von Walther Tuckermann
Die Stellung der Frauen im gewerblichen Leben des Mittelalters war keineswegs bedeutungslos. In den von Zünften gebildeten Bruderschaften galten sie als gleichberechtigte Mitglieder wie die Männer, und auch in den Gilden selbst waren sie als Schutzgenossen geachtet. So können wir es verstehen, daß die Zunft an die Frauen ähnliche Anforderungen stellt wie an den Meister.
Freie Geburt und makellose Vergangenheit werden wenigstens im 14. und 15. Jahrhundert von allen Frauen verlangt worden sein.
So fordert die Kürschnergilde, daß die Frau, welche einen Meister heiratet, des werkes so wol werdich were als he (der Meister). Ähnlich bei den Kramern: Ok en schal der nement tor Gilde komen, syn wyf schal der scwol wert syn alse he.
Einige Zünfte waren in dieser Hinsicht gegenüber den Frauen nicht wenig kritisch wie gegenüber den Männern. Im Knochenhaueramt am kleinen Markt muß die Braut eines Meisters durch zwei Verwandte der väterlichen und mütterlichen Seite ihrem, den Bedingungen entsprechenden guten Ruf bezeugen lassen. An fröhlichen Festen hatten die Frauen ähnlichen Anteil wie die Männer: auch sie nahmen an den von einem neuen Gildenmitglied gespendeten Festessen teil. Dem Leichenbegräbnis einer Meisterfrau, zuweilen auch dem der Kinder mußten alle Zunftgenossen folgen.
Wenn wir die Stellung der Frau im gewerblichen Leben gedenken, so sei bemerkt, daß in den nichtorganisierten Gewerben den Frauen die Ausübung der Arbeit wohl ohne weiteres zustand. Aber auch die Korporationen erlauben wenigstens den Meisterwitwen die Weiterführung des Gewerbes bis zu ihrem Tode. So gestattete im Jahre 1408 die Leinenwebergilde einer Witwe und ihrer Tochter, die dem Amte gegenüber eine Person bilden, die Benutzung je eines Webstuhls. Für diese Berechtigung gibt jede dem Amt einen Pfennig sowie sechs Pfennige, welche dem Jahreszins der Zunft an den Bischof zugutekommen. Für die Zunftangehörigkeit entrichten beide zusammen ein halbes Pfund Wachs. Wird das Kompagniegeschäft aufgehoben, so soll jede der Frauen diese Abgabe bezahlen. Ihren Kindern steht – ein allgemeiner Grundsatz in solchen Fällen – die Ausübung des Gewerbes nicht mehr zu.
Im größeren Maße als in anderen Gewerbes war den weiblichen Familienmitgliedern im Schneiderhandwerk die Mitarbeit bzw. die Unterstützung des Meisters gestattet. In der Hökergilde scheint den Frauen ebenfalls ein weiter Spielraum, der dem des Meisters nahekam, eingeräumt gewesen zu sein.
Interessant ist die Beobachtung, wie seit dem 15. Jahrhundert einigen Nonnenklöstern von fürstlicher Hand weitgehende gewerbliche Befugnisse zugestanden wurden. Unweit Hildesheim lag in der Landstadt Eldagsen das Nonnenkloster Marienthal, das dem Verband der Brüder vom gemeinsamen Leben angehörte. Wilhelm d.Ä. Herzog zu Braunschweig und Lüneburg erteilte den Schwestern im Jahre 1437 die Erlaubnis, Tuch und Leinwand anzufertigen und zu schneidern. Herzog Erich I. von Calenberg bestätigte im Jahre 1501 dieses Privileg und erweiterte es durch die Gestaltung auch andere Gewerbe zu treiben. Eine ähnliche Konkurrenz bereiteten den Handwerkern allenthalben die Beginen, deren Existenz auch für Hildesheim bezeugt ist.
Daß die Meister weibliche Kräfte, abgesehen von Familienangehörigen, als Gesellen beschäftigen durften, wird durchweg verboten gewesen zu sein: finden wir doch selbst bei den Schneidern ein Verbot von Mägden. Erst im 16. Jahrhundert hören wir von einer Abweichung von diesem Grundsatz. Die Kürschner klagten im Jahre 1520 eine Werkgenossen vor dem Rate an, weil er mit Mägden arbeite. Der Rat erkannte diesen Zustand an unter der Voraussetzung, daß er nur unbescholtene Frauen heranziehe.
Textquelle:
Walther Tuckermann
Inaugural-Dissertation
„Das Gewerbe der Stadt Hildesheim bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts“; Berlin 1906; Druck: E. Ebering Berlin