Als Quelle für die Begebenheiten des 30jährigen Krieges sind die Aufzeichnungen des praktischen Arztes Dr. Konrad Jordan, der 1626 seinen Wohnsitz wegen der Unsicherheit von Bockenem in die Stadt verlegt, von hohem Werte. Sie umfasst die Zeit von 1618-1659.
Die Vereinigung der nach der Schlacht bei Wimpfen nach dem Norden zurückgehenden Heeresreste mit den Völkern des sogenannten „tollen Christian“, des Herzogs von Braunschweig, verschob den Kriegsschauplatz nach dem Niedersächsischen Kreise. Dieser stellt Ende 1622 ein Heer von 18 000 Mann zum Schutze gegen jedermann auf; entlässt es aber nach der unglücklichen Schlacht bei Stadtlohn (6.8.1623).
Hildesheim traf zur Sicherung Kriegsbereitschaft; am 17.1.1624 wird das Geschütz in Ordnung gebracht. Da Hildesheim als festester Punkt im Niedersächsischen Kriese galt, so plante Tilly dessen Überrumpelung, wogegen sich der Rat durch verdoppelte Aufmerksamkeit, Werben von 200 Soldaten usw. zu schützen hoffte.
Mit der Übernahme des Kommandos als Kreisoberst der Niedersächsischen Stände 1625 durch König Christian IV. von Dänemark, ziehen sich die mit Tilly stattfindenden kleinen Kämpfe von Hameln herüber in die Gegend von Hildesheim. Die Stadt, Tilly wie Christians Forderungen um Einlage einer Besatzung und Proviantlieferung abweisend, übte bewaffnete Neutralität. Die Venedig und das Vorterrain werden daher unter Wasser gesetzt, auch sonst alle Gegenmaßnahmen für eine etwaige Belagerung getroffen.
Anfang 1626 tobten die Kämpfe zwischen Kaiserlichen und Christian unmittelbar vor den Toren der Stadt; Moritzberg wird von diesem am 23. März und 12. Juli geplündert, die Karthaus, die Sülte und Steuerwald besetzt. In der Stadt wütet die Pest, der 1624 in der Altstadt 905, 1625 1239, 1626 sogar 1765 Personen erlagen; dazu traten große Geldopfer für Unterhalt und Besoldung von 400 Mann geworbener Soldaten.
Mit der von Christian verlorenen Schlacht bei Lutter am Barenberge (27. August) wird die Lage kritisch; nach dem Abzug Tillys wird Oberst Graf von Pappenheim beauftragt, Hildesheim unter allen Umständen in die Hand zu bekommen.
Mit der Landung Gustav Adolfs am 26. Juni 1630, dem daraufhin erfolgenden Konvente evangelischer Stände und Städte zu Leipzig, dem sich auch Hildesheim anschloss, verbesserte sich vorrübergehend zwar die Lage der Stadt, die damals offen auf die schwedische Seite übertrat und vom 16. März bis 6. Mai 1631 das Regiment des Obersten Meretichs mit elf Fähnlein aufnahm und auf dem Sandgraben (heute Gartenstraße) einlogierte.
Die Stadt wurde nunmehr in Verteidigungszustand gesetzt, das Vorterrain freigelegt. Dabei mußten die Häuser der Mönche auf der Sülte niedergerissen werden, die Quader wurden zu einer Brustwehr zwischen Alms- und Hagentor verbaut. Alle Bäume fielen unter der Axt, die Innerste wird abgeleitet, alle Häuser des Vorterrains bis nach dem Moritzstift niedergelegt.
Zur Unterstützung der Angriffe der Schweden auf die von Kaiserlichen besetzten Vesten Steuerwald und Marienburg schickte der Rat Geschütz, ebenso wurde der Moritzberg als Angriffspunkt zerstört und 142 Gebäude verbrannt oder abgerissen.
Der Versuch, am 9. Juni die alte Karthaus niederzulegen, wurde zwar durch die kaiserlichen verhindert, doch traf am gleichen Tage Herzog Georg von Braunschweig selbst mit 8 000 Mann zu Fuß und 6 000 Reiter ein, blieb in der Stadt und lagerte sein Heer am Galgenberg. Steuerwald und Marienburg fielen nach kurzer Wehr.
Der Rat mußte für seine Helfer 30 000 Taler Kontribution zahlen, das Plündern begann auch im Weichbild der Stadt, als am 28. Juni kaiserliche Truppen vor dem Ostertor erschienen und am 29. Vom Kräla (Krehla) bei Moritzberg die Stadt beschossen. Von den Schüssen traf einer den St. Jürgenturm am Ostertor, drei das Michaeliskloster, einer die Ratsweinschenke. Die Städter erwiderten von den Rondellen, die Karthause nebst Hennig Lüdeckes Haus wurde angesteckt und Pappenheims Artillerie erheblich geschädigt. In der Nacht noch marschierte Pappenheim ab.
Die Bürger rissen nun den Rest der Karthause ab, ebenso die Kirche in Lutzigevorde, am 5. Den Flecken Moritzberg so gründlich, daß nur Kirche, Turm und zwei Häuser an der Bergmühle stehen blieben; ebenso Steuerwald.
Mit dem Abzug der kaiserlichen verschwanden auch die Schweden.
Hildesheim glaubte sich mit seinen 500 Stadtsoldaten gesichert; zu seinem Unglück, denn Pappenheimer schien in der Nacht vom 24. Und 25. September wieder mit Artillerie und Reitern auf dem Galgenberge und beschoss von neuem die Stadt.
Seine Stellungen an der Hohnser Mühle und in dem unmittelbar vor der Stadt liegenden Katharinenhospital gehen durch Ausfall der Städter verloren, die Katharinenkirche geht in Flammen auf; am Abend brennt die gleichnamige Kirche am Goschentor und das Hospital S. Crucis ab. Die Beschießung am 26. Legt das Siechenhaus am Damm in Asche.
Pappenheimer forderte am 26. September 1632 zur Übergabe auf, und drohte der Stadt das Schicksal Magdeburgs an, falls sie im Widerstand verharrt.
Die Hildesheimer Bürger blieben aber fest, der Rat entschied für Verteidigung. Nach geringem Erfolge des Feindes jedoch, obwohl der Rat zur Fortsetzung der Verteidigung riet, bestimmte die eingeschüchterte Bevölkerung ihn auf dem Rathause zur Übergabe, die am 30. September erfolgte.
Pappenheim – selbst militärisch sich nicht sehr sicher fühlend – gibt milde Bedingungen; die Stadt darf bei ihrem exercitium religionis anjetzo verbleiben, muß 150 000 Taler für die Armee liefern und 2 000 Mann Garnison nehmen. Zu- und Abgang ihrer Bürger bleibt ihr frei. Plünderung war verboten.
Am 1. Oktober zog der Sieger ins Almstor aufs hohe Rondell gegenüber der Sülte und ließ die drei Regimenter Besatzung, jedes mit sechs Fuß- und fünf reitenden Kompagnien zu je 250 Mann vorbeidefilieren. Pappenheim selbst wohnte bei Henning Lüdecken im Langenhagen (Hinterbau des Kaiserhauses).
Seinen Erfolg verewigt der Graf durch eine in einem Fenster der St. Michaeliskirche gestiftete leider verschwundene Inschrift:
„Godefridus Henricus Comes de Bapenheim Eques auratus Sacrae Caesareae majestatis serenissimi Bavariae ducus respective Sacri Romani Imperii haereditarius, nec non exercituum eorum Marscallus Generalis Consiliarius Imperialis aulicus Camerarius et Coronellus Hanc Civitatem per Die gratiam nono die Octobris Anno Millesimo sexcentesimo trigesimo secundo cepit.“
Die nach dem Einzug der Kaiserlichen beginnende Not war für den Wohlstand der Stadt besonders verhängnisvoll. Neben der Kontribution in Geld, welche trotz Ablieferung aller Silberschätze und härtere Steuern nicht aufgebracht werden konnte, wurde durch Abgabe aller Bestände an Geschütz, Munition und Pferden die selbständige Wehrfähigkeit der Stadt vernichtet. Die Konfiskation von Handelswaren wie Tuch, Braupfannen usw. untergrub das Erwerbsleben vollkommen, sodaß schon im Oktober 1632 die Gehaltszahlungen an Ratsangestellte eingestellt wurde und viele Bürger die Stadt verließen; am 12. Oktober standen schon über 200 Häuser leer. Bis Dezember waren 500 Bürger weggezogen, ihre Häuser wurden teilweise abgebrochen und zu Brennholz verwandt.
Zu Beginn des Jahres 1633 nähern sich schwedische Streifzüge der Stadt, die der Bischof Franz Wilhelm deshalb verlässt.
Mit dem siegreichen Vordringen der Schweden wird die Vergewaltigung der Bürgerschaft zwar gemildert, ihr auch wieder die Ausübung ihrer lutherischen Bekenntnisse auf dem Rathause erlaubt. Indessen mußten sie, trotz strikter Erklärung der Neutralität gegenüber dem Bischofe für die Verstärkung der Werke Hand- und Spanndienste leisten und so dazu beitragen, daß die Leiden der folgenden Belagerung sich ins Ungemessene ausdehnte. Nasch der Niederlage der Kaiserlichen bei Stadtallendorf am 28. Juni 1633 wurde Hildesheim von den kaiserlichen Truppen unter dem Kommandanten Merode in Verteidigungszustand gesetzt, und die Stadt, die nur noch 600 Bürger beherbergte, von den Braunschweigischen Truppen vom Galgenberge und später vom Krähenberg am Moritzberge fast ein Jahr lang belagert. Die Verteidigung leitete Oberstleutnant Carl Baron de Suys de Grysort, den Angriff leitete der Generalmajor Tilo von Uslar. Die nun folgende Einschließung tat den Gebäuden der Stadt schweren Abbruch.
Im Oktober wurde die Stadt auch vom Godehardikamp her berannt, dabei schlugen die Kugeln mitten in die Stadt; im Dome wurde die Krönung der Irmensäule am 15. Oktober durch einen Schuss zertrümmert.
Ein früh einsetzender kalter Winter traf die eingeschlossenen sehr hart, aus Holzmangel wurden die von ihren Bewohnern verlassenen Häuser abgebrochen und verfeuert. Am 7. Oktober standen bereits 328 Häuser in der Altstadt leer, in der Neustadt 46 Wohn- und Hinterhäuser der Wollenweberbäuerschaft, 44 Vor- und 41 Hinterhäuser der Schuhbäuerschaft, und 70 Vorder- und 70 Hinterhäuser in der am meisten dem Feuer der Belagerer ausgesetzten Goschenbäuerschaft.
Durch die heftigen Angriffe im September 1633 wurde in der Neustadt unter anderem das Haus des Dompropsts und die danebenliegende Großvogtei vernichtet; Ende September wurde der Zwinger am Goschentor zerstört.
Nach dem Sturme am 24. Februar 1634, dem die Vorwerke am Goschentore zum Opfer fielen, ließ der kaiserliche Oberst Grysort alle diesem Zugange benachbarten Wohnhäuser niederreißen und damit die Wälle verstärken. Da es an Holz mangelte, wurden sogar die Fußböden aus der Ratsweinschenke und dem Rathause herausgerissen und nur mit Mühe diese Bauten durch Vermittlung des Rates vor der Niederlegung gerettet.
Ein Generalsturm am 7. Juli 1634, der die Stadt rettungslos dem Eroberungsrecht der Angreifer überliefert hätte, unterblieb infolge Ankunft der Kaiserlichen, die am 9. Bei Sarstedt von der Belagerungsarmee unter Uslar aufgerieben wurde, sodaß auf Entsatz der Festung von ihren Verteidigern nicht mehr gehofft werden konnte.
Die Übergabe fand am 15. Juli 1634 vormittags statt. Angesichts der hervorragenden Tatkraft und Tapferkeit der Verteidiger mit fliegenden Fähnlein, offenen Standarten, Ober- und Untergewehr, gefüllten Bandeluren, Kugeln im Mund, brennenden Lunten, rührendem Spiel und Heerpauken, aufgeschlagenem Hahn, eine nach damaliger Kriegssitte als Ehrenbezeugung geltende Bereitschaftsstellung.
Mit der Übergabe der Stadt kam nach dem Wegzuges der katholischen Behörden und Geistlichen naturgemäß eine Zeit der Gegenmaßregeln, die unter dem neuen Regenten Herzog Georg, der am 18. November 1634 in die Stadt einzog und in der v. Hoerdeschen Kurie (jetzt Knabenkonvikt) und später im Kanzleigebäude wohnte, durchgeführt wurde. Der Dom wurde als fürstliche Schlosskirche erklärt und in ihm bis Michaelis 1643 protestantischer Gottesdienst gehalten.
In Sachen der schon seit Jahrzehnten schwebenden Unterhandlungen über die Resolution des Stiftes bestimmte 1639 ein kaiserliches Mandat, daß der Herzog von Braunschweig das Gebiet desselben an den Kurfürsten von Köln abzugeben habe. Herzog Georg indes wehrte sich dagegen, ließ Hildesheim in Verteidigungszustand setzen und verband sich 1640 mit dem schwedischen General Baner. Zu Hildesheim tagten beide mit verschiedenen anderen Heerführern, die Bündnisse wurden indessen durch den in kurzen Abständen erfolgenden Tod fast aller Teilnehmer wieder aufgehoben. Nach Herzog Georgs Tode am 20. Mai 1641 zu Hildesheim kam sein Sohn Herzog Christian Ludwig zur Regierung.
Sein friedlicher Sinn war den Verhandlungen über die Restitution des Stiftes zugänglich, und so wurde durch den Akkord vom 16. Januar 1642 eine Vereinbarung zwischen Braunschweig und dem Kurfürsten von Köln geschlossen, wonach dieser das sogenannte „kleine Stift“ (Hildesheim, Peine, Steuerwald und Marienburg) wieder erhielt, die Ausübung der Augsburger Konfession nicht behindert sei sollte und hierfür die Kirchen St. Andreas, St. Georg, St. Martin, St. Michael, St. Paul und St. Lambert auf der Neustadt zugestanden wurden. Im Hauptrezesse vom 9./19. April 1642 wurde sodann auch das „große Stift“ an den Bischof zurückgegeben.
Am 19./29. September 1642 huldigte der Rat wieder dem Bischofe als Landesherrn, Abt Johannes erhielt das St. Michaeliskloster; das Domkapitel nahm den Dom wieder in Besitz; die Jesuiten kehrten in ihr Collegium zurück.
Die Stadt selbst erhielt von nun an eine kleine Garnison, trotzdem litten Stift und Stadt durch schwedische Truppen in den Jahren 1643, 1644 und 1647 neue Vergewaltigungen, die nur durch erhebliche Geldopfer gemildert werden konnten.
Text-Quelle: [1] A. Zeller: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover; Band 2, Kapitel 4: Bürgerliche Bauten; Selbstverlag, Hannover 1912; Seite 26ff