(1) Das wichtigste Ereignis militärischer Art war die Hildesheimer Stiftsfehde von 1519-1523.
Bischof Johann IV., aus dem Hause Sachsen-Lauenburg, versuchte zur Sanierung der Finanzen des Fürstbistums nach und nach die an den Adel verpfändeten festen Plätze wieder zurückzubekommen. Dagegen nahm der Adel Stellung und im Bündnis mit Herzog Heinrich dem Jüngeren von Wolfenbüttel kam es zum Krieg.
Hildesheim verband sich mit Herzog Heinrich von Lüneburg, Bischof Johann von Hildesheim und einigen Grafen und es begann nach der Kriegsweise der Zeit ein grauenhaftes Morden und Brennen des Landes.
1519 sah Oldecop, wie er erzählt, am Abend vor Himmelfahrt nicht weniger als elf brennende Dörfer in der Umgegend vom Turme am Ratsmarstalle!
Im gleichen Jahre am Tage vor Peter und Paul (29.6.) kam es zu offener Feldschlacht bei Soltau in der Heide, wobei die Hildesheimer Partei siegte; der Bischof zog am 13. Juli (St. Margaretentag) als Triumphator in die Stadt. Ein Waffenstillstand von fünf Monaten und Friedensverhandlungen blieben ergebnislos.
Der Bischof versuchte und gewann in Köln beim Durchzuge des neugekrönten Kaisers Karl V. dessen Ohr; in Worms sollte neben der weltbewegenden religiösen Frage auch die Stiftsfehde zum Abschlusse kommen.
Das Schiedsgericht vom 21. Mai 1521 entschied zum Nachteil der Sieger von Soltau, jedoch nahmen diese und speziell das Domkapitel die Entscheidung nicht an. Bischof Herzog Heinrich ward am 24. Juli geächtet, als Exekutoren seine erbittersten Gegner, Herzog Erich von Calenberg und Heinrich der Jüngere von Wolfenbüttel, sowie des Kaisers Schwager, König Christian von Dänemark, Landgraf Philipp von Hessen, sowie die Städte Braunschweig, Göttingen und Hannover.
Die Hildesheimer, statt dem Rate der Gesandten der Städte Magdeburg, Goslar, Stendal, Braunschweig, Lüneburg, Hannover und Göttingen, die in Goslar tagten, zu folgen, und die Sache des Bischofs zu verlassen, hielten trotz des Abratens ihres Bürgermeisters Henning Brandis, der dafür sechs Wochen Einlager (d. i. Stubenarrest) bekam, an des Bischofs verlorener Sache fest.
Bald nahten die Belagerer und beschossen vom Moritzberge aus 14 Tage lang die wohlbewehrte Stadt. Wenn auch dieser Angriff erfolglos blieb, so zwang schließlich die Not zum Eingehen eines Friedens.
Er ward am 13. Mai 1523 zu Quedlinburg geschlossen, dabei ging das Bistum Hildesheim in seinem Besitzbestand fast völlig zugrunde, die Stadt selbst kam unter den Schutz Herzog Erichs von Calenberg, fast alles übrige kam in Braunschweigs Hände.
Damit war aber das Fürstbistum Hildesheim aus der Liste der großen Länderbezirke gestrichen, von nun an bleibt die Stadt auf sich selbst angewiesen.
(W) Die Hildesheimer Stiftsfehde bezeichnet einen 1519 ausgebrochenen Konflikt zwischen dem Hochstift Hildesheim und den welfischen Fürstentümern Braunschweig-Wolfenbüttel und Calenberg. Ursprünglich ein rein lokaler Konflikt zwischen dem Hildesheimer Fürstbischof Johann IV. von Sachsen-Lauenburg und dem Hildesheimer Stiftsadel, entwickelte er sich zu einer Auseinandersetzung niedersächsischer Territorialfürsten. Anlass war die vom Hildesheimer Bischof angestrebte Einlösung verpfändeter Ländereien und seine Steuerforderungen an den Stiftsadel. Die Stiftsfehde endete mit dem Quedlinburger Rezess (siehe unten) im Jahre 1523.
Aufgrund der schlechten finanziellen Lage verlangte der Hildesheimer Fürstbischof die Rückgabe einiger an den Stiftsadel verpfändeter Güter, die für den Adel eine wichtige Einnahmequelle darstellten. Ein kleiner Teil von Adel und Ritterschaft weigerte sich aber, seinen Pfandbesitz dem Fürstbischof zurückzugeben. Parallel dazu gab es Bestrebungen des welfischen Hauses, die an das Hochstift verpfändeten Gebiete um Everstein einzulösen, wobei sich hier Differenzen zwischen der lüneburgischen Linie des Welfenhauses unterHeinrich dem Mittleren, den welfischen Linien in Braunschweig-Wolfenbüttel, Calenberg und dem Hochstift Minden abzeichneten. So erhielt Heinrich der Mittlere 1513 von Fürstbischof Johann IV. eine hohe Pfandsumme für Everstein und stellte sich somit gegen Interessen der anderen welfischen Linien.
Heinrich der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel suchte einen Grund, das benachbarte Fürstentum Hildesheim anzugreifen, und fand ihn in den Streitigkeiten zwischen dem Bischof und dem Stiftsadel. So kam es 1516 zu einem Bündnis zwischen einer kleinen Gruppe von Hildesheimischen Stiftsadeligen und Heinrich dem Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel. 1519 entwickelte sich der schwelende Konflikt zum offenen Krieg, der oft als „letzte mittelalterliche Fehde“ bezeichnet wird.
Bündnispartner waren auf der einen Seite der Hildesheimer Fürstbischof, die Stadt Hildesheim, Heinrich der Mittlere von Lüneburg und die Grafen von Schaumburg, Diepholz und Hoya.
Auf der anderen Seite standen Heinrich der Jüngere (Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel), sein Bruder Bischof Franz von Minden, sein Onkel Erich von Calenberg (Fürstentum Calenberg) sowie eine kleine Gruppe Hildesheimischer Stiftsadliger um die Ritter von Saldern.
Zwischen den Jahren 1519 und 1523 kam es immer wieder zu größeren Schlachten und kleineren Scharmützeln, bei denen viele Städte und Dörfer schwer verwüstet wurden. Nach vergeblichen Belagerungen der Festungen in Calenberg und in Hildesheim durch hildesheimische beziehungsweise braunschweigische Truppen sowie zahlreiche Verwüstungen und Plünderungszüge beider Seiten gegen die Zivilbevölkerung kam es am 28. Juni 1519 zur Schlacht bei Soltau (beim Dorf Langeloh). Die Hildesheimer besiegten die Braunschweig-Welfischen Truppen vernichtend, töteten 3.500 Männer und nahmen ihren Gegenspieler Erich von Calenberg sowie viele Adlige gefangen, was das vorläufige Ende des Konfliktes bedeutete.
Mit der Anrufung des neugewählten Kaisers Karl V., der mit den Wolfenbüttlern gute Beziehungen hatte, fand jedoch auf politischer Ebene eine Wendung der Ereignisse statt. Der von Karl V. verhängte Schiedsspruch sah die Herausgabe aller eroberten Gebiete und der Gefangenen vor und richtete sich damit in erster Linie gegen die hildesheimische Seite. Dem Schiedsspruch folgte, da von Seiten des Bischofs und seiner Verbündeten nicht beachtet, 1522 die Verhängung der Acht, mit deren Vollzug die Wolfenbüttler und Calenberger Fürsten beauftragt wurden. Während Heinrich von Lüneburg bereits 1520 ins Exil nach Frankreich gegangen war, die Regierung seinen Söhnen übergeben hatte und damit das Fürstentum Lüneburg aus den weiteren Verwicklungen heraushielt, kam es zwischen dem Hildesheimer Fürstbischof und seinen Gegnern zu erneuten militärischen Auseinandersetzungen, die erst mit dem so genannten Feldfrieden vom 15. Oktober 1521 endgültig zugunsten der Wolfenbüttler Seite endeten. Hildesheim hatte zwar militärisch gewonnen, aber politisch verloren.
Im Quedlinburger Rezess vom 13. Mai 1523 wurden nach langen Verhandlungen die territorialen Veränderungen festgeschrieben, die sich im Zuge des Konfliktes ergeben hatten. Dies bedeutete insbesondere für die Fürsten von Braunschweig-Wolfenbüttel einen großen Zugewinn, während dem Hochstift Hildesheim von ursprünglich 22 Ämtern lediglich vier Ämter (Peine, Steuerwald, Marienburg sowie die Dompropstei) sowie die Städte Hildesheim und Peine verblieben, das so genannte Kleine Stift, etwa 90 Dörfer.
Das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel bekam die Ämter Winzenburg, Wohldenberg, Steinbrück, Lutter, Wohlenstein, Schladen, Liebenburg, Wiedelah, Vienenburg und Westerhof mit den Klöstern Lamspringe, Heiningen, Dorstadt, Wöltingerode, Ringelheim und Riechenberg sowie die Städte Alfeld, Bockenem, Lamspringe und Salzgitter.
Das Fürstentum Calenberg erhielt die Häuser und Ämter Hunnesrück mit Markoldendorf, Aerzen, Lauenstein, Grohnde, Hallerburg, Poppenburg, Ruthe und Coldingen, die Städte Dassel, Bodenwerder, Gronau, Elze, Sarstedt, sowie halb Hameln und die Klöster Marienau, Escherde, Wittenburg, Wülfinghausen undDerneburg.
Die Hildesheimer begannen sofort einen Rechtsstreit um die Rückgabe des Großen Stifts. Dieser endete erst 1643 im Hildesheimer Hauptrezess mit einer Revision des Quedlinburger Rezesses und Rückgabe der Gebiete. Ausnahmen waren die Ämter Aerzen, Grohnde, Coldingen-Lauenberg, Lutter am Barenberge, Westerhof und Lindau, die bei den Fürstentümern Calenberg und Braunschweig-Wolfenbüttel verblieben.
Fürstbischof Johann IV. verzichtete 1527 auf das Bistum, wurde später Domherr im Ratzeburg und starb 1547 in Lübeck.
(Im Original übernommen)
Text-Quelle:
(1) A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 17f
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