksichtigende Urkunden. Wenn aber Bischof Berthold von Landsberg, der letzte Hildesheimer Kirchenfürst des 15. Jahrhunderts, im Jahre 1492 die Beeinträchtigungen hervorhebt, welche das von ihm abhängige Leinenweberamt erfahren hatte, so hat er zweifellos jene ratsherrlichen Übergriffe im Auge.
Textquelle: W. Tuckermann: „Das Gewerbe der Stadt Hildesheim bis zur Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts“; Inaugural-Dissertation;
Berlin 1906; Seite 118-121
von A. Zeller
Die Leineweber (textores, zuerst als Innung genannt 1292), Privileg 1368, ihr Amt (ampt des lynenwerkes) von 1398, entwickelt sich selbständig. Ihre Gesellen stiften 1381 in der Martinikirche ein ewiges Licht; ihr Privileg wird von Bischof Magnus 1425 erneuert.
Textquelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 116ff