Die Befestigung der Altstadt
Die Stadtbefestigung zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert
Die Stadtbefestigung im 18. Jahrhundert
Wann die im Plane von 1769 dargestellte, von der Domburg quer durch den vorderen Brühl bis zur Mitte des Terrains zwischen dieser und der Wollenweberstraße führende Mauer erbaut wurde, ist schwer festzustellen. Sie trägt in einem Rest nach der Paulinerstraße ein frühgotisch behandeltes Schild, könnte also schon bis ins 13. Jahrhundert zurückgehen. Eine valva Brulonis kommt zwischen 1240-1270 vor, später, im Plane von 1769 heißt das Tor „Pulverturm“.
Die Befestigung der so entstandenen östlichen Hildesheimer Altstadt wurde am Anfang des 12. Jahrhunderts gelegentlich der Fehde mit der Dammstadt und um die Mitte des 14. Jahrhunderts bedeutend verstärkt.
Schon 1328 wird das Almsstor im Auftrage des Rates abgebrochen und neugebaut, ein äußerer Graben und ein Doppeltor errichtet, der äußere Graben von der Innerste bis zum Hagen- und Almsstor erweitert (1443). Ein zweiter (neuer) Graben wurde 1345 zwischen Ostertor und Kreuztor angelegt (novum quoddam fossatum juxta vetus fossatum orientale).
Am Hagentor, Almstor und Ostertor waren doppelte Toranlagen, sogenannte Waffenplätze; das heißt, es bestanden zwei Torhäuser, ein innerer größerer Stadtturm – der Bergfried – und ein äußeres kleineres Torhaus. Bei Ausfällen konnte eine kleine Mannschaft sich zwischen beiden sammeln, ohne daß beide Tore offen sein mußten.
Der äußere Graben trug den Namen Hograve (unsern egen upworpe unses graven, de Hograve geheten is – wie es in der Gegenschrift auf die Klage des Bischofs Magnus von 1440 heißt).
Auch an dem Eselstieg (heute Friesenstraße) wurde damals eine Verstärkung vorgenommen. Ein bergfrede dat Vresentor gehesen mit einer Straße davor, dem Eselstiege, wird 1439 erwähnt; 1440 ließ der Rat, um sich gegen Belästigungen der Neustädter zu schützen, vor diesem Tore zingeln (d. i. Palisaden) an einer Mauer davor anbringen.
Merian zeichnete 1653 eine erst 1571 umgebaute Anlage.
Text-Quelle: (1) A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 12f
[1] Nachdem um 1450 die Stadtbefestigung in dem Umfange angelegt war, den sie von da ab die nächsten drei Jahrhunderte behalten sollte, drehte sich die Tätigkeit an den Werken nur um die Verbesserungen, wie sie die Entwicklung des Geschützwesens im Laufe der Jahrzehnte mit sich brachte.
1457 gestattete der Bischof den Bürgern die Anlegung einer neuen Steingrube zur Verbesserung der Wälle, im nächsten Jahre wird das notwendige Holzmaterial an Bäumen gefällt und am Godehardikloster, an der Viehtrift (nördlich von St. Michael), ebenso am Ostertor gebaut, an letzterem speziell ein kleines Werk, ein sogenanntes Horn das noch auf den Plänen des 17. Jahrhunderts zu sehen ist.
Streitigkeiten mit dem Bischof Berthold, die sogenannte „Große Fehde“ Ende 1484, veranlaßten die Stadt 1485 ihre Wehre nach dem früheren Damme hin zu verstärken. Im Stifte St. Johannis errichtete der Rat Graben und Wall, der teils durch den Friedhof, teils durch die Höfe der Geistlichen ging und erbaute zugleich wieder ein Tor.
Vermutlich wurde damals die ehemalige Toranlage nach der Dammstadt wieder zu Ehren gebracht. Die Anlage war wichtig, sie verteidigte wirksam das Vorterrain jenseits der Innerste, das einen Angriff durch die weite Ebene begünstigte und sicherte dadurch das Viertel zur Rechten des Flusses vor der alten Stadtmauer. 1585 erfolgten von hieraus kleinere Scharmützel, Herzog Heinrich von Braunschweig und der Bischof hatten den Galgenberg besetzt und sich dort eingegraben, doch zog sich der Feind nach Wurf einiger Geschosse zurück.
Im Zeichen des Schmalkaldischen Krieges und der Stellungnahme der Stadt zum neuen protestantischen Glauben blieb der Stadt nichts anderes nunmehr übrig, als eine Verstärkung der Werke.
Schon seit Ende des 15. Jahrhunderts war fortwährend an der Festung gebessert worden. 1488 wird in der Urkunde der Stadt über Befreiung des Hospitals von Alten von Ding-, Wacht- und anderen Pflichten vorgesehen, daß „quemet ok in kommenden tiden, dat unser stad unde dem Brule van noden worde unse stad unde den Brul in dem orde herter zu bevestende“, das Hospital bereit sein sollte, etwaige nötige Hofraithen und Terrain gegen Bezahlung abzugeben.
Nachfolgende Angaben darüber mögen genügen. 1488 wurde mit dem Hospital v. Alten im Brühl wegen Abgabe von Hofraithen und Terrain zum Festungsbau abgeschlossen, 1493 und 1497 Wall und eine Mauer am neuen Tor erwähnt. Im gleichen Jahre entstand ein neuer Graben hinter dem Magdalenenkloster; 1512 ein solcher vom Friesentor bis zum Ostertor; 1514 wird ein weiterer hinter St. Godehard angelegt und 1515 ein Zwinger vor dem Hagentor gebaut.
Einschneidender für die Anlieger war die Verstärkung der Festungsanlagen nach der Dammstadt und nach Osten. Hier mußten die Kartause vor dem Dammtore, das Stift St. Bartolomäus auf der Sülte sowie die Kirche St. Johannis, die im Glacis der Festung lag, fallen; neue große Vorwerke, Hornwerke und Rondelle traten an ihre Stelle, bestimmt, das Vorterrain zu beherrschen und die Flankierung der Wälle zu sichern. Diese Arbeiten wurden 1546 und 1547 durchgeführt und ein ganz neues Befestigungssystem, das der niederländischen Manier, entsprechend den neuesten Kenntnissen der Festungsbaukunst gewählt. In Kriegsberichten des späteren Dreißigjährigen Krieges wird viel von Rondellen (an der Sülte) sowie am (jetzigen) Kriegerdenkmal (Ecke der Nordostecke der Altstadt) gesprochen. Es sind aber keine halbkreisförmigen, sondern den älteren Stadtbildern nach richtige sogenannte erhöhte Bastionen.
Auch in den folgenden ruhigeren politischen Zeiten hörte der Rat nicht auf, fortwährend an den Wällen der Stadt zu bessern und zu bauen.
Es sei lediglich erwähnt, daß, nachdem die gegenseitigen Schikanen zwischen Alt- und Neustadt bis zur Unerträglichkeit gestiegen waren, und die Erbitterung sich in gewaltsamen Übergriffen Luft machte, namentlich auf Betreiben Henni Arnekens, der damals Riedemeister war, vom Cyriakitor am Eselstieg, zwischen Brühl und Wollenweberstraße bis zum Brühltor am Kreuztor und bis zum Lappenberge am Godehardikloster gewaltige Werke, Futtermauern (Eskarpen) mit Erdwällen und drei große Steinrondelle entstanden. Zum Bau mußten anstehende Häuser, namentlich aber die Steine zum Turmbau von St. Andreas, herhalten.
So entstehen 1571 die neuen Befestigungen an der Westfront, im nächsten Jahre infolge des Zwistes zwischen Altstadt und Neustadt die Anlage von Befestigungen zwischen Wollenweberstraße und Brühl unter Riedemeister Arnekens Leitung.
1580 gab Fürstbischof Ernst den Plan auf, aus der Domburg eine Zitadelle modernster Art zu machen, zu deren Wallbau bereits 3000 böhmische Deichgräber gewonnen waren.
Bürgermeister Henni Arneken gelang es auch, den Bischof zur Abgabe von Terrain an der Viehtrift zu bewegen. Hier wurde dann ein kolossaler Wall mit Rondengang vor der Eskarpe angelegt, dessen Herstellung durch freiwillige Hilfe der Bürger ermöglicht wurde. 1584 wird der Graben zwischen Hagen- und Almsstor auf 12 Fuß verbreitet. Bald fiel auch das unselige Werk gegenseitigen Mißtrauens, der neue Wall zwischen Alt- und Neustadt.
Mit dem Abbruch der alten Tore nach der Neustadt auf der Strecke vom hl. Kreuz bis St. Godehard wurde schon am 17. August 1585 begonnen; am Lappenberg wurde der Wall geschleift, Rottenarbeit der Bürger mußte das unsinnige Werk nachbarlicher Feindseligkeit niederlegen helfen. Die starken Mauern wurden umgeschraubt, das Material an anderen Befestigungen verwandt, so z.B. zu Bauten und dem Rondell am Goschentor 1590. Damals, August 1585, entstand auch aus der zum Paulinerfriedhof führenden Twerstraße die „Neue Straße“.
1585 im März wurde der Graben vom Zwinger am Ostertor bis zum Eselstiegtor erweitert.
1593 wurde aus Abbruchmaterial des Rondells am Wall zwischen Alt- und Neustadt das Almsstor neu gebaut, vollendet 1596.
1599 von Februar bis April wurden „für dem Hagendor gebuiwet de drei gewelbe bie dem twenger und dat gebui mit blie gedecket und de togbrügge für dem dor mit groter swarheit“.
Die Bewachung der Wälle geschah ursprünglich durch die Bürger, seit 1643 durch die Stadtmiliz von 450 Mann, die auf den äußeren Toren Dienst tat, während die Aufsicht an den inneren von der Bürgerwehr ausgeübt wurde; erst in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam diese Pflicht auch den Stadtsoldaten zu.
So begann denn das 17. Jahrhundert, in dem die kolossale Aufwendungen für Befestigungswesen den Erfolg hatte, daß Hildesheim nicht das ihm angedrohte Schicksal Magdeburgs teilen mußte. Die Befestigung entsprach damals etwa dem Bilde, wie es Marian in seinem Prospekte von 1653 darstellte.
Die sternförmige Anlage des Stadtgebietes brachte ein verlaufen der Wälle im stumpfen Winkel an den Knickpunkten (Courtinen; Kurtine) mit sich, so daß stets der eine Wall vom anderen her unter Feuer gehalten werden konnte. An den Ecken lagen die erhöhten Basteien (Kavaliere) aus dem 16. Jahrhundert; dem 17. Jahrhundert entstammen die kleinen, durch Gräben isolierten Zangen und Lünetten vor den Toren und die größeren Vorwerke, sogenannte Hornwerke, so das vor dem Goschentor und das vor der Innerste-Insel am Dammtor, die als gefährlichste Angriffspunkte der Stadt infolge des nahen Bergholzes anzusehen waren. Namentlich die Inundation (Überschwemmungswerke) dieses Abschnittes sind von Bedeutung.
Über die einzelnen Teile der Werke, namentlich über die einzelnen Tore und Türme, sind naturgemäß in den Urkunden unzählige Notizen, die alle aufzuzählen hier zu weit führen würde.
Text-Quelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 16ff
Das Bild (Bild x) ist besonders wertvoll durch die außerordentlich klare Wiedergabe der Festungswerke, deren Bedeutung für das Festungswesen jener Zeit im Vorhergehenden überzeugend sich aus ihrer schwierigen Überwindung ergab.
Die gefährlichsten Angriffspunkte der Stadt sind mit großen Vorwerken versehen. Die bischöfliche Neustadt jenseits der Innerste ist durch ein großes Hornwerk gedeckt, in dessen Courtine das Dammtor liegt und durch eine vorgeschobene Lünette gesichert wird. Das Sperrwerk zur Herstellung einer Unterwassersetzung des Vorterrains (Inundation) ist deutlich erkennbar; ebenso ein Rundturm (Geschützbollwerk, Barbakan) am Einfluss der Innerste.
Ähnlich verstärkt ist die Front hinter St. Godehard; eine Lünette liegt vor dem „Langgewölbe“ im Zuge des Lappenberges. Das Goschentor (Goske thor) hat eine erhöhte Eckbastion, davor ein kleineres Hornwerk als Verstärkung. Eine Lünette liegt vor dem Braunschweigertor, vor dem Ostertor und dem Almstor, eine weitere vor dem Walle bei St. Michael (an der Viehtrift).
Diese Wallanlagen, welche erst dem 18. Jahrhundert zum Opfer fallen, sind in unserem Plane (Bild x) in gestrichelten Linien angedeutet. Noch sind in Merians Darstellung alle Türme der mittelalterlichen Mauer erhalten, ebenso der alte Mauerzug: Stineckenpforte-Pulverturm (im vorderen Brühl in der Flucht der Kreuzkirche).